Kirche: Die Undercover-Priesterinnen

Christine Mayr-Lumetzberger
Christine Mayr-Lumetzberger(c) Christine Mayr-Lumetzberger
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Die "römisch-katholischen Priesterinnen" arbeiten im Verborgenen. Sie lesen Messen, spenden Ehesakrament und Krankensalbung. Die Amtskirche hat die Frauen wegen "Vergehen gegen die Einheit der Kirche" exkommuniziert.

Ihre Ringe mit dem Kreuz darauf sind groß und aus Silber. Auf einem davon funkeln schwach millimetergroße Industriediamanten. „Knallhart“, sagt Christine Mayr-Lumetzberger. Das gilt nicht nur für die Edelsteine der 53-jährigen „römisch-katholischen Priesterin und Bischöfin“, die erst am vergangenen Sonntag wieder für einen kleinen Eklat gesorgt hat. Obwohl sie für ihre „Weihe“ von der Amtskirche exkommuniziert worden war, wollte sie bei einer Messe die Kommunion entgegennehmen. Als ihr Bischof Ludwig Schwarz die Hostie verweigerte, griff Mayr-Lumetzberger selbst in den Kelch.

Die „Frauenpriesterin“ lebt in Pettenbach, im oberösterreichischen Almtal, mit ihrem Ehemann und einem Freund. Im Innenhof des 130 Jahre alten Bauernhauses serviert sie Schokoladeneis mit Bananenscheiben. Sie lebe hier in einer kleinen Senioren-WG, sagt die 53-Jährige. Eine Wohngemeinschaft mit eigener Kapelle.

Die Privatkapelle des Hauses ist im umgebauten Dachboden untergebracht, hinter einem rohen Holztisch hat Mayr-Lumetzberger transparente Tücher in kräftigen Farben gespannt. Das Schaffen einer angenehmen Atmosphäre sei eines der Dinge, die weibliche Priester den Männern voraus hätten, glaubt die Österreich-Chefin der internationalen Bewegung der Roman Catholic Women Priests (RCWP): „Ein Großteil der Gläubigen in der Kirche sind doch Frauen. Mit Fragen der Körperlichkeit, Sexualität oder auch Krankheit wollen sie nicht zu einem Priester, das wird von der Amtskirche einfach nicht wahrgenommen.“

Für Mayr-Lumetzberger war deshalb 2002 die Zeit gekommen, sich über geltendes Kirchenrecht („Die Priesterweihe erhält gültig nur ein getaufter Mann“) einfach hinwegzusetzen. „Denn nicht geschossen ist auch verfehlt“, beschreibt die 53-jährige Hobbyjägerin ihren Entschluss.

Dem ging eine Geschichte inneren und äußeren Kampfes mit der institutionellen Kirche voraus: 1981 trat die damalige Nonne aus ihrem Orden aus, „so wie man liederlich eine Ehe scheidet“. Sie ging einfach. Das Leben im Kloster hatte sie enttäuscht. Sie arbeitete als Religionslehrerin – bis sie einen geschiedenen Mann heiratete und deshalb das Fach wechseln musste.


Weihe auf dem Donauschiff. Erst viel später erfüllte sich ihr Wunsch nach Entfaltung einer „religiösen Begabung“, die sie schon sehr früh in sich gespürt habe: Als sich Mayr-Lumetzberger auf einem Donauschiff an der österreichisch-bayerischen Grenze zusammen mit sechs weiteren Frauen aus Deutschland und den USA zur „Priesterin“ weihen ließ. „Bischöfin“ wurde sie kurze Zeit später.

Rom hat die Weihe zwar für nichtig erklärt, die Zahl der „Priesterinnen“ wächst dennoch: Inzwischen soll es in Österreich bereits eine Handvoll geben. Viele „der Mädels“ seien schon etwas älter, sagt Mayr-Lumetzberger: „Das ist auch gut so, ich bin nicht dafür, dass man in dieser Pionierphase junge Frauen ins Sperrfeuer schickt. Es ist gut, wenn es eine finanzielle Absicherung gibt und die Familienplanung abgearbeitet ist. Es ist ja ein Dienst, den wir leisten, kein Ehrenamt. Wir geben viel Zeit und Energie.“

Der Großteil der Priesterinnen bleibt im Untergrund. In geheimen „Katakombenweihen“ werden sie ins Amt eingeführt: „Entweder wegen ihrer Funktion innerhalb kirchlicher Organisationen oder auch wegen ihrer gesellschaftlichen Stellung.“ Unbekannt wollen auch jene Priester bleiben, die mit den Frauen zusammenarbeiten oder ihnen die Amtsausübung in ihren Kirchen erlauben.

