Eser Akbaba: „Also ich persönlich brauche kein Minarett“

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ORF-Moderatorin Eser Akbaba im Gespräch mit der "Presse" über Ausländerfeindlichkeit unter Ausländern, Straches kluge Strategien, laszive Jung-Türken und Selbstironie unter Migranten.

Die Presse: Frau Akbaba, Sie sind mitverantwortlich für die Lifestylezeitschrift „Biber“, seit Oktober sagen Sie zudem in „Wien heute“ (ORF) das Wetter an. Sehen Sie sich als Role Model für die jungen Migranten in Österreich?

Eser Akbaba: Ich weiß es nicht. Ich wurde zuletzt aber von mehreren Leuten angesprochen, die es toll finden, dass endlich einmal ein fremdes Gesicht, das etwas anders ausschaut, mit vielen Locken, vor der Kamera ist. Wenn sich da junge Menschen ein Beispiel nehmen könnten – so nach dem Motto: „Sie hat es geschafft, ich kann es auch schaffen“ –, dann wäre das schon was.

Das „Biber“ zeichnet sich durch einen entspannten, positiven Blick auf die Migrantenszene aus, ohne die Larmoyanz von links oder die Aggressivität von rechts. Trifft Ihre Sicht mehr die Realität?

Akbaba: Na ja, so entspannt ist es bei uns nicht immer. Wir hatten zuletzt einige Türken-Geschichten, die für beträchtliche Aufregung gesorgt haben. Vor allem unter den Türken selbst. Und es gibt eben auch innerhalb der Community mitunter unterschiedliche Meinungen, was die anderen Volksgruppen betrifft.

Ausländerfeindlichkeit unter Ausländern sozusagen.

Akbaba: Ja, die gibt es wirklich. Da kommt es schon vor, dass man sich gegenseitig an den Kragen geht. Aber wir im „Biber“ wollen auf jeden Fall weg von der Opferrolle. Migranten sind weder Opfer noch Täter.

Sie haben einen sehr selbstironischen Zugang, spielen mit sprachlichen Klischees, Sie machen sich auch über Migranten lustig.

Akbaba: Lustig machen wir uns nicht. Aber uns ist Ironie sehr wichtig. Das sollte jeder gegenüber sich selbst haben, egal, ob Migrant oder Nichtmigrant.

Sie sind als kurdische Alevitin quasi eine doppelte Minderheit. Wie ergeht es Ihnen da in der türkischen Community in Wien?

Akbaba: In der Türkei ist das sicher wesentlich emotionaler als hier. Weil die Aleviten in der Türkei eine Minderheit sind. Die Kurden sowieso. Sie werden de facto nicht anerkannt. Obwohl man das nun angesichts eines gewünschten EU-Beitritts ein wenig verharmlosen will. Natürlich gibt es auch hier in Wien Streitigkeiten zwischen Aleviten und Sunniten. Aber es ist genauso wie bei den Serben und Kroaten.


Haben Sie sich jemals diskriminiert gefühlt in Österreich?

Akbaba: Ich habe mich jahrelang als Österreicherin gesehen und war nur in österreichischen Communitys unterwegs. Ich habe gesagt, ich bin Wienerin, Österreicherin. Meine Eltern kommen zwar aus der Türkei, aber ich bin in Österreich geboren, hier aufgewachsen, und ich lebe hier. Aber irgendwann wird man schon darauf angesprochen: Du bist ja keine richtige Österreicherin! Da habe ich mir gedacht, ich werde wohl immer diejenige bleiben, die einen türkischen, kurdischen, whatever Hintergrund hat.

Werden Migranten in Österreich benachteiligt?

Akbaba: Einerseits ja, andererseits nein. Es gibt sicher noch Diskriminierungen. Aber es ist mit der Zeit viel besser geworden.

Müssen sich Zuwanderer besser integrieren?

Akbaba: Es ist ein Geben und ein Nehmen. In anderen Ländern, etwa in Kanada, ist es so: Wenn ich mich integriere, helfen sie mir dabei. Hier wird gleich mit Sanktionen gedroht: Wenn du das nicht machst, dann passiert das! Ist das wirklich so super? Sanktionen stoßen immer auch auf Abwehr. Aber ohne die deutsche Sprache zu erlernen, geht natürlich nichts. Basiswissen muss da sein.

