Die verheirateten Geistlichen

Uwe und Simone Eglau in ihrem Wohnzimmer. Die beiden sind seit 2002 verheiratet, Uwe Eglau ist seit 2009 ständiger Diakon in der Erzdiözese Wien.
Uwe und Simone Eglau in ihrem Wohnzimmer. Die beiden sind seit 2002 verheiratet, Uwe Eglau ist seit 2009 ständiger Diakon in der Erzdiözese Wien.(c) Die Presse/Clemens Fabry
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Uwe Eglau ist Ehemann, Familienvater – und ein Geistlicher. Als ständiger Diakon ist er Teil einer Ausnahme in der katholischen Kirche. Landesweit gibt es aktuell rund 700 Männer in diesem Amt.

Manchmal, wenn Uwe und Simone Hand in Hand die Straße entlanggehen, drehen sich die Leute nach ihnen um. Ihre Augen wandern dann von Simones Gesicht zu Uwes Hals und verharren auf seinem schwarzen Hemdkragen und dem weißen Kollar, das er darunter trägt. In den Blicken der Leute liegen Skepsis, Verwunderung, oft ein Vorwurf, und immer eine Frage: „Was macht der Priester mit einer Frau?“ Uwe und Simone sind ein Liebespaar. Aus diesen Blicken machen sie sich nichts.

Seit Uwe Eglau denken kann, sagt er, spüre er einen inneren Ruf in sich. Schon früh engagierte er sich in der Kirche und wollte Priester werden. „Aber so wie viele andere“, sagt er, „bin auch ich am Zölibat gescheitert.“

Uwe Eglau, 50 Jahre alt, sitzt an diesem regnerischen Abend Anfang Oktober auf einem braunen Ledersofa, das in seinem Zuhause, einer Wohnung im 17. Wiener Gemeindebezirk, steht. Simone Eglau, 39 Jahre alt, holt eine Flasche Rotwein an den Couchtisch, setzt sich neben ihn und greift nach seiner Hand. Die Wohnzimmerwände sind dicht behängt mit Kreuzen und goldenen Heiligenbildern. Dazwischen Fotos von Frida Kahlo, Winston Churchill, Viktor Frankl, Sigmund Freud. Uwe arbeitet als Psychotherapeut, Simone ist klinische Psychologin und Kunsttherapeutin, beide haben ihre Praxis hier im ersten Stock. Die Eglaus sind Eltern zweier Kinder, im Jahr 2002 haben sie geheiratet. Als sich Uwe sieben Jahre später zum Geistlichen weihen ließ, saß Simone ganz vorn im Stephansdom und war stolz auf ihren Mann.

Uwe Eglau ist Teil einer Ausnahme in der katholischen Kirche. Auch als Ehemann und Familienvater traut er regelmäßig verliebte Paare, führt Beerdigungen durch, segnet die Wohnungen seiner Verwandten und tauft die Kinder seiner Freunde. Seit 2009 ist er ständiger Diakon. Es ist das einzige geistliche Amt, das auch verheiratete Männer bekleiden dürfen.


Zahl der Diakone nimmt zu. Während es in Österreich von Jahr zu Jahr weniger Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen gibt, nimmt die Anzahl der ständigen Diakone stetig zu. Landesweit gibt es aktuell rund 700 Männer in diesem Amt, 200 allein in der Erzdiözese Wien. „Der Zölibat spielt hier sicher eine große Rolle“, sagt Andreas Frank. „Die Verbindung von Beruf, Familie und geistlichem Amt ist für viele attraktiv.“ Frank ist Vize-Ausbildungsleiter des Diakoneninstituts in Wien und leitete den diesjährigen Jahrgang. Am 15. Oktober wird Erzbischof Christoph Schönborn erneut 15 Männer zu ständigen Diakonen weihen, 13 davon sind verheiratet.

Sie sind Beamte und Pensionisten, arbeiten als Ärzte und Architekten, als Pädagogen und Projektmanager. Nach ihrer Weihe dürfen sie bis auf die Leitung der Eucharistiefeier, des Bußsakraments und der Krankensalbung alle Aufgaben eines Priesters übernehmen.

