Unbekannte "markieren" Häuser von Christen in Istanbul

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In mehreren Stadtvierteln von Istanbul sind die Häuser von Christen mit farbigen Plaketten markiert worden. Die Etikettierung der Häuser fällt offenbar mit vermehrten Belästigungen christlicher Bewohner zusammen.

In den traditionell von Angehörigen der christlichen Minderheiten bewohnten Stadtvierteln Feriköy und Kurtulus wurden manche Häuser in jüngster Zeit mit grünen und roten Schildern gekennzeichnet. Sie sollen offenbar auf armenische und griechische Bewohner hinweisen. Die Etikettierung der Häuser falle mit Klagen christlicher Einwohner über vermehrte Belästigungen zusammen, stellte die Abgeordnete Sebahat Tuncel in einer parlamentarischen Anfrage fest.

Innenminister Besir Atalay soll sich nun zu den Vorfällen äußern. "Von wem sind diese Markierungen angebracht worden?", zitiert die Presse aus der Anfrage. Das Ministerium soll auch klarstellen, ob entsprechende polizeiliche Ermittlungen und Maßnahmen eingeleitet worden sind.

Partiarch Bartholomaios auf Todesliste

Der im Phanar in Istanbul residierende Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. soll auf einer Todesliste des nationalistisch-laizistischen Geheimbundes Ergenekon stehen, dem zur Last gelegt wird, die Türkei durch Attentate ins Chaos stürzen zu wollen.

Die EU-Kommission hat die Türkei wiederholt aufgefordert, wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um die prekäre Lage der nicht-muslimischen Bevölkerungsgruppen zu verbessern.

Erinnerung an Christen-Pogrom 1955

Die Kennzeichnung christlicher Häuser weckt in Istanbul die Erinnerung an das Pogrom gegen die christlichen Minderheiten vom September 1955. Damals waren zuvor die Häuser und Geschäfte der Christen von nationalistischen Aktivisten markiert worden. Ausgelöst wurden die blutigen Ausschreitungen mit Dutzenden von Todesopfern in Istanbul und Izmir vordergründig durch den Zypern-Konflikt - im Hintergrund stand die Suche nach Sündenböcken in einer Zeit, in der sich die Türkei in einer wirtschaftlich kritischen Lage befand.

Ein fanatisierter Mob setzte in Istanbul 72 orthodoxe Kirchen und über 30 Schulen in Brand, schändete christliche Friedhöfe und verwüstete rund 3500 Wohnhäuser und mehr als 4000 Geschäfte. Die Polizei sah untätig zu, wie geplündert und vergewaltigt wurde. Der Nobelpreisträger Orhan Pamuk, der in seinem Werk auch den Massenmord an den Armeniern von 1915 thematisierte, schilderte die blinde Zerstörungswut in seinen Jugenderinnerungen.

(APA)

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