Luther schenkte gleich dreimal

 So stellte man sich im 19. Jahrhundert Luther am Heiligen Abend vor – als Vertreter bürgerlicher Weihnachtsidylle: „Luther im Kreis seiner Familie Weihnachten 1536“ von Carl August Schwerdgeburth, Stahlradierung von 1843.
So stellte man sich im 19. Jahrhundert Luther am Heiligen Abend vor – als Vertreter bürgerlicher Weihnachtsidylle: „Luther im Kreis seiner Familie Weihnachten 1536“ von Carl August Schwerdgeburth, Stahlradierung von 1843.(c) Stiftung Luthergedenkstätten
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Christkind, Singen und gutes Essen: Wie der Jahresregent 2017, Martin Luther, Weihnachten prägte.

Martin Luther als Repräsentant biederer bürgerlicher Weihnachtsidylle – so hat ihn erst das 19. Jahrhundert inszeniert. Viel dazu beigetragen hat die Zeichnung „Luther im Kreis seiner Familie Weihnachten 1536“ von Carl August Schwerdgeburth (siehe Bild). Anachronistisch daran ist nicht nur der Christbaum – der sich erst im 18. Jahrhundert eingebürgert hat –, sondern auch das Familienbild: Luther führte einen großen Haushalt mit armen Verwandten, Waisen, Studenten, Dienstpersonal.

Ganz abwegig ist dieses biedermeierliche Luther-Bild allerdings auch nicht. Immerhin legte Luther den Grundstein für Weihnachten als Familien- und Geschenkefest. Als Gegner der Heiligenverehrung entthronte er Nikolaus als Gabenbringer und setzte das Christkind ein. Es warf die Geschenke anfangs durch die Schornsteine, die Kinder breiteten ihre Mäntel vor dem Kamin aus.

Man kann Luther aber auch als Ahnherrn säkularisierten Schenkens sehen. Im leider vergriffenen Buch „Luthers Weihnachten“ der Wittenberger Stadtführerin Elke Strauchenbruch erfährt man von erhaltenen Rechnungen aus dem Luther'schen Haushalt. Sie zeigen, dass der spät und dafür umso begeisterter Familienvater Gewordene seine Kinder gleich drei Mal beschenkte, mit Spielzeug und Honigkuchen: am Heiligen Abend, zu Neujahr – und am von ihm abgelehnten Nikolausfest. Auch für das viele Singen zu Weihnachten steht Luther, der gern auch Musiker gewesen wäre, Pate. Sein zur Geburt einer Tochter geschriebenes „Vom Himmel hoch da komm ich her“ nach der Melodie eines beliebten weltlichen Kranzliedes wurde eines der bekanntesten Weihnachtslieder.

Auch protestantisch: Adventkalender

„Am 24. Dezember, am Ende des immer weniger strikten Adventsfastens, wurde häufig Leberwurst mit Weinkraut aufgetragen.“ Luthers Sohn hätte das durchaus so schildern können wie in der fiktiven, aber historisch fein recherchierten Autobiografie „Paulus Luther“ des Schriftstellers Christoph Werner. Fasten war für Luther sinnvoll, aber Genuss keine Sünde, der wochenlange Verzicht auf Fleisch, Milch und Eier entsprach ihm nicht. Insofern ist Luther auch ein Vorläufer des kulinarisch freizügigen Advent. Vor der Reformation hatte man nach dem Nikolausfest 40 Tage lang gefastet, vom 12. November (nach dem Martinstag) bis zum Dreikönigstag, tierische Produkte waren verboten.

Die Tradition des adventlichen Butterstollens hat allerdings schon vor Luther begonnen – als sächsische Fürsten Papst Innozenz VIII. 1480 um die Erlaubnis baten, Butter statt „Rüböl“ (Rapsöl) für die Fastenstollen zu verwenden. Der Papst gab sie, führte aber prompt eine Steuer fürs Stollenbacken ein – eine Form des von Luther später so kritisierten Ablasshandels.

Auch der Adventkalender ist übrigens eine protestantische Entwicklung – wenn auch eine sehr späte. Der deutsche Drucker Gerhard Lang vermarktete diesen in Familien aufgekommenen Brauch ab 1903 als Erster, als Bögen mit 42 Bildern zum Ausschneiden und Aufkleben; oder – schon ganz, wie wir es heute kennen – mit Bildern hinter Türchen und mit Schoko gefüllt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2016)

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