„Hauptaufgabe der Diakone ist es aber, den Kranken und Armen zu dienen“, sagt Andreas Frank. „Und für die Menschen am Rande der Gesellschaft da zu sein.“ Viele Diakone engagieren sich neben Tätigkeiten in der Pfarre in Pflegeheimen, Altenhäusern oder der Flüchtlingshilfe. Andere arbeiten ehrenamtlich als Seelsorger bei der Feuerwehr, der Rettung oder – wie Uwe Eglau – bei der Polizei.

Seit 2007 besucht Eglau einmal pro Woche sechs Polizeistationen in Wien und erkundigt sich nach dem Seelenleben der Beamten. Er trägt dann eine Polizeiuniform, die an den Schultern mit kleinen Kreuzen bestickt ist. Die Arbeit bei der Polizei ist für ihn eine wichtige Aufgabe. „Die Polizisten haben in der Bevölkerung keinen wirklich guten Stand oder Ruf“, sagt er. „Der Beruf ist sehr herausfordernd geworden, und viele stehen unter starkem Druck.“ Neben seiner Arbeit als Psychotherapeut verbringt Eglau rund 20 Stunden die Woche mit seinen Aufgaben als Diakon. Freie Tage hat er selten. Bereut hat er sein Dasein als Geistlicher aber nie.


Sechs Jahre bis zum Diakon. „An Jesus Christus habe ich nie gezweifelt, aber manchmal verzweifle ich etwas an der Obrigkeit in unserer Hierarchie“, sagt Eglau. „Wenn es etwa um Personalentscheidungen geht, dann bleiben manchmal Menschen auf der Strecke, die vielleicht etwas unbequemer als andere sind.“ Simone Eglau, die mittlerweile gemütlich im Sofa lehnt, stimmt ihm kopfnickend zu.

Das Ehepaar engagiert sich auch seit fünf Jahren in der Diakonausbildung, sie halten Seminare ab und leiten Selbsterfahrungswochen. Insgesamt dauert der Weg bis zum ständigen Diakon sechs Jahre. Voraussetzung ist ein theologisches Studium oder ein Abschluss der diözesanen theologischen Kurse und eine weiterführende Ausbildung an einem Institut für den Ständigen Diakonat. „Die Männer in der Ausbildung sind meist sehr gebildet und engagiert“, sagt Simone Eglau. „Viele davon sind auch sehr kritisch – und das gefällt eben nicht allen.“ Wenn man Dinge zu hinterfragen beginne, „dann ist man manchmal mit Menschen ganz oben in der Hierarchie konfrontiert, die das nicht tun oder nicht wollen“, sagt ihr Mann. „Die immer recht haben müssen – und aus.“

Die Eglaus wünschen sich mehr Offenheit in der Kirche. Auch was das Amt des ständigen Diakons betrifft. Ohne die Zustimmung der Ehefrau kann ein verheirateter Mann zwar keine Weihe empfangen, der Zugang zum Amt selbst ist aber Frauen nach wie vor verwehrt. „Obwohl ihn sich viele wünschen würden“, sagt Simone Eglau. Dass Frauen sich nicht zum ständigen Diakon weihen lassen dürfen, könne Uwe Eglau theologisch nicht nachvollziehen, sagt er. „Ich würde es als Bereicherung ansehen.“

Simone Eglau fühle sich selbst nicht dazu berufen. „Aber das geistliche Amt meines Mannes hat unser Eheleben bereichert.“ Als sie das sagt, lächelt Uwe Eglau und streicht ihr sanft über die Schulter. „Dass ich heute Diakon bin“, sagt er, „habe ich meiner Frau zu verdanken.“ Schon als sich die Eglaus 1999 kennenlernten, hatte Uwe die Unterlagen zur Diakonausbildung auf seinem Schreibtisch liegen. „Irgendwann habe ich zu ihm gesagt: Wir reden schon so lange darüber, Jesus ruft dich ständig – jetzt mach' es doch endlich“, sagt Simone. 2006 meldete er sich für die Ausbildung an.

