Missbrauch: Papst empfängt deutschen Erzbischof

Erzbischof Zollitsch
Erzbischof Zollitsch(c) AP (Winfried Rothermel)
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Immer neue Missbrauchsfälle werden bekannt: Papst Benedikt XVI. hat daher Erzbischof Zollitsch zu einer Audienz in den Vatikan geladen. Am Freitag soll ein Bericht Licht in die Fälle im Kloster Ettal bringen.

Die Zahl der Missbrauchsvorwürfe gegen Geistliche der katholischen Kirche steigt mit jedem Tag. Nun hat Papst Benedikt XVI. den Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Erzbischof Robert Zollitsch, zu einer Audienz am Freitag, 12. März, geladen. Dabei wird es um sowohl um die Ergebnisse der Frühjahrsvollversammlung der Bischöfe als auch um den Missbrauchsskandal gehen, der die Kirche in Deutschland seit einigen Wochen erschüttert.

Die Kirche bemüht sich zwar um Aufklärung, gleichzeitig werden immer mehr Fälle bekannt. So soll es bei den Regensburger Domspatzen zu Übergriffen gekommen sein. Auch der Direktor eines Studienseminars der Kapuziner im oberbayerischen Burghausen soll sich an Jugendlichen vergangen haben. Das teilte die Provinz der Bayerischen Kapuziner am Donnerstag in München mit. Das Erzbistum München-Freising hat es weiter mit Missbrauchsfällen im oberbayerischen Kloster Ettal zu tun. Die hessischen Bistümer Limburg und Fulda beschäftigen sich mit der Aufklärung von insgesamt sieben Verdachtsfällen.

Missbrauch bei Knabenchor "Domspatzen"

In einem am Donnerstagabend auf der Internetseite des Knabenchors veröffentlichten Schreiben wird der mittlerweile gestorbene ehemalige Internatsleiter mit Missbrauch in den 50er Jahren in Verbindung gebracht. "Der damalige Internatsleiter wurde nach unserem Kenntnisstand rechtskräftig verurteilt", heißt es in dem Text, der vom heutigen Domkapellmeister Roland Büchner und zwei weiteren Verantwortlichen unterzeichnet ist.

Die Regensburger Domspatzen, die weltweit auftreten, haben in Regensburg ein eigenes Musikgymnasium und Internat. Bis 1963 war Theobald Schrems Domkapellmeister, von 1964 bis 1994 leitete der Bruder von Papst Benedikt XVI., Georg Ratzinger, die Domspatzen.

Ettal-Abschlussbericht am Freitag

Mit Spannung wird der vorläufige Abschlussbericht zu den sexuellen Übergriffen in Ettal erwartet. Der von der Abtei eingesetzte Sonderermittler und Münchner Strafverteidiger Thomas Pfister will das Ergebnis zu den internen Ermittlungen am morgigen Freitag der Öffentlichkeit vorstellen. Unabhängig davon laufen die Ermittlungen bei der Staatsanwaltschaft München II. Das Kloster, zu dem ein Internat und ein Gymnasium gehören, hatte mindestens zwei Fälle von sexuellem Missbrauch an Schülern eingeräumt.

Das Erzbistum München-Freising erklärte am Donnerstag, es sehe trotz des Missbrauchsskandals eine gute Zukunft für Schule und Internat der Benediktinerabtei. "Ich begrüße es ausdrücklich, wie die Klostergemeinschaft und Schulleitung in Ettal eine rückhaltlose Aufklärung aller Verdachtsmomente und Vorgänge vorantreibt", teilte Generalvikar Peter Beer am Donnerstag in München mit. Der Generalvikar ist der Vertreter von Erzbischof Reinhard Marx.

Der zurückgetretene Abt des Klosters Ettal, Barnabas Bögle, und sein aus dem Amt geschiedener Schulleiter Maurus Kraß hatten den Papst Benedikt XVI. um eine Apostolische Visitation gebeten. Dabei handelt es sich um eine Untersuchung von Vorwürfen in einer katholischen Einrichtung durch einen päpstlichen Beauftragten - eine eher seltene Maßnahme. Eine Entscheidung über das Gesuch aus Ettal stand in Rom zunächst aus.

"Schwerwiegende Übergriffe" in Burghausen

Bei den Fällen im Studienseminar der Kapuziner in Burghausen, das zum Bistum Passau gehört, handle es sich um "schwerwiegende Übergriffe" aus dem Schuljahr 1984/85, sagte der Leiter des Ordens in Bayern, Pater Josef Mittermaier. Die Fälle wurden 1991 zwar juristisch verfolgt, waren damals aber bereits verjährt. Die Bistumsleitungen seien informiert gewesen. Auch der Vatikan war eingeschaltet. Nach mehreren Versetzungen wurde der Pater 2009 von allen priesterlichen Aufgaben entbunden.

Die Kapuziner gaben das Studienseminar in den 1990er Jahren auf. Jetzt entschuldigte sich die Ordensleitung bei den Opfern und bot psychologische Betreuung an. "Wir bitten diese Menschen von ganzem Herzen und in Aufrichtigkeit um Verzeihung für all das, was ihnen Böses angetan wurde", sagte Pater Mittermaier.

Untersuchungen in Limburg und Fulda

Im Bistum Limburg bekräftigte Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst noch einmal, "rückhaltlos alles für die Aufklärung" tun zu wollen. Transparenz sei oberstes Gebot. Fünf Priester, von denen drei bereits gestorben sind, sollen sich an Buben und Mädchen vergangen haben. Die Fälle reichen bis in die 1940er Jahre zurück. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Limburg wurden gegen die zwei lebenden Verdächtigen Ermittlungsverfahren eingeleitet. Tebartz-van Elst nannte die Taten abscheulich, bat die Opfer um Entschuldigung und versprach Hilfe. Er betonte jedoch, Kindesmissbrauch "ist nicht nur ein Problem der Kirche, es ist ein Problem der Gesellschaft".

Im Bistum Fulda gebe es zwei Verdachtsfälle, die schon länger zurückliegen, bestätigte die Bischöfliche Pressestelle am Donnerstag auf Anfrage. Die Staatsanwaltschaft sei eingeschaltet. Allerdings wusste die Staatsanwaltschaft Fulda nichts von Ermittlungen. Der Fuldaer Bischof Heinz Josef Algermissen äußerte sich nicht zu den Vorwürfen. "Ich bin im Urlaub und kann nicht weiterhelfen", sagte er der "Fuldaer Zeitung" (Donnerstag). Das Bistum drückte seine Anteilnahme aus: "Das Bistum ist schockiert und bedauert jeden einzelnen Verdachtsfall."

Dutzende Fälle auch in den Niederlanden

Unterdessen wurden auch Dutzende Fälle von sexuellem Missbrauch in katholischen Einrichtungen in den Niederlanden bekannt. Auslöser sei ein Zeitungsbericht über sexuelle Gewalt in einem niederländischen Internat des Salesianer-Ordens vergangene Woche gewesen, sagte Pieter Kohnen von der niederländischen Bischofskonferenz am Donnerstag. Seit Freitag seien rund 70 Fälle bekanntgeworden, die Jahrzehnte zurückliegen. Die meisten der berichteten Fälle stammten aus den 50er und 60er Jahren. Ab den 70er Jahren wurden die katholischen Internate in den Niederlanden geschlossen, das letzte 1981. Die niederländische Bischofskonferenz will bei ihrer regulären Sitzung am 9. März darüber befinden, ob eine Untersuchung größeren Ausmaßes begonnen werden soll. Rund ein Viertel der Niederländer ist katholisch.

(Ag./Red.)

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