"Ehrenpflicht": Kirche macht Klasnic zur Opferanwältin

Ehrenpflicht Kirche macht Klasnic
Ehrenpflicht Kirche macht Klasnic(c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
  • Drucken

Die steirische Politikerin soll noch im April zur Anlaufstelle für Missbrauchs-Opfer werden. Am Donnerstag bekommt sie ihren genauen Auftrag. Indes arbeiten die Bischöfe an den Leitlinien der Kirche.

WIEN (mip/ag). Die Bemühungen der katholischen Kirche in Österreich um einen angemessenen Umgang mit Missbrauchsopfern haben nun ein Gesicht: Waltraud Klasnic wird „Opferschutzbeauftragte“ der Kirche. Dies hat der Wiener Kardinal Christoph Schönborn gestern in der ORF-„Pressestunde“ bekannt gegeben. Noch sind allerdings der genaue Umfang und Auftrag der ehemaligen steirischen Landeshauptfrau nicht fest umrissen. Sie hat zwar eine prinzipielle Zusage gegeben, wird aber wegen eines Auslandsaufenthaltes erst am Donnerstag den Kardinal treffen, um mit ihm die Details zu besprechen. Wie Schönborn der „Presse“ sagte, sei es ihm ein besonderes Anliegen, dass mit Klasnic den Opfern jemand als Ansprechpartner zur Verfügung stehe, der kein kirchlicher Amtsträger oder von der Kirche bezahlt sei.

Bei den Aufgaben Klasnics werde es auch um die Klärung von finanziellen Ansprüchen gehen. Schönborn zur „Presse“: „Das finanzielle Thema ist nicht einfach zu handhaben. Daher ist es auch sinnvoll, dass mit Waltraud Klasnic eine wirkliche Autorität abseits aller kirchlichen Stellen die Anlaufstelle für die Opfer ist.“

Daneben werden aber die von den Diözesen eingerichteten Ombudsstellen weiter bestehen bleiben. Hier ist in Diskussion, dass sie sämtlich dem Wiener Vorbild angeglichen werden: In der Wiener Ombudsstelle sind keine Priester tätig, sondern ausschließlich Psychologen und Anwälte. Leitlinien dazu erarbeitet derzeit eine Projektgruppe unter Leitung des Wiener Generalvikars, Bischofsstellvertreter Franz Schuster. Ihre Ergebnisse sollen im Juni der österreichischen Bischofskonferenz vorgelegt werden.

Klasnic erklärte in einer ersten Stellungnahme, sie wolle die Tätigkeit „rasch und wirksam“ aufnehmen, wenn möglich noch im April. Schönborn – der hier auch im Namen der anderen österreichischen Bischöfe spricht – habe ihr völlige Unabhängigkeit zugesagt. Für sie sei es eine „Ehrenpflicht“.

Verzicht auf Verjährung

Zeichen zu setzen beim Umgang mit den Opfern ist für die Kirchenleitung auch deshalb wichtig, weil die bloße Beachtung der gesetzlichen Vorschriften den Erwartungen der Öffentlichkeit nicht entspricht. So verjährt etwa der Schadenersatzanspruch eines Opfers 30 Jahre nach der Tat. Ist der Täter verstorben oder mittellos, dann kann bei grober Fahrlässigkeit auch die jeweilige verantwortliche Institution – etwa das Kloster oder die Schule – herangezogen werden. Aber dieser Anspruch verjährt bereits drei Jahre nach Kenntnis von Schaden und Schädiger.

Laut Schönborn ist es aber schon jetzt so, dass man „in Fällen, in denen wir moralische Schuld und Last auf uns geladen haben“, auf den Verjährungseinspruch verzichte: Man dränge die Täter dazu, Entschädigung zu leisten. Seien diese verstorben oder – wie die meisten Mönche und viele Priester – nahezu mittellos, „wird man sehen, dass die kirchlichen Stellen hier einspringen“. Dies würde in allen österreichischen Diözesen so gehandhabt. Was die Klöster betreffe, hätten die Bischöfe zwar keine Befehlsgewalt, doch man arbeite, so der Kardinal, mit den Ordensleitungen an deren Einbindung. „Das ist rechtlich aber noch nicht ausformuliert.“

Auch die Frage einer Anzeigepflicht bei Missbrauchsverdacht wird von der Projektgruppe behandelt. Derzeit gibt es keine Pflicht, Anzeige zu erstatten, und im Justizministerium wird auch nicht erwogen, über Ärzte und Lehrer hinaus weiteren Berufsgruppen eine Anzeigepflicht aufzuerlegen. Schönborn ist jedenfalls für eine „freiwillige“ Anzeigepflicht der Kirche „mit der klaren Klausel im Einzelfall: Die Voraussetzung ist, dass die Opfer es nicht anders wollen“.

Der Kardinal erhofft sich von Waltraud Klasnic und dem von ihr zu bildenden Team, dass es in den Einzelfällen Vorschläge für Entschädigungsleistungen macht. Allerdings wird mit dieser neuen Einrichtung das bereits vorhandene Feld der Opferanlaufstellen noch unübersichtlicher. Neben den kirchlichen Ombusstellen gibt es auch Hotlines einzelner Klöster und Schulen sowie Anwälteteams, die sich auf die Opfervertretung spezialisieren. Daneben existieren aber auch staatliche Opferschutzstellen.

Die Wiener Opferanwältin Eva Plaz hat kürzlich sogar im Gespräch mit der APA von der Gefahr gesprochen, „dass die Opfer kirchlicher Gewalt in die Hände von privaten Keilern und Geschäftemachern fallen“. Plaz fordert eine höhere Dotierung der öffentlichen Opferhilfeeinrichtungen und eine Abtretung der publik gewordenen Missbrauchsfälle von kirchlichen an die öffentlichen Stellen.

Neues zum Fall Groër

Bei der ORF-„Pressestunde“ richtete sich Schönborn auch gegen die Vorwürfe, der Papst vertusche Missbrauch. Als Kardinal habe sich der Papst 1995 energisch für eine vatikanische Untersuchungskommission zum Fall Groër eingesetzt, sagte Schönborn. Diese Kommission sei aber von der „diplomatischen Partei“ im Vatikan verhindert worden, die alles auf die Medien schieben wollte. Schönborn: „Ratzinger hat mir damals traurig gesagt: Die andere Partei hat sich durchgesetzt.“

„Großreinemachen“

Beim Palmsonntagsgottesdienst, bei dem er erstmals die Prozession nicht zu Fuß, sondern im Papamobil geleitet hat, hat Benedikt XVI. die Missbrauchsfälle nicht direkt angesprochen. In einer Fürbitte wurde lediglich für „die Jungen und die, die sie erziehen und beschützen“ gebetet. Zeitgleich hat Kurienkardinal Walter Kasper in einem Interview mit dem „Corriere della Sera“ davon gesprochen, dass die Kirche das Vertrauen durch ein „Großreinemachen“ wiedergewinnen muss. Sie brauche nun „eine Kultur der Aufmerksamkeit und des Mutes“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.03.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.