Dänemark: "Frauen laut Koran gleichberechtigt"

 Eine Moschee nur für Frauen hat jüngst in Kopenhagen eröffnet.
Eine Moschee nur für Frauen hat jüngst in Kopenhagen eröffnet.(c) REUTERS (FAYAZ AZIZ)
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In Kopenhagen eröffnete die muslimische Feministin Sherin Khankan Europas erste Frauenmoschee. Sie will die Rolle der Frau im Islam "von innen heraus verbessern".

Kopenhagen. Mitten in der dänischen Hauptstadt haben muslimische Frauenrechtlerinnen Anfang Februar die erste Moschee nur für Frauen eröffnet. Darin müssen sie auch keine Schleier tragen, die Geistlichen sind Frauen. Vom eingesessenen muslimischen Gemeinde-Imam wird das Projekt mit einigem Misstrauen betrachtet.

Sherin Khankan (41) ist Imamin, Gründerin des Gotteshauses und leitet die Organisation Kritische Muslime. Sie hat einen gläubigen Muslim aus Syrien, der 1972 als politischer Flüchtling nach Dänemark gekommen ist, als Vater. Ihre Mutter ist eine christliche Finnin. Die Familie nahm stets an Gottesdiensten beider Religionen teil.


Die Presse: Warum gibt es also diese Moschee nur für Frauen?

Sherin Khankan: Ich hab' mich nie in den existierenden Moscheen zu Hause gefühlt. Ich bin dort jemand, der nicht richtig willkommen ist, jemand Fremder. Die großen Moscheen sind zwar sehr schön, aber wir Frauen stehen auf einem Balkon und schauen dem Geschehen unten nur zu. Viele Frauen und junge Gläubige gehen oft gar nicht erst in die Moschee, weil man dort einen von Männern dominierten patriarchalischen Raum betritt. Deshalb die Frauenmoschee.

Ist es nicht ein Teil des Islams, dass die Frau dem Mann untergeordnet ist? Die Rolle der Frau etwa in Saudiarabien wird da oft als ein ziemlich klares Beispiel herangezogen.

Nein, das ist komplett falsch. Männer und Frauen sind laut Koran gleichberechtigt. Beide Geschlechter dürfen etwa nach Wissen streben und Wissen an andere vermitteln. Die untergeordnete Frau ist eine spätere Konstruktion, die nichts mit dem Koran zu tun hat. Gleichberechtigung ist ein essenzieller Teil des Islam. Es ist deshalb auch nichts, was wir vom Westen in unsere Religion importieren. Laut Koran hat bereits Aisha, eine der Frauen des Propheten Mohammed, Gebete angeleitet. Und es gibt zahlreiche Beispiele für die Gleichheit der Geschlechter im Koran. Weibliche Imame sind in der islamischen Tradition nicht kontrovers. Saudiarabiens Familienstruktur baut auf einer rigiden patriarchalischen Interpretation auf, die weit weg vom ursprünglichen Koran liegt und nichts mit dem Islam zu tun hat. Aber auch in Saudiarabien und im Iran gibt es heute gläubige Frauenrechtlerinnen, die versuchen, etwas von innen heraus zu verändern. Das gibt Hoffnung.

Was halten Sie davon, dass Männer im Islam mehrere Frauen haben dürfen?

Also hier in unserer Moschee gilt bei Eheschließungen, dass Männer nur eine Frau haben dürfen, und dass sich auch die Frau scheiden lassen kann.

Werden Sie als islamische Feministin von Fundamentalisten bedroht? Zeitungen schrieben, Sie müssten den genauen Ort der Moschee verheimlichen . . .

Nein, das wurde falsch verstanden. Wir werden die Adresse bekannt geben, wenn alles fertig ist und der Betrieb so gut funktioniert, dass die Gemeinde nicht gleich wieder auseinanderbricht. Beten ist ein spiritueller Akt, da passt der Medienzirkus nicht hinein. Ich habe im Übrigen keine Drohungen erhalten. Aus unseren muslimischen Gemeinden habe ich viele positive Reaktionen bekommen und sachliche Kritik. Viele gläubige Muslime begrüßen Reformen.

Wie sehen Sie Ihre Chancen, die Rolle der Frau im Islam zu reformieren?

Ich glaube, es ist wichtig, den Islam von innen heraus zu verändern, behutsam, respektvoll – und nicht von außen. Das löst nämlich nur Trotzreaktionen aus. Ich bin ein Teil des Islam, er ist ein Teil meines Herzens, und ich weiß, was los ist. Gerade auch in westlichen Ländern gibt es unzählige gläubige junge Leute, die alte Auslegungen dieser Religion befremdlich finden. Sie leben zwischen zwei Kulturen, zwei Religionen. Dann kommt etwa ein Imam aus dem Nahen Osten, aus einer anderen Generation, einer anderen Kultur, und was er ihnen in der Moschee sagt, kommt nicht bei den jungen Muslimen in Dänemark an, weil sie hier anders leben. Wir brauchen also eine Modernisierung. Aber eigentlich ist es gar keine Modernisierung: Es ist eher eine Rückkehr zu den ursprünglichen Lehren im Koran.

Gibt es andernorts auch islamische Frauenrechtlerinnen? Sind sie eine weltweite Bewegung?

Ja, das kann man sagen. Wir wollen ein internationales Netzwerk aus weiblichen Imamen erschaffen, um voneinander zu lernen. In Europa gibt es nur ein paar wenige weibliche Imame, in China, England und in Los Angeles gibt es Moscheen nur für Frauen. In Köln und in Kanada gibt es Gemeinden, in denen Männer und Frauen zusammen beten dürfen. Die Tradition von Frauenrechtlern im Islam ist überdies recht lang. Schon 1923 gab es in Ägypten eine islamische Frauenbewegung, die sich bei ihrer Forderung nach Gleichstellung auch auf den Koran berief. Weibliche Imame sind heute beispielsweise in der al-Azhar-Universität in Kairo voll akzeptiert.

ZUR PERSON

Sherin Khankan
(*1974 in Dänemark) ist Tochter eines muslimischen Syrers und einer christlichen Finnin. Die Religionswissenschaftlerin und Feministin leitet seit Kurzem eine Frauenmoschee in Kopenhagen – die erste in Europa.
[ Kritiske Muslimer]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2016)

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