Moslems zu Weihnachten: Die, die trotzdem feiern

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Auch Muslime feiern das Weihnachtsfest - obwohl es für ihren Glauben keine Bedeutung hat, oft auch um der Kinder willen. Doch die Festlichkeit leidet darunter nicht. Um den Weihnachtsbaum geht's dann multikulturell zu.

WIEN. „Perser lieben Weihnachten. Nicht weil sie an den Messias glauben, sondern weil sie einkaufen gehen können“, so der Kabarettist Michael Niavarani in seinem Kabarettprogramm „Eine persische Nacht“.

Da ist schon was dran, sagt auch die gebürtige Iranerin Maryam Sanjari. Sie und ihre Familie lieben tatsächlich Weihnachten. Doch nicht aus dem besagten Grund. Es geht vielmehr darum, eine Sehnsucht zu stillen. Vom iranischen Neujahrsfest (zu Frühlingsbeginn) bekomme man nichts mit, aber in der Weihnachtszeit sei man – sobald man vor der Haustür ist – mit Weihnachten konfrontiert. Sanjari: „Überall sind die Plätze weihnachtlich geschmückt. Ich möchte das auch bei mir zu Hause haben.“ Schließlich sei der Weihnachtsschmuck ein Wunsch der Kinder und sogar ihres Mannes. „Sogar“, weil auch er aus dem Iran stammt. Sie beginnt vor dem ersten Advent, das Haus optisch auf Weihnachten einzustimmen – und bastelt auch einen Adventkranz. Wie, das weiß sie, seit sie der Kindergärtnerin ihres Sohnes über die Schulter geschaut hat. Eine religiöse Bedeutung habe das Fest für sie nicht. Damit findet sie sich allerdings auch mit vielen Christen in ihrer Bekanntschaft eins, für die Weihnachten ebenfalls nicht mehr als eine Tradition sei.

Auch bei Karim und Binnur ist das nicht anders – obwohl Karim sowohl römisch-katholisch als auch muslimisch erzogen worden ist. So habe ihn sein ägyptischer Vater in die Moschee mitgenommen und seine österreichische Mutter in die Kirche. Heute lebt er ohne Bekenntnis, und Weihnachten ist für ihn eine Tradition aus Kinderjahren. Auch für seine Frau, die in der Türkei geboren ist, handelt es sich um eine Gelegenheit, zu der sich die Familie trifft.

„Kriegszone“

Heiligabend feiern sie für gewöhnlich bei Karims Schwester und seiner achtjährigen Nichte in Graz, heuer kommen die beiden nach Wien, zu Karim und Binnur. Deshalb steht jetzt auch ein extra großer Baum im Wohnzimmer. Die Wohnung liegt in der Nähe der Mariahilfer Straße, die Karim in der Adventzeit schlichtweg „Kriegszone“ nennt.

Für Familie Abadi ist der 24.Dezember hingegen ein Tag wie jeder andere auch. Das war nicht immer so. Acht Jahre lang haben sie Weihnachten mit den „äußerlichen Symbolen“ gefeiert. Der aus Palästina stammende Augenarzt Ahmad Abadi und seine iranischstämmige Frau Zohreh begründen dies vor allem damit, dass die Kinder in der Schule nicht das Gefühl bekommen könnten, sich ausgeschlossen zu fühlen. Vor drei Jahren war dann Schluss. Damals wollte der 13-jährige Sohn plötzlich keinen Weihnachtsbaum mehr – wohl aber die Geschenke.

Nach wie vor geschmückt wird die Ordination des Augenarztes – für die Patienten jedenfalls macht es keinerlei Unterschied, dass er kein Christ, sondern Moslem ist: Sie bringen ihm Geschenke und wünschen ein „frohes Fest“. Wenig Unterschied machen auch die Kinder selbst, die an vielen vorweihnachtlichen Aktivitäten teilnehmen, obwohl sie ohne Bekenntnis aufwachsen. „Wir haben keine Angst vor anderen Religionen. Sobald sie volljährig sind, sollen sie selbst entscheiden, welcher Religion sie angehören möchten.“

Während Familie Abadi aufgehört hat, Weihnachten zu feiern, kann die türkisch-kurdisch-stämmige Familie Fidan gar nicht genug bekommen. Sie haben vor sechs Jahren begonnen, das Fest zu feiern und möchten es auch in Zukunft so halten. Durchgesetzt hat Weihnachten die 18-jährige Begüm. Sie ist mit dem Fest erstmals im Kindesalter in der Schule in Kontakt gekommen; jetzt will sie nicht mehr auf diesen Fixpunkt im Kalender verzichten.

Juckreiz durch den Baum

Das hat auch sehr bald die österreichische Nachbarin entdeckt und deshalb vorgeschlagen, gemeinsam zu feiern. Daran hat sich auch nichts geändert, obgleich das erste Fest nicht in allerbester Erinnerung ist: Bei Begüms Mutter hatte sich eine Tannenallergie gezeigt und sie mit Juckreiz am ganzen Körper geplagt. Seither wird nur noch ein künstlicher Plastikbaum aufgestellt.

Um den Weihnachtsbaum geht's dann multikulturell zu: Entweder spielt Begüms Vater auf der Gitarre, während ihre Mutter alte türkische Lieder singt; oder die jüngere Schwester singt und spielt auf ihrer Gitarre Weihnachtslieder, die sie in der Schule gelernt hat.

„Hektik gehört dazu“

Begüm: „Wir wachsen mit zwei Kulturen auf, das ermöglicht uns, in mehrere Richtungen zu schauen.“ Ihre Eltern sind Aleviten. Begüm ist ihnen dankbar, dass sie ihr den Wunsch, Weihnachten zu feiern, nicht abgeschlagen haben. Es gebe ja schließlich auch Familien, die lieber nur die Feste ihrer Herkunftskultur feiern.

Für die Handelsschülerin unverständlich. Denn sie liebt alles an Weihnachten, selbst die Hektik. Fidan: „Das gehört eben dazu.“

Auf einen Blick

■Während zu Weihnachten Christen die Geburt Christi feiern, ist der 24.Dezember in islamischen Ländern ein Tag wie jeder andere. Jesus ist für Muslime ein Prophet, nicht der Sohn Gottes. Doch immer mehr Muslime in der Diaspora feiern Weihnachten – nicht zuletzt, um ihren Kindern eine Freude zu bereiten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2009)

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