Die Dienste der Priesterin sind jedenfalls gefragt wie nie: Sechs Hochzeiten, drei Taufen, regelmäßige Gottesdienste, pastorale Gespräche und Seminare sind es heuer. „Eigentlich ist meine Planung auf einen pastoralen Termin in der Woche ausgelegt, derzeit komme ich auf das Doppelte.“

Mayr-Lumetzberger zeigt Fotos einer eleganten Trauung, einer Taufe, zu der die gesamte Familie in Tracht erschien. Es sind Hausfrauen, Handwerker, Lehrer, Ärztinnen, Techniker, Steuerberater, die ihre priesterlichen Dienste in Anspruch nehmen: „Es sind Menschen, die der Kirche nahestehen, und welche, die sich von ihr abgewandt haben, weil sie kein Forum fanden“, sagt Mayr-Lumetzberger.

Die weltweite Bewegung der „Roman Catholic Women Priests“ wächst. „Vielleicht in ein, zwei Jahren“ würden sie auch im Vatikan Anerkennung finden, hofft Mayr-Lumetzberger. Danach sieht es allerdings nicht aus. Die Aufhebung der Exkommunikation ist kein Thema. Allerdings: Die Tätigkeit der Undercoverkirche und auch die internationalen Verbindungen, über die sie offenbar innerhalb der Amtskirche verfügt und über die die Priesterin eisern schweigt, seien in Rom schon seit Langem bestens bekannt: „Ratzinger weiß um alle Vorgänge.“

Kirche bleibt hart. Papst Benedikt XVI. war zur Zeit der Frauenweihe auf dem Donauschiff noch Kardinal Joseph Ratzinger und Präfekt der Glaubenskongregation. Mit ihrer Aktion hätten die Frauen einen schweren Verstoß gegen die göttliche Verfassung der Kirche begangen, erklärte er damals. Da der Bischof, der den Akt vornahm, der Argentinier Romulo Braschi, außerdem einer von der Kirche abgespalteten Gemeinschaft angehört, handle es sich auch um „ein schweres Vergehen gegen die Einheit der Kirche“. Die Priesterinnenweihen seien die Simulation eines Sakraments und damit ungültig und nichtig. Nach einem kurzen Ultimatum wurden die Frauen exkommuniziert. „An dieser Auffassung hat sich rein gar nichts geändert“, sagt der Sprecher der Diözese Linz, Ferdinand Kaineder.

„Prophetischer Schritt“. Die Weihe auf dem Schiff wurde damals auch von liberalen Kirchenkreisen, darunter Frauen, heftig kritisiert: Das schade den Anliegen der Frauen in der Kirche mehr, als es nütze, hieß es damals. Das, sagt Mayr-Lumetzberger, ärgere sie: „Ich werde zornig, wenn Frauen aus der Jammerphase nicht zur Handlungskompetenz kommen. Wenn man die herrschende Situation verändern kann und Frauen das nicht tun. Ich habe für mich entschieden, wenn es einen Weg zu diesem prophetischen Schritt gibt, dann gehe ich ihn.“

Den jüngsten – vergeblichen – Vorstoß in Richtung Anerkennung unternahmen die Priesterinnen im Februar. Das große Ziel der Frauenkirche im Untergrund ist es noch immer, die Bewegung in offizielle kirchliche Strukturen zu überführen. Wie das gehen soll? „Durch Glaubwürdigkeit und Konsequenz“, sagt Mayr-Lumetzberger. Und mit Gottvertrauen: „Wenn der liebe Gott Frauen als Priesterinnen will, wird er sie kriegen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2009)

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