Mutter Teresa: Eine Heilige, die Armut liebte

 Der verstorbene Papst Johannes Paul II. hatte Mutter Teresa 2003, sechs Jahre nach ihrem Tod, seliggesprochen. Die katholische Anerkennung als Heilige ließ dagegen auf sich warten.
Der verstorbene Papst Johannes Paul II. hatte Mutter Teresa 2003, sechs Jahre nach ihrem Tod, seliggesprochen. Die katholische Anerkennung als Heilige ließ dagegen auf sich warten.(c) REUTERS
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Papst Franziskus wird Mutter Teresa am 4. September heiligsprechen. Das Ereignis gilt als Höhepunkt des Jahres der Barmherzigkeit. Die Ordensfrau hatte aber auch Kritiker.

Rom. Gerüchte haben schon lang die Runde gemacht – am Dienstag hat der Vatikan sie offiziell bestätigt: Am 4. September wird Mutter Teresa von Kalkutta heiliggesprochen. Viele Römer erwarten, dass dieses Ereignis der Höhepunkt des sonst wenig spektakulär verlaufenden heiligen Jahres der Barmherzigkeit wird. Hunderttausende Zuschauer werden erwartet. Dreihunderttausend Menschen allein drängten sich auf dem Petersplatz und drumherum, als Johannes Paul II. die körperlich winzige Ordensfrau 2003 in den Kreis der Seligen aufnahm. Und auch wenn die indischen Bischöfe seit Langem drängten, Franziskus sollte zur Heiligsprechung nach Kalkutta reisen, stellte der Vatikan sofort klar: Das Fest findet zentral in Rom statt; Mutter Teresa gehört der ganzen Welt.

Mutter Teresa, die 1910 im heutigen Mazedonien geboren wurde und von einem irischen Schwesternorden in die indische Mission nach Kalkutta gesandt wurde, gilt nach einer US-Rangliste als „die meistbewunderte Frau des 20. Jahrhunderts“. Der frühere UN-Generalsekretär Javier Perez de Cuellar sagte: „Sie ist die Vereinten Nationen.“ 1979 bekam Mutter Teresa, die mit bürgerlichem Namen Anjezë Gonxhe Bojaxhiu hieß, in Oslo den Friedensnobelpreis. Bereits sechs Jahre nach ihrem Tod, der sie 1997 ereilte, wurde sie seliggesprochen. Johannes Paul II. hatte dafür die kirchenrechtlichen Wartezeiten genauso aufgehoben wie sie später für ihn selbst aufgehoben wurden. Doch während in Indien, religionsübergreifend, viele Geistliche längst von der Heiligkeit Mutter Teresas überzeugt waren, blieb die katholische Heiligsprechung erst einmal im Vatikan hängen.

Franziskus hat nun auch die Tür dafür aufgestoßen, indem er der Ordensgründerin die medizinisch nicht erklärbare Heilung eines Brasilianers von schweren Gehirnabszessen als Wunder zuschrieb. Ohnehin ist Mutter Teresa ein Vorbild für christlichen Einsatz nach Franziskus‘ Geschmack: Hinausgegangen aus der wohltemperierten Kirchenstube, in diesem Fall aus einem Erziehungsinstitut für britische höhere Töchter in Indien, sammelte Mutter Teresa Sterbende von den Straßen Kalkuttas, um ihnen einen würdevollen Tod zu ermöglichen. Sie küsste Leprakranke, so wie Franziskus jeden Mittwoch bei seiner wöchentlichen Generalaudienz Kranke reihenweise küsst, um ihnen menschliche Nähe zu vermitteln.

„Leiden als ein Geschenk Gottes“

Wobei Mutter Teresa die christliche Barmherzigkeit, die auch Franziskus' Kernthema ist, in ihrer besonders armen Form verkörperte. Doch sie hatte auch ihre Kritiker: Denn sie bekam Hunderte Millionen Dollar an Spenden – der medizinische Standard in den von ihr eingerichteten Krankenhäusern aber spottete jeder Beschreibung. „Sie liebte die Armut, nicht die Armen“, fasste der britische Journalist und Religionskritiker Christopher Hitchens zusammen, der mit seinen Einwänden auch den Vatikan nachdenklich stimmte. Sie beließ es beim „Leiden als einem Geschenk Gottes“, tat aber nichts, auch politisch nichts, um es zu überwinden.

Und sie war unbequem: Bei der Entgegennahme des Friedensnobelpreises sagte Mutter Teresa dem Westen: „Ich will nicht, dass ihr mir gebt, was ihr im Überfluss habt. Ich will, dass es euch weh tut.“ Oder sie wetterte gegen Abtreibung: „Abtreibung ist der größte Zerstörer des Weltfriedens heute. Denn wenn eine Mutter ihr eigenes Kind umbringt, was hindert mich, dich umzubringen, oder dich mich?“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.03.2016)

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Die Zeremonie findt am 4. September statt. Franziskus hatte der Friedensnobelpreisträgerin 2015 ein zweites Wunder zuerkannt und den Weg für die Heiligsprechung freigemacht.

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