Weltjugendtag in Polen: Reformpapst trifft auf Konservative

2016 07 25 KRAKOW Poland Gl�ubige Christen treffen sich zum Weltjugendtag 2016 World Youth Day
2016 07 25 KRAKOW Poland Gl�ubige Christen treffen sich zum Weltjugendtag 2016 World Youth Day(c) imago/newspix (imago stock&people)
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Das große Kirchentreffen begann gestern in dem streng katholischen Polen, wo auf den liberalen Franziskus kräftiger Gegenwind aus seiner eigenen Kirche wartet.

Krakau/Danzig. Sie tanzen, singen und beten. Fröhliche junge Gläubige tragen die Flagge Chiles durch die Straßen, vor ihnen gehen Indigene aus Mexiko, dahinter missionarisch engagierte Polen. Der 31. katholische Weltjugendtag, der am Wochenende im südpolnischen Krakau im Gebet mit Papst Franziskus seinen Höhepunkt erleben wird, hat am Dienstag nicht nur Krakau, sondern auch die liberale Ostseestadt Danzig und Hunderte Kirchgemeinden im Land erobert.

Mit einer Freiluftmesse begann am Abend das große Fest auf dem Błonia-Feld mit Polens Kardinal Stanisław Dziwisz und etwa 365.000 Pilgern aus 187 Ländern. Bis Sonntag könnten es 1,5 Millionen Gäste sein, darunter etwa 3000 aus Österreich. Ein Heer von Priestern, Laienhelfern und Beamten wurde mobilisiert, um Polen von der nettesten Seite zu zeigen, fast alle machen mit, auch regierungskritische Medien. Trotz jihadistischer Attentatsserien im Ausland, aber auch der Festnahme eines Irakers in Łódź, der zur Herstellung von Sprengstoff geeignete Chemikalien gekauft und womöglich ein Attentat geplant hat, ist der Weltjugendtag in aller Munde.

Franziskus trifft am Mittwoch in einem gespaltenen Land ein. Nicht nur das sich zu über 90 Prozent katholisch bezeichnende Volk ist entlang der Linien rechtsliberal und nationalkonservativ zerstritten, auch das Episkopat sieht sich in dem Dauerstreit bedrängt. Die Mehrheit der Geistlichen unterstützt die rechtskonservative Wende der von Parteichef Jarosław Kaczyński als Schattenmann gelenkten Regierung. Von der Kanzel aus und in wichtigen Medien haben sie acht Jahre lang gegen den liberalen Kurs der Vorgängerregierung gewettert. So sieht sich die Kirche jetzt zu Recht ebenso als Wahlsiegerin. Und Kaczyńskis Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) zeigt sich für die Unterstützung erkenntlich.

Für viele polnische Kirchenleute scheint klar, dass der Einflussverlust nach der Wende 1989 dank der neuen Verhältnisse endlich gestoppt werden kann. Jahrzehntelang war Polens Kirche Hort des Widerstands gegen deutsche und russische Besatzer und die KP. Der vom Geheimdienst 1984 ermordete Priester Jerzy Popiełuszko wurde von Franziskus' Vorgänger Benedikt XVI. seliggesprochen. Bekannt ist der Beitrag des polnischen Papstes, Johannes Paul II., für das Ende des kommunistischen Ostblocks.

Ein Ende des Machtverlustes

Die Wende aber schwächte bald Polens Kirche: Demokratie, Konsumgesellschaft, Hinwendung zu weltlichen Werten und Moral. Der Kirchenbesuch nahm ab, Badeferien verdrängten Pilgerfahrten.

Am schmerzlichsten trifft das alles das Nationalheiligtum Jasna Góra in Tschenstochau, das Franziskus am Donnerstag besucht. Liberale Kreise spekulieren darüber, ob Franziskus dort eine Toleranzrede halten wird oder sich zumindest kritische Bemerkungen zum Thema Flüchtlinge aus dem islamischen Raum für den diplomatischen Empfang als Staatsoberhaupt vorbehält.

Klar ist allen in Polen, auch Regierung und Bischöfen, dass Franziskus nicht nur in dieser Frage weit von ihren Positionen entfernt steht. So polemisiert das mächtige erzkatholische Radio Maryja gegen den Aufruf Franziskus', jede Kirchengemeinde möge eine Flüchtlingsfamilie aufnehmen.

Die Regierung gibt Hunderttausende christliche ukrainische Gastarbeiter als Flüchtlinge aus, verweigert aber die Aufnahme von Muslimen. Extremisten unter katholischen Geistlichen predigen gegen „Verräter“ und dass Barmherzigkeit nicht bedingungslos sei.

Gegen den von Kritikern monierten Abbau bürgerlicher Freiheiten stehen wenige Kirchenleute auf; immer mehr rufen indes zur nationalen Einheit auf. Regierungskritische Pressestimmen mahnen nun „ein Wunder“ ein, eine Kehrtwende zu mehr Toleranz und der multinationalen Tradition Vorkriegspolens. Regierungsnahe Kräfte betonen dagegen vor allem die gute Organisation des Weltjugendtags – und weisen auf den festgenommenen Iraker hin.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2016)

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