Ein Papst auf gefährlicher Mission

Zwei Tage lang gastierte Papst Franziskus im Land am Nil, das in den vergangenen Wochen von Anschlägen auf Christen erschüttert wurde. Die Sicherheitsvorkehrungen in Kairo waren deshalb enorm.
Zwei Tage lang gastierte Papst Franziskus im Land am Nil, das in den vergangenen Wochen von Anschlägen auf Christen erschüttert wurde. Die Sicherheitsvorkehrungen in Kairo waren deshalb enorm.(c) APA/AFP/HO (HO)
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Kampfjets stiegen auf, Handys wurden eingesammelt: Nach dem Terror gegen Christen in Ägypten trat ein abgeschirmter Franziskus in Kairo auf. Die Atmosphäre: angespannt.

Mirna Essameldin strahlt. „Wir lieben diesen Papst“, sagte die 27-Jährige, die an dem Besucher aus Rom vor allem seine bescheidene und menschliche Ausstrahlung schätzt. „Mit ihm beten wir für Frieden im Nahen Osten, vor allem in Syrien, aber auch in Ägypten.“ Die Büroangestellte wuchs in Minia auf, seit Jahren die Unruheprovinz Ägyptens, wenn es um das Verhältnis von Christen und Muslimen geht. Mehr als 50 Kirchen, Sozialstationen, Wohnhäuser und Schulen gingen hier 2013 in Flammen auf, als der heutige Präsident Abdel Fattah al-Sisi den Muslimbruderpräsidenten Mohammed Mursi mit militärischer Gewalt absetzte. Den Auftritt von Franziskus an der Al-Azhar-Universität am Vortag hat Mirna Essameldin im Fernsehen gesehen, als er „jeglicher Form von Gewalt, Rache und Hass im Namen von Religion oder im Namen Gottes“ ein entschiedenes „Nein“ entgegensetzte. „Das waren klare Worte, und die haben uns gut getan“, sagt die junge Koptin.

Am Samstag in der Früh im Stadion der Luftwaffe hatte das katholische Oberhaupt dann deutlich mehr Mühe, seiner christlichen Botschaft Gehör zu verschaffen. „Der Friede sei mit Euch“ – kaum hatte Franziskus die etwa 10.000 Gläubigen in der halb gefüllten Arena begrüßt, als schon der nächste Apache-Kampfhubschrauber über die Köpfe hinweg ratterte. Ganze Teile des Evangeliums und der Predigt wurden vom militärischen Rotorenlärm gestört, alle drei Minuten schwebte eine der schwarzen Kampfmaschinen hinter dem Altarzelt vorbei.

Gedämpfte Stimmung. Und so war von allen Open-Air-Gottesdiensten, die katholische Päpste in den vergangenen beiden Jahrzehnten im Nahen Osten zelebrierten, die Feier von Franziskus in Kairo die wohl angespannteste. Das Sportgelände vor den Toren der ägyptischen Hauptstadt glich einer Militärfestung. Auf sämtlichen Ausfallstraßen stand jede fünfzig Meter ein Polizeiposten. Denn die Führung am Nil wollte unter keinen Umständen riskieren, dass nach den Selbstmordattentaten von Tanta und Alexandria nun auch während des Papstbesuches irgendetwas passiert.

Und so griffen die Sicherheitskräfte auch im Stadion zu beispiellos-drastischen Schritten. „Wir haben schon über tausend Handys angenommen, wir können nicht mehr“, stöhnten an den Zugangstoren die koptischen Pfadfinder. Jeder, der den Papst sehen wollte, musste vorher sein Telefon abgeben. Selbst beim Besuch des US-Präsidenten Barack Obama 2009 in Kairo hatte es so etwas nicht gegeben. Und so türmten sich draußen vor den Toren reihenweise Pappkartons, alle bis zum Rand gefüllt mit durcheinander gewürfelten Smartphones. Drinnen beim Papstgottesdienst dagegen gab es für die Gläubigen zum ersten Mal seit Erfindung der sozialen Medien kein Erinnerungsfoto an den populären Gast. Franziskus schien die gedämpfte Stimmung zu spüren. Schon beim Einzug in die halbvolle Sportarena wirkte er erschöpft und etwas gequält, seine Stimme bei der Liturgie klang brüchig und müde. Zwei Dutzend Sicherheitskräfte schirmten den 80-Jährigen ab. Dicke Eisengitter vor den Tribünen hielten die winkenden und jubelnden Menschen auf Distanz, so dass der Funke zwischen den von überall her angereisten Christen und ihrem sonst so kontaktfreudigen vatikanischen Oberhaupt nicht richtig überspringen wollte. Auch die Stadionrunde mit dem weißen Elektrocart wurde von den Organisatoren kurzerhand halbiert, damit der Pontifex nicht Minuten lang an völlig leeren Rängen vorbeifahren musste. Denn über 10.000 Plätze blieben unbesetzt, obwohl unzählige Gläubige im ganzen Land, die sich um Karten beworben hatten, leer ausgingen.

Aufruf zur Feindesliebe.
In seiner Predigt warb Franziskus für eine „Kultur des Dialogs, des Respekts und der Brüderlichkeit“. Alle Frömmigkeit nutze nichts, wenn sie nicht von tiefem Glauben und Nächstenliebe inspiriert und belebt werde. Der einzige erlaubte Extremismus für Gläubige sei die Nächstenliebe, sagte er. Jegliche andere Art von Extremismus „kommt nicht von Gott und gefällt ihm nicht“. Ägyptens Christen rief der Papst drei Wochen nach den Terroranschlägen mit 46 Toten zur Feindesliebe auf. Dies sei die Stärke der Christen, ihr Schatz.

„Ich fahre froh nach Hause“, sagte Makarios Michel, der seit 28 Jahren als koptischer Pfarrer in Assiut arbeitet. Probleme zwischen Christen und salafistischen Hardlinern gibt es auch dort. Er habe jedoch auch Freunde unter Muslimen, erzählt der 56-Jährige. Und die beneiden mich jetzt, „dass ich einen Papa wie Franziskus habe“.

Die koptische Kirche, deren Mitglieder sich als Erben des pharaonischen Ägyptens sehen, ist die größte und älteste christliche Gemeinschaft, nicht nur in Ägypten, sondern im ganzen Nahen und Mittleren Osten. Ihre Anfänge führen diese Christen zurück auf den Evangelisten Markus, der im ersten Jahrhundert in Ägypten gelebt und als erster Bischof von Alexandria gewirkt haben soll. Heute wohnen schätzungsweise neun bis zehn Millionen Gläubige am Nil, ein beträchtlicher Teil in armen Verhältnissen als Müllsammler oder Kleinbauern.

Neben den orthodoxen Kopten gibt es auch 200.000 Christen der mit Rom verbundenen koptisch-katholischen Kirche und der koptisch-protestantischen Kirchen. Die Zahl der römischen Katholiken beträgt einige zehntausend. Seit dem 18. und 19. Jahrhundert sind vor allem auch große abendländische Orden wie Jesuiten, Dominikaner und Franziskaner in Ägypten aktiv, die Schulen, Krankenhäuser und Sozialstationen aufbauten. Die deutschen Borromäerinnen gründeten 1884 ein Mädchengymnasium in Alexandria und 20 Jahre später eine zweite Schule in Kairo, die beide bis heute existieren und einen sehr guten Ruf genießen. Ihre Schwestern waren am Samstagnachmittag mit dabei, als sich Papst Franziskus in den letzten beiden Stunden vor seiner Abreise im Stadtteil Maadi mit etwa 1500 Ordensleuten aus der gesamten Region traf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2017)

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