Bischof Elbs: „Hätte Entschuldigung der Kirche erhofft“

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ARCHIVBILD: BENNO ELBS(c) APA/KATHOLISCHE KIRCHE VORARLBER (KATHOLISCHE KIRCHE VORARLBERG /)
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Bischof Benno Elbs, Vertreter des österreichischen Episkopats bei der vor wenigen Tagen zu Ende gegangenen Familiensynode im Vatikan, lobt Fortschritte im Umgang mit Geschiedenen, die wieder geheiratet haben.

Die Presse: Die Familiensynode hat drei Wochen lang hunderte Bischöfe versammelt, im Vorjahr gab es ein ähnliches Treffen, auch Befragungen der Basis. War das angesichts der Ergebnisse nicht viel Lärm um nichts?

Benno Elbs: Aus mitteleuropäischer Sicht sind die Erwartungen sehr hoch gewesen. Aus der Perspektive heraus, dass es in verschiedenen Fragen so unterschiedliche Positionen in der Weltkirche gibt, ist die Synode ein echter Erfolg gewesen.

Aber wir leben in Mitteleuropa . . .

Für uns in Mitteleuropa ist die Botschaft, die sich durch den Text zieht: Begleiten, Unterscheiden und Integrieren von Menschen in schwierigen Lebenssituationen. Es ist schon ein schöner Erfolg, dass diese Grundhaltung von der Synode gewünscht ist. Der andere Punkt ist, dass die Familie – die die Zelle ist, die überleben lässt – in das kollektive Weltbewusstsein gehoben worden ist.

Haben Sie sich aber nicht selbst ehrlicherweise mehr erhofft?

Ich hätte mir schon erhofft, wie wir das in der deutschen Sprachgruppe gemeint haben, dass man eine Entschuldigung der Kirche formuliert, weil in der Pastoral beispielsweise ledige Mütter oder Geschiedene manchmal verletzt worden sind. Was ich mir auch erhofft hätte, ist die stärkere Berücksichtigung der Ergebnisse der Umfrage in den Diskussionen im Plenum. Insgesamt habe ich mir erhofft, dass in den Fragen, die bei uns die Menschen stark interessieren im Umgang mit dem Scheitern, für den Papst die Türen offen bleiben, damit er auch weiter gehen kann. Das ist gelungen. Während der Synode hätte ich nicht gedacht, dass es zu diesen Ergebnissen kommt.


Die Vorschläge der Synode gehen aber doch keinen Millimeter über das hinaus, was im Zusammenhang mit neu verheirateten Geschiedenen in Österreich teilweise jahrzehntelange Praxis ist.

Ja, Sie haben recht, dass es in der Sache phänomenologisch nichts ändert, im Erleben der Betroffenen aber schon. Es macht einen großen Unterschied, wenn die Praxis jetzt von der Kirche als Ganzes als pastoral gedeckt gilt. Bisher war das ein persönlicher Weg, den viele Priester aus pastoraler Überzeugung mit den Betroffenen gegangen sind. Wenn ich an Länder wie Polen denke, war das ein absolutes No-go.

Erwarten Sie, dass der Papst in einem Lehrschreiben über den Synodentext hinausgeht?

Der Papst ist für alle Überraschungen gut. Wenn man die Ansprachen des Papstes in der Synode ansieht, dann sind da sehr inhaltsreiche Aussagen über die Weiterentwicklung enthalten. Er spricht von heilsamer Dezentralisierung, der stärkeren Betonung der Verantwortung der Bischöfe für die pastoralen Wege in der Diözese. Der Papst hat in seiner Schlussansprache gesagt: Es braucht die Inkulturation der Religion, manche Themen werden in Afrika anders zu behandeln sein als in Europa. Wenn er das dekretiert, ist das ein großer Fortschritt.

Sie erwarten, dass der Papst den Bischöfen mehr Freiräume gibt?

Eindeutig. Das ist die wirkliche Reform, weil dadurch größere pastorale Spielräume in den Teilkirchen entstehen, ohne die Grundprinzipien aufzugeben. Es gab diese Pole Barmherzigkeit und Wahrheit oder Lehre, die gegeneinander ausgespielt werden. In der Diskussion wurde klar, und das hat der Papst auch gesagt: Die Barmherzigkeit Gottes ist die Wahrheit. Das sind nicht zwei Pole, das ist das Gleiche.

Kurienkardinal George Pell meint wörtlich, das Verbot des Sakramentenempfangs für Geschiedene, die wieder geheiratet haben, sei im Synodentext implizit enthalten. Hat er recht?

Nein, das kann ich nicht herauslesen. Im Gegenteil, es wird die Bedeutung des Gewissens, des Bischofs und der Frage der Schuldhaftigkeit und der Gerechtigkeit im Einzelfall ganz stark betont. Wenn die Schuldhaftigkeit wegfällt, fällt auch der Grund weg, keine Kommunion zu empfangen.

Welche Qualität hat ein Papier, wenn jeder herauslesen kann, was ihm gefällt?

Ich möchte das umkehren: Die Offenheit ist die Chance dieses Papiers. Die Zulassung zu Sakramenten ist nicht expressis verbis in dem Papier enthalten, aber der Weg dorthin, die Integration. Integration macht ja nicht irgendwo halt.

Sie nehmen also an, der Papst sei gegen ein Sakramentenverbot für wiederverheiratete Geschiedene, hat das aber so deutlich formuliert nicht durchgebracht?

Der Papst wollte überhaupt nichts durchbringen. Er hat zugehört und war Teil der Synode, die ja ein ihn beratendes Gremium ist. Ich freue mich für den Papst und die Situation der Kirche, dass das offen ist. Für mich ist das, was im Text ausgedrückt wurde, klar genug.

Wie groß ist nach Ihren Erfahrungen im Vatikan die Unterstützung des Papstes bei seinen, profan gesagt, Führungskräften?

Inhaltlich gibt es schon große Unterschiede, aber es sind alle loyal, und es hat niemand den Papst direkt attackiert.

Könnte man die Synode auch als eine Art päpstliches Privatissimum für die Bischöfe verstehen, wie er sich Kirche vorstellt?

Das war sicher etwas, was er sich unter Synodalität vorstellt: Es darf und soll alles in großer Offenheit mit Achtung und Respekt voreinander gesagt werden. Das ist auch Vorbild, wie Bischöfe und Pfarrer mit ihren Leuten umgehen sollen.


Der Berliner Erzbischof Heiner Koch meint, beim Thema Homosexualität gebe es noch viel Gesprächsbedarf. Was sagt die Synode Neues über den Umgang mit Homosexuellen?

Aus unserer Sicht gibt es nichts Neues. Aus der Sicht der Weltkirche ist aber das, was enthalten ist, bereits eine Weiterentwicklung.

In den Befragungen der Basis hat Kritik an der Ablehnung künstlicher Empfängnisverhütung eine große Rolle gespielt. Weshalb nicht in der Synode?

In der Synode sind keine moralischen Forderungen erhoben worden, sondern es wurden Ermutigungen und Einladungen formuliert, die natürlichen Formen der Empfängnisregelung zu prüfen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2015)

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