Sonntagsspaziergang: Gottes umtriebigster Bote

Toni Faber
Toni Faber(c) Clemens Fabry
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Sonntagsspaziergang. Am 1. Mai hat er als Kind rote Nelken verteilt. Eine schwere Krankheit führte ihn zum Priesterberuf. Heute ist Toni Faber Domherr zu St. Stephan.

Vom Kahlenbergdörfl an der Donau ziehen sich die Serpentinen des „Nasenwegs“ hinauf zur Kirche St. Leopold am Leopoldsberg. Toni Faber, ganz in Schwarz mit weißem Kollar, geht den steilen Weg oft und gerne. „Man kommt heraus aus dem Getriebe des Alltags. Und oben kann man sich wieder einen Überblick verschaffen. Die Stadt unter einem, der Himmel offen.“ Den „Himmel offen halten“, findet Faber, sei überhaupt eine schöne Metapher für das Wirken der Kirche. „Wir tun das übrigens für alle – auch für die Nichtgläubigen.“ Ob die Errichtung von Spitälern, der Blick auf die Leidenden, die Künste und die Kultur – die Kirche habe sich für die Gesellschaft bisher vielfach als sinnstiftend erwiesen.

Vom Rondeau neben der Kirche am Leopoldsberg lässt Faber den Blick über die Stadt schweifen, hinunter auf die Donauinsel, wo er Rollerblades fährt, bis nach Rodaun im 23. Bezirk, wo er aufgewachsen ist. Toni Faber ist in eine sozialdemokratische Familie hineingeboren, die Mutter war Hausfrau, der Vater Straßenbahner. Dieser hat die Familie bald verlassen, Fabers Mutter zog die vier Kinder alleine groß. Als Kind war Toni Faber sowohl bei der katholischen Jungschar als auch bei den sozialdemokratischen Kinderfreunden. Am 1. Mai ist er mitmarschiert, hat rote Nelken verteilt. Ist man als Pfarrer realitätsnäher, wenn man aus einem Arbeiterhaushalt kommt? „Es hat zumindest nicht geschadet“, sagt er.

Heute ist Faber Dompfarrer von St. Stephan. Und als Society-Pfarrer landesweit bekannt. Als „Harald Serafin der Kirche“ oder „Richard Lugner der Kirche“ musste er sich schon titulieren lassen – oder als „Jesus Christ's Superstar“. Und man darf wohl davon ausgehen, dass seinen Kollegen unter Gottes Bodenpersonal niedere menschliche Instinkte wie Neid ebenfalls nicht ganz fremd sind. „Es wäre seltsam, wenn es das beim Klerus nicht gäbe“, lacht Faber. Mit innerkirchlicher Kritik, das komme bisweilen vor, könne er aber gut umgehen, eine gewisse Angstfreiheit sei dabei von Vorteil. „Und der Herr Kardinal steht mir mit Ermunterung und brüderlicher Korrektur bei.“

Ob es einen Möbelmarkt zu segnen gibt, Wein oder ein Herrenmodengeschäft – Toni Faber ist gern zur Stelle. „Das Segensgeschäft hat sich gut entwickelt“, schmunzelt der eloquente Bacchus-Weinpreisträger, der mittlerweile auch den Jagdschein besitzt.

Er suche die Seitenblicke nicht bewusst, sagt der Selbstbewusste mit dem sonnigen Gemüt, aber er erreiche so viele Menschen, die die Kirche sonst nicht erreiche. „Ich zeige, dass die Kirche nicht von gestern ist.“ Und die Kontakte zu Politikern, Unternehmern, Künstlern könne er für karitative Projekte für Obdachlose, arme Kinder und alleinstehende Mütter wieder nutzen. Stolz verweist Faber auf seine Menschenfischer-Bilanz: 60 Wiedereintritte im Vorjahr, 23 bereits heuer.

Dem Tode nah. Als Heranwachsender, erzählt Faber, wollte er Offizier oder Anwalt werden. Auch eine Freundin habe er gehabt. Im Alter von 17 Jahren wurde dann zufällig eine lebensbedrohliche Nierenerkrankung diagnostiziert. „Im Angesicht des angedrohten Todes fragt man sich: Wie habe ich bisher gelebt? Ich habe zu mir gesagt: Wenn ich weiterleben kann – mach was draus!“ Faber besuchte das Priesterseminar, studierte Theologie, begann als Seelsorger im Mega-Gemeindebau „Am Schöpfwerk“. Kardinal Groer holte ihn als Zeremoniär, Kardinal Schönborn übernahm ihn, machte ihn zum Hausherrn im Stephansdom. „Als Pfarrer dort bin ich aber nichts Besseres als der in Gramatneusiedl.“

Und wie hält er es – die Gretchenfrage an katholische Priester – mit der Sexualität? „Ich bin offen für vielfältige menschliche Begegnungen. Es sollte nicht immer alles auf die Sexualität reduziert werden“, meint Faber. Er habe sich in einem langen Prozess dazu entschlossen, zölibatär zu leben, und finde das Zölibat gut. „Auch in einer Ehe ist nicht immer alles Gold, was glänzt.“ Und dass mehr Menschen in eine Kirche ohne Zölibat eintreten würden, glaube er nicht. „Man braucht sich doch nur die evangelische Kirche anzusehen.“ Dennoch habe die Kirche im Bereich der Sexualität „höchsten Erklärungsnotstand“. Die Aids-Problematik werde ein „flächendeckender Abwurf von Kondomen“ aber auch nicht lösen.

Die Kirche, auch der Papst, sollte jedoch weniger über Kondome reden, sondern mehr über die Liebe. Gerade auch zu Ostern – ein Fest gegen die Schwerkraft, das Alltägliche und das Mittelmaß, wie Faber findet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2009)

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