Kirchenreform: Schönborns rebellische Priester

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Kardinal Schönborn muss sparen und will darum Pfarrgemeinden verschmelzen. Seine Pläne werden aber an der Basis verwässert.

Wien. Kardinal Christoph Schönborn hat ein Problem: Seine beiden Weihbischöfe, Pfarrer und Kapläne ziehen bei der Umsetzung seiner Kirchenreform nicht voll mit. Seine ursprüngliche Idee war, die rund 660 Gemeinden in der Erzdiözese zu rund 150 Großpfarren zu verschmelzen.
Ihnen soll ein Pfarrer vorstehen, dem drei bis fünf Priester unterstehen. Gemeinsame Strukturen und ein gemeinsames Budget sowie die ein oder andere Kirchenveräußerung sollten zu einer Kostenreduktion führen. Weil die katholische Kirche immer weniger Gläubige hat – und somit weniger Einnahmen durch Beiträge –, muss die Erzdiözese in zehn Jahren rund 30 Prozent eingespart haben. „Apostel 2.1“ nennt Schönborn seinen Zukunftsplan, der jetzt aber von zwei der drei Vikariate in seiner Erzdiözese aus Angst vor Macht- und Geldverlust verwässert wird.

Im Vikariat Nord, das aus 275 Pfarren im Weinviertel besteht, setzt man auf einen altbewährten Weg. Bischofsvikar Stephan Turnovszky in seinem jüngsten Hirtenbrief: „Für unser Vikariat bedeutet das, dass wir den erprobten Weg der Bildung von Pfarrverbänden weiter beschreiten wollen.“ Das Vikariat Süd, das 210 Pfarren im Industrieviertel verwaltet, nennt seinen Weg der Fusionierung „Seelsorgeräume“ – auch das gibt es schon länger.

Beide Modelle haben im Gegensatz zu Schönborns Wunschmodell gemein, dass die einzelnen Pfarren rechtlich mitsamt ihrer aufwendigen Struktur erhalten bleiben. Eine Kooperation zwischen Gemeinden erfolgt höchstens auf inhaltlicher Ebene. Wirtschaftlich bleiben die Pfarren unabhängig, haben ihr eigenes Budget – ebenso wie Immobilien, Personal oder den Erlös aus Klingelbeuteln.

Einzig das Vikariat Stadt, also Wien, das 175 Pfarren umfasst, will sich an die Vorgaben halten. Den Anfang macht Favoriten, wo 15 Pfarren zu vier verschmolzen werden. Die erste wird den Namen „Pfarre zum göttlichen Wort“ tragen und wurde aus drei Gemeinden um den Hauptbahnhof gebildet. Sie wird Anfang Juni mit einem Fest durch Kardinal Schönborn gegründet. Eine weitere Pfarre neu soll am Wienerberg ab Herbst tätig sein, die beiden anderen folgen 2016.

Teure Gotteshäuser

Wesentliche Kostenpunkte im Budget sind die vielen denkmalgeschützten und teils sehr sanierungsbedürftigen Kirchen. In den vergangenen Jahren wurden daher katholische Kirchen an andere (orthodoxe) Kirchen abgegeben – ein prominentes Beispiel war die Kirche Neulerchenfeld vergangenes Jahr.

Gebäude will man aber auch in Favoriten keine veräußern – das respektiert Schönborn vorerst. „Die Reform soll eine langsame, sanfte sein, das ist ja auch eine hochemotionale Debatte“, sagt Michael Prüller, Sprecher der Erzdiözese Wien, zur „Presse“. Darum seien auch „Seelsorgeräume“ und „Pfarrverbände“ als Übergangslösungen „okay“. Ziel sei aber die Pfarre neu. Man hoffe, dass die Pfarren erkennen, dass größere Einheiten Vorteile hätten. „Gemeinsames Geld und somit größeres Budget, nicht mehr die große Verwaltungslast, sondern Zeit, sich seelsorgerischen Tätigkeiten zu widmen. Diese Reform bedeutet für alle loslassen, Kirche neu denken, und das nicht nur in finanzieller Sicht.“

Dass die Pfarren doch auch irgendwann das eine oder andere Kirchengebäude loslassen können, hofft die Erzdiözese dennoch. „Man muss realistisch sein. Der Erhalt ist teuer, die große Schar an Gläubigen gibt es nicht mehr.“ Nur knapp drei Prozent der Wiener Katholiken besuchen regelmäßig den Sonntagsgottesdienst. Als besondere „Problemkirchen“ werden die Bauten am Gürtel genannt, die nicht nur schlecht besucht, sondern auch in der Erhaltung kaum finanzierbar sind. „Das sind riesige Häuser, die schlecht gebaut wurden und darum nun um viele Millionen renoviert werden müssten.“ Schon einmal wurde versucht, die Kirche Maria vom Siege am Mariahilfer Gürtel an die serbisch-orthodoxe Kirche zu übergeben, das scheiterte am Denkmalschutz. Die Renovierungskosten werden auf zwölf Millionen Euro geschätzt. Das ist rund die Hälfte des Gesamtjahresbudgets, das die Erzdiözese für Bauvorhaben zur Verfügung hat. „Wir können uns die vielen leer stehenden Häuser einfach nicht mehr leisten – und die Hoffnung, dass das sich unsere finanzielle Lage in naher Zukunft derart bessert, haben wir nicht“, sagt Prüller. Die Erzdiözese verliert jährlich bis zu 16.000 Gläubige.

Der Plan

Zusammenlegung. Die Erzdiözese Wien ist in drei Vikariate unterteilt (Nord, Süd, Stadt), in der es 660 Pfarrgemeinden gibt. Weil die Erzdiözese jedes Jahr 16.000 Kirchenaustritte verzeichnen muss und daher weniger Geld hat, muss sie sparen. Der Wunsch des Kardinals: Die 660 Gemeinden sollen auf 150 bis 200 verschmelzen. Die Infrastruktur soll zusammengelegt, die Gemeinden so kosteneffizienter werden. In den Vikariaten Nord und Süd regt sich Widerstand.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.05.2015)

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