Papst trifft Patriarchen von Moskau

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Erstmals in der Geschichte soll eine Zusammenkunft zwischen dem Papst und dem Patriarchen der russisch-orthodoxen Kirche stattfinden. Gastgeber ist das sozialistische Kuba.

Rom. Sie sind normalerweise zum Gähnen: die Pressekonferenzen, in denen Vatikansprecher Federico Lombardi bis ins letzte Detail das Programm der nächsten Papstreise vorstellt. Diesen Freitag aber war alles anders. Um Franziskus' bevorstehende Fahrt nach Mexiko sollte es gehen, doch exakt um 12.10 Uhr – so präzise hatten sich die vatikanische und die russisch-orthodoxe Diplomatie synchronisiert – zog Lombardi die Presseerklärung aus seinem Papierstapel, und zur Feier des „historischen Ereignisses“ las er sie gleich in vier Sprachen vor: „Der Heilige Stuhl und das Patriarchat von Moskau haben die Freude, ankündigen zu können . . .“

Zum ersten Mal in der Kirchengeschichte treffen sich die Oberhäupter der russisch-orthodoxen und der katholischen Kirche, Patriarch Kyrill und Papst Franziskus. „Auf neutralem Boden“, haben die Russen verlangt, soll die seit Jahrzehnten immer

ieder geplante und hinausgeschobene Begegnung stattfinden; man hat dabei an einen Ort auf halber Strecke zwischen Moskau und dem Vatikan gedacht, irgendwo in Österreich oder Ungarn. Dass es Kuba werden könnte, war niemandem eingefallen.

Doch nun ist es vereinbart. Wenn der Papst am Freitag kommender Woche, wie geplant, seine einwöchige Mexiko-Reise antritt, dann legt er einen dreistündigen Zwischenstopp in Havanna ein. Auf dem internationalen Flughafen dort erwarten ihn Patriarch Kyrill, der zu einem auch schon länger geplanten Staatsbesuch auf der Insel sein wird – und Landesherr Raúl Castro, der in ebenso verschwiegener wie geschickter Diplomatie die Terminkalender der beiden Kirchenführer einander angenähert hat. Ob das beabsichtigt war oder nicht: Castros Aktivität lässt sich durchaus als Dankeschön an den Vatikan interpretieren, der seinerseits in stiller Diplomatie die isolierte Insel und die USA zur Aufnahme neuer Beziehungen gebracht hat.

Worüber Papst und Patriarch in ihren zwei geplanten Stunden reden werden? Anders als erwartet, sprach der „Außenminister“ der russisch-orthodoxen Kirche, Metropolit Hilarion, diesen Freitag in Moskau nicht von einer Annäherung der seit tausend Jahren getrennten Kirchen. „Im Zentrum“, sagte er, „wird das Thema Christenverfolgung stehen.“

Gegen Werteverfall

Für die Russisch-Orthodoxen ist es also die politische Weltlage, die das letzte Eis für dieses Kirchentreffen hat schmelzen lassen. Christenverfolgung meint das Vordringen des sogenannten Islamischen Staates (IS) in Nahost – wo sich ja auch das politische Russland militärisch engagiert. Und hinsichtlich der politischen Nähe zwischen Putin und dem Patriarchen gibt es keine Zweifel. Franziskus wiederum hat sich nie dazu verleiten lassen, Putin – etwa wegen der Annexion der Krim – als Aggressor zu brandmarken. Dafür erhielt er Lob aus dem weltlichen wie dem kirchlichen Moskau.

Auch in moralischer Hinsicht hält Kyrill einen Schulterschluss mit Franziskus für unumgänglich: Gegen den Werteverfall im Westen, gegen die „Zerstörung der Familie und die Homosexualisierung der Welt“ müssten Vatikan und Moskau zusammenhalten, sagte Metropolit Hilarion des Öfteren. Der Moral wegen und „weil es immer Schauplatz innerchristlicher Trennungen und Konflikte war“, habe Kyrill „kein Treffen in Europa gewollt“. Die Verlagerung nach Kuba, „wo das Christentum lebhaft wächst“, unterstreicht gleichzeitig den Weltanspruch, bei dem die russisch-orthodoxe Kirche nicht hinter der katholischen zurückstehen will.

Schon Johannes Paul II. wollte sich mit dem Moskauer Patriarchen – damals Alexei II. – treffen, doch dem standen seine polnische Herkunft ebenso im Weg wie die Einrichtung katholischer Diözesen in Russland und das, was die Orthodoxen ebenso als Aggression wie als Glaubensabfall betrachteten: der Uniatismus, mit dem orthodoxe Gläubige oder Teilkirchen zum Überlaufen zur katholischen Kirche bewogen werden sollten.

Franziskus steht wegen seiner nicht europäischen Herkunft über den Dingen: „Das erleichtert vieles“, sagte Hilarion einmal. Und Franziskus war offen für alles. Dem Patriarchen sagte er: „Ich komme, wohin du willst. Ruf mich an.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.02.2016)

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