Für ihn sei es ein Glück gewesen, sagt er, dass er zu diesem Zeitpunkt bereits verheiratet war. Für ledige Männer gilt auch als Diakon der Zölibat. „Ich sage zu meiner Frau immer: Gott behüte, dass sie vor mir in die Ewigkeit berufen wird, sonst müsste ich auch zölibatär leben.“ Ein zweites Mal heiraten dürfte er nicht, das Kirchenrecht schließt das grundsätzlich aus.

„Wenn ich die Möglichkeit hätte, würde ich sofort Priester werden“, sagt er. Viele seiner Mitbrüder würden es vielleicht nicht zugeben, aber er glaube, dass es den meisten so wie ihm gehe. „In der Orthodoxie gibt es seit 2000 Jahren verheiratete Priester, und das ist für niemanden ein Problem“, sagt er. „Ich würde auch in der katholischen Kirche keines sehen.“

Für die Eglaus ist die Abschaffung des Zölibats überfällig. „Ich glaube, dass die Diakone hier wirklich zukunftsweisend für die katholische Kirche sind“, sagt Simone Eglau. „Sie leben ein ganz normales Durchschnittsleben, haben selbst eine Familie. Sie wissen, wovon geredet wird, wenn jemand mit Eheproblemen zu ihnen kommt. Sie sehen darin auch einen Weg, wieder mehr Menschen den Glauben näher zu bringen. Nicht nur die Anzahl der Priester geht stetig zurück, in Österreich gibt es auch immer weniger Katholiken. Allein 2015 traten mehr als 56.365 Personen aus der katholischen Kirche aus, das waren um 2,5 Prozent mehr als im Jahr davor.“

„Um Menschen zu gewinnen, braucht es ein persönliches Beispiel“, sagt Uwe Eglau. Er erlebe immer wieder, dass Polizisten zu ihm sagen: „Weil du so bist, wie du bist, Uwe, trete ich wieder in die Kirche ein.“ Auf die Frage, ob er in diesem Leben noch Priester werde, antwortet er: „Ich sage es wie der heilige Paulus: Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben.“

DIAKON, was?

Die Aufgaben von Diakonen in der katholischen Kirche: Sie dürfen taufen, Trauungen und Begräbnisse leiten, predigen, das Evangelium vortragen.


Voraussetzung für die Weihe ist eine mehrjährige Vorbereitung. Auch verheiratete Männer (mit oder ohne Kinder) dürfen ab dem 35. Lebensjahr Diakon werden, sofern die Ehefrau zustimmt. Stirbt diese, darf ein Diakon nicht mehr heiraten.

Frauen hatten in der frühen Kirche dieses Amt inne. Heute wird darüber diskutiert.

Fakten

Bereits in der Frühzeit der Kirche gab es Diakone, die sich um die Armen und Benachteiligten kümmerten. Ab dem achten Jahrhundert verlor das Amt an Bedeutung und wurde schließlich zu einer Durchgangsstufe zur Priesterweihe.

Grundsätzlich gibt es drei Stufen des Weihesakramentes: Diakon, Priester und Bischof. Jeder Priester und Bischof ist also immer auch Diakon. Erst das Zweite Vatikanische Konzil (1962 bis 1965) führte den Diakonat als eigenständige hierarchische Weihestufe wieder ein und eröffnete damit auch verheirateten Männern einen Weg zur Weihe.

1970 wurden in Österreich die ersten ständigen Diakone geweiht, heute gibt es hierzulande mehr als 700. Während Priester und Bischof zum Leitungsdienst in der Gemeinde berufen sind, ist es die Aufgabe des Diakons, sie dabei zu unterstützen und für die karitativen Dienste Verantwortung zu tragen. Der Diakon hat eine besondere Rolle in der Heiligen Messe, die Leitung der Eucharistiefeier ist aber dem Priester oder Bischof vorbehalten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.10.2016)

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