Tun sich Aleviten leichter, sich zu integrieren?

Akbaba: Aleviten sind ja liberal, aber dennoch glaube ich, dass es auf den Menschen und seine Einstellung ankommt.

Den Druck, ein Kopftuch zu tragen, wird es bei Ihnen aber wohl nicht gegeben haben.

Akbaba: Nein. Aleviten sind da, wie gesagt, eher liberaler, sie tragen kein Kopftuch.


Stimmt die weitverbreitete Annahme, dass junge türkische Migranten religiöser und konservativer sind als ihre Eltern?

Akbaba: Teilweise schon, ja. Viele sind aber auch vollkommen europäisiert. Ich selbst bin zwar religiös – nach dem Aleviten-Schema –, doch es ist nicht so, dass ich da jetzt voll hineinkippe. Aber es gibt unter den jungen Türken sicher viele Strengreligiöse, keine Frage.

Sollte es in Österreich ein Kopftuchverbot im öffentlichen Gebäuden geben?

Akbaba: Ich bin gegen solche Verbote. Da stößt man nur auf Abwehr. Aber das ist jetzt eine gemeine Frage. Ich bin Alevitin und trage kein Kopftuch. Es steht auch nicht genau im Koran, was man bedecken soll. Es ist also Ansichtssache. Ich meine daher: Leben und leben lassen.


Wie stehen Sie zu einem Minarettverbot, wie es jüngst in der Schweiz per Volksentscheid beschlossen wurde?

Akbaba: Bei uns Aleviten gibt es keine Moschee, sondern ein Cemevi. Wie eine Moschee genau aussehen soll, ist im Koran auch nicht geregelt. Also ich persönlich brauche kein Minarett. Der Sinn des Minaretts ist ja auch, dass der Muezzin von dort das Gebet ausruft. Das ist ja hier nicht der Fall. Es ist jedenfalls eine heikle Frage. Aber man sollte sich darauf einigen, dass Religionsfreiheit herrscht.

Sind Sie nun für oder gegen ein Minarettverbot?

Akbaba: Ich bin gegen ein Minarettverbot, weil es nicht verfassungskonform wäre. Anderseits verstehe ich aber auch nicht, warum man unbedingt ein Minarett für eine Moschee braucht. Ich muss es nicht haben.

Wie finden Sie Bundeskanzler Werner Faymann?

Akbaba: Das mit den Studiengebühren, finde ich, war nicht so gescheit. Sie wurden abgeschafft – und dann war's das. Was danach kommt, hat keiner irgendwie bedacht. Jetzt haben wir eben den Scherbenhaufen.

„Warum Angst vor Strache haben?“

Haben Sie Angst vor FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache?

Akbaba: Warum sollte ich Angst haben? Ich habe meine eigene Meinung. Und er hat seine Politik. Eine, die meiner Meinung nach nicht gut ist für Wien. Aber er hat sehr kluge Strategien: Als er mit der blauen Brojanica (ein serbisch-orthodoxes Gebetsband, Anm.) auf Wahlkampf war, habe ich mir gedacht: primitiv, aber nicht ungescheit.

Strache will nach den Serben nun ja auch moderatere moslemische Migranten wie eben die Aleviten ansprechen.

Akbaba: Ach so. Das wusste ich gar nicht. Mit Strache würde ich mich da durchaus gern einmal auseinandersetzen.


Was würden Sie ändern, wenn Sie Österreich regieren könnten?

Akbaba: Schade, dass wir kein Meer haben. Da hätte ich einiges machen können. Ich würde aber auf jeden Fall mehr für Jugendliche machen, mehr Veranstaltungen, mehr Partys, aber auch mehr in Richtung Bildung.

Und wenn wir ein Meer hätten...

Akbaba (lacht): Strandpartys ohne Ende! Dann hätten wir auch mehr Sonne, und allen würde es besser gehen. Wenn ich Wien mit Istanbul vergleiche, muss ich sagen: Istanbul lebt.

Sind die Türken in Istanbul moderner als die Türken in Wien?

Akbaba: Viel moderner. Ich wurde in Istanbul schon öfter angesprochen: So ziehst du dich an? So geht ihr in Wien fort? In Istanbul sind die Jungen viel legerer, lasziver. Die Modernen dort sind schon fast zu modern.

Bisher erschienen: Eva Dichand (7.12.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.12.2009)

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