Neuer Linzer Bischof: Avantgardist des Franziskus-Stils

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der 60-jährige Bischof Manfred Scheuer wird also von Tirol in das weit schwierigere Oberösterreich geschickt. Kardinal Schönborn hat den Dogmatiker gefördert.

Wien. Es ist ihm nicht auf den ersten Blick anzusehen. Aber Manfred Scheuer, der Ludwig Schwarz in Linz als Bischof nachfolgt, geht als Avantgardist durch. Als theologischer, katholischer, wohlgemerkt. Denn als es in Rom nicht einmal noch einen wilden Traum von einem Papst wie Franziskus gab, als Kardinal Jorge Mario Bergoglio in Buenos Aires in Slums Mate-Tee trank, nahm tausende Kilometer entfernt Manfred Scheuer als Bischof der Diözese Innsbruck schon in vielem Stil und Denken des heutigen Franziskus vorweg.

Indem er einer Kirche, die die Menschen mag, das Wort geredet hat, die in der Gegenwart nicht das Böse schlechthin sieht, einer Kirche auch, die nicht fortwährend Gebote und Verbote formuliert, die nicht auf die „Reinen“, die Perfekten abstellt, sondern sich auf die Zeichen der Zeit einlässt. Zeichen der Zeit – genau so wie es vom letzten Vatikanischen Konzil formuliert wurde. Der Wille zu dessen Umsetzung, zu dessen Fortschreibung ist ein weiteres, das den oberösterreichischen Bäckersohn, der von Kardinal Christoph Schönborn gefördert wurde, mit Franziskus verbindet.

Jetzt schickt ihn also der Papst nach Linz. Nicht ganz unerwartet, „Die Presse“ hat erst am Samstag von dem bevorstehenden Karrieresprung für den 60-jährigen ehemaligen Dogmatik-Professor berichtet. Dieser hat erst kürzlich ein spirituell-politisches Plädoyer „Wider den kirchlichen Narzissmus“ in Buchform veröffentlicht. Darin spricht er wörtlich von „Sterbestunden“ der Kirche, die er aber als die Geburtsszenarien erwachsenen Christentums sieht. Die Gegenwart inmitten der Menschen von heute ist für ihn Voraussetzung für eine Kirche, die einen Gott verkündet, der „nicht in einer gespenstischen Ortlosigkeit, nicht weltlos, nicht realitätsscheu“ sei.

Apropos scheu. Manchmal wird Scheuer als zurückhaltend, introvertiert erlebt und beschrieben. Auch in der Bischofskonferenz, der er nun immerhin schon seit zwölf Jahren angehört, fällt Scheuer nicht als Dauerredner auf. Wenn es das Thema verlangt, bringe er aber hohe theologische Kompetenz in die Beratungen ein, wie ein Teilnehmer berichtet.

Kein Talent zum Volksbischof

Dabei hat es der Neue in Linz während seiner Innsbrucker Zeit durchaus verstanden, auf die Menschen zuzugehen. Zum klassischen Volksbischof mag er vielleicht nicht das Zeug haben, aber er hat geschafft, was keinem seiner drei Vorgänger während des 50-jährigen Bestehens der Diözese gelungen ist: allen Pfarren eine Visitation abzustatten. Ein Sich-in-die-Sakristei-Zurückziehen sieht anders aus. Die Kontakte zu seiner Heimat Oberösterreich, seiner Mutter und den zwei Geschwistern hat er nie abbrechen lassen. Erst am 9. August wurde mit ihm in der (Pfarr-)Gemeinde Haibach ob der Donau sein 60. Geburtstag groß gefeiert. Scheuers Elternhaus steht gleich schräg gegenüber der Kirche, der Vater war Organist.

Jetzt also die Heimkehr nach Oberösterreich: Bereits heute, Mittwoch, will sich Scheuer dem Priesterrat seiner neuen Diözese vorstellen. Er kommt direkt von einer Klausur des Tiroler Priesterrats im Bildungshaus St. Michael oberhalb von Matrei am Brenner. Wie es der Zufall so will, versammelt sich dieses Beratungsgremium des Bischofs gerade auch in Oberösterreich im Bildungshaus Schloss Puchberg, das nördlich von Wels liegt.

Faymann rascher als Franziskus

Gestern, Dienstag, hat die Bundesregierung grünes Licht für den Wechsel gegeben. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) bestätigten dies nach dem Ministerrat – bevor Franziskus seine Personalentscheidung überhaupt bekannt geben konnte. Wie das?

Die Bundesregierung hat laut Konkordat, dem Vertrag zwischen der Republik Österreich und dem Heiligen Stuhl, das Recht, Bedenken allgemein politischer Natur gegen eine Bischofsernennung zu erheben. Dies ist bisher freilich noch nie geschehen. Und selbst wenn die Regierung derartige Bedenken im Ministerrat erhebt, hat sie kein Vetorecht. Der Papst könnte sich nach Konsultationen mit der Regierung dennoch darüber hinwegsetzen.

Lediglich in den 1980er- und 1990er-Jahren hat die damalige ÖVP-Spitze dem Nuntius gegenüber angedroht, bei einer allfälligen Ernennung des streitbaren, mittlerweile verstorbenen Bischofs Kurt Krenn zum Erzbischof von Wien derartige Bedenken offiziell zu äußern. An einem derartigen Eklat wäre Rom nicht gelegen gewesen. Im Fall Scheuer gibt es nur Applaus. Und Wehmut im Tirol.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2015)

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