Mexiko-Besuch. In der einst berüchtigten Grenzstadt Ciudad Juárez erinnerte Franziskus an die Opfer der Menschenschmuggler und Drogenkriege. Schon im Vorfeld schäumte Donald Trump.
Wien/Ciudad Juárez. Am liebsten wäre der Papst per pedes über die Grenze gekommen, statt mit dem Papamobil vorzufahren, wie er bereits beim US-Besuch im Herbst verraten hat. Er wäre über den in einen Kanal gezwängten, schmalen Río Grande geschritten – wie Abertausende Migranten auf der Suche nach ihrem Dorado in den USA und die Zehntausenden Gläubigen aus der texanischen Zwillingsstadt El Paso, die aus der Gegenrichtung über die vier Brücken zur Papstmesse am Mittwoch ins mexikanische Ciudad Juárez strömten.
Besuch im Gefängnis
Von der Gebirgskette der Sierra Juárez kündet seit Jahren eine Leuchtschrift: „Die Bibel ist die Wahrheit“. An der Betonwand des zu einem Rinnsal gebändigten Río Grande prangt auf mexikanischer Seite ein Sgraffito der Revolutionsikone Che Guevara, des argentinischen Landsmannes von Franziskus: Im Spannungsfeld zwischen christlicher Glaubenslehre und politischem Impetus bewegte sich der erste lateinamerikanische Papst bei der sechstägigen Visite im zweitgrößten katholischen Land der Erde.
Der Pontifex hatte sich dabei über alle Sicherheitsbedenken hinweggesetzt. Vor der großen Messe am Abend (Ortszeit) besuchte er in der einst schlimmsten Mordkapitale der Welt, das berüchtigte Gefängnis Cereso 3, wo er mit rund 700 betete und sich den Bericht eines Häftlings anhörte. Dann stand ein Treffen mit Vertretern der Arbeitswelt an. Bei der Fahrt in die Stadt hatten Mütter ermordeter Frauen auf Gewalt gegen Frauen aufmerksam gemacht. Sie malten dazu Straßenlaternen rosa an, markierten sie mit schwarzen Kreuzen und schrieben Botschaften darauf.
Die Abendmesse fand auf einer Brachfläche wenige hundert Meter von der US-Grenze entfernt statt. Dort drüben, in El Paso, wurde sie im Football-Stadion per Video übertragen. Franziskus' Kniefall dabei war als Demutsgeste gedacht, angesichts der Tausenden, die ihr Leben an der Grenze, in der Wüste und im Drogenkrieg gelassen hatten. Noch heute säumen Vermissten-Poster die Avenida Benito Juárez und schwer bewaffnete Polizeipatrouillen mit aufgepflanzten Maschinenpistolen auf Pick-up-Trucks kontrollieren das Zentrum der Millionenstadt samt der Kathedrale der Nuestra Señora de Guadalupe, der dunkelhäutigen Schutzheiligen Mexikos.
Papst "Werkzeug Mexikos"
Schon im Vorfeld hatte der symbolträchtige Stopp des Papstes jenseits des Río Grande viel Staub aufgewirbelt, vor allem bei Donald Trump, dem Frontrunner im republikanischen Wahlkampf. Der Immobilienmogul fasste den Papstbesuch als Provokation auf. Sein Vorschlag, an der mexikanischen Grenze eine durchgängige Mauer zu errichten, um – so seine Diktion – die Verbrecher und Vergewaltiger fernzuhalten, hatte eine erbitterte Kontroverse ausgelöst. Franziskus lasse sich als Werkzeug Mexikos missbrauchen, kritisierte Trump.
Dabei las der Papst auch den Mächtigen Mexikos, Politikern wie erzkonservativen Bischöfen, die Leviten: „Die Kirche braucht keine Fürsten.“ Seine Landsleute hatte er neulich schon vor einer „Mexikanisierung“ Argentiniens gewarnt. Raus aus den Sakristeien, forderte er darum jetzt von den Priestern angesichts des Elends und der Macht der Drogenkartelle. „Wenn ihr kämpfen müsst, kämpft.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2016)