Papst: „Geist der Weltlichkeit ist wie Schnaps auf leeren Magen“

(c) REUTERS (ALESSANDRO BIANCHI)
  • Drucken

Papst Franziskus gibt seinem obersten Beraterkreis, dem Kardinalsgremium, ein unerwartetes Gesicht. Er befördert Außenseiter und sozial Engagierte. Derweil kommt die Kurienreform nur schleppend voran.

Rom. Auch große Kurienreformen fangen klein an: mit einer neuen Personalstelle. Im „Päpstlichen Rat für die Neuevangelisierung“, jener Behörde also, durch deren Wirken die Welt wieder christlicher werden soll, wurde der Posten eines „Delegaten“ geschaffen. Das ist praktizierte Arbeitslosenhilfe à la Vatikan, denn antreten wird den Job im März ein gewisser Franz-Peter Tebartz-van Elst (55). Als Bischof von Limburg hatte er etwas viel Geld für seine Dienstwohnung ausgegeben, worauf der Papst im Oktober 2013 dessen – nicht ganz freiwilliges – Rücktrittsgesuch annahm.

Größere Umbauten im Zentrum der katholischen Kirche sind angestoßen, aber kommen nicht recht voran: Als eine seiner ersten Verwaltungsreformen hatte Papst Franziskus vor zwölf Monaten ein Wirtschaftsministerium sowie als Aufsichtsgremium einen „Wirtschaftsrat“ eingeführt. Geleitet von resoluten Kardinälen – dem Australier George Pell und dem Wahlbayern Reinhard Marx – sollen sie die Finanzstrukturen des Vatikans sichten, transparent machen und umkrempeln, aber sie haben bis heute keine festen Satzungen und erregen mit kraftvoll vorgetragenen Durchsetzungsansprüchen den Widerstand des Establishments hinter den dicken Mauern.

Marx und Pell gehören darüber hinaus zum „K 9“, einer weiteren Erfindung von Papst Franziskus: Ein Rat von neun Kardinälen aus der Weltkirche soll ihm Ideen zur Kurienreform liefern: für eine schlankere, effizientere und transparentere Verwaltung; mehr Dienstorgan für den Papst selbst soll die Kurie künftig sein und weniger Zentralkomitee für die Weltkirche.

Diese Woche haben Gremium und Franziskus zum achten Mal getagt, aber von einem „großen Wurf“ fehlt weiterhin jede Spur. Einige „päpstliche Räte“ will man zusammenlegen, soziales Engagement organisatorisch untermauern, die teure Medienarbeit synchronisieren, aber selbst Franziskus ist vorsichtig geworden: Vor 2016 gibt's keine wesentlichen Änderungen.

Umso tiefgreifender baut Franziskus die Weltkirche um. 20 neue Kardinäle hat er ernannt; diesen Samstag wird er ihnen den roten Hut aufsetzen. Noch provozierender als vor einem Jahr hat Franziskus die Erwartungen vieler „Platzhirsche“ enttäuscht. Das Patriarchat von Venedig geht leer aus, dafür wird der Erzbischof des sizilianischen Agrigent Kardinal, und Franziskus stellt damit klar, welche Art von Stimmen er in der Kirche stärken will: Zur Diözese Agrigent gehört die Insel Lampedusa, wo das Leid so vieler Flüchtlinge jede Woche neu deutlich wird.

USA gehen leer aus

Franziskus blendet bei seinen Ernennungen die USA komplett aus; stattdessen ziehen Burma, Tonga und die Kapverden zum ersten Mal ins Kardinalsgremium ein; auch Äthiopien, Uruguay, Panama waren vorher nie dabei. Aus 18 Ländern kommen die Neuen; 15 von ihnen sind jünger als 80 Jahre und damit zur Papstwahl berechtigt. Der Anteil der Europäer im Konklave sinkt auf weniger als die Hälfte.

Zu den fünf Kardinälen jenseits der Altersgrenze, die damit symbolisch für ihr Lebenswerk geehrt werden, gehört der Nürnberger Karl-Josef Rauber. Für Äußerungen, aus Rom (unter Johannes Paul II.) erwarte er keine Reformen, zeigte ihn der Chef der Glaubenskongregation (Joseph Ratzinger) gleich viermal beim Staatssekretariat an.

Heute lebt Rauber als Ruhestandsgeistlicher in Baden-Württemberg – und war von seiner Beförderung genauso überrascht wie alle neuen Kardinäle: Offenbar mit keinem von ihnen hatte Franziskus zuvor Kontakt aufgenommen.
Im Ernennungsbrief rief Franziskus seine Neuen auf, ihre Ernennung „nicht als Preis, als Gipfelpunkt von Karriere und Macht“ aufzufassen, sondern als Appell zu einem „neuen Dienst“: „Bete, tu ein bisschen Buße, und wenn andere mit dir feiern wollen, akzeptiere es mit Demut. Mache es so, dass der Geist der Weltlichkeit nicht eindringt. Der benebelt wie Schnaps auf leeren Magen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.