"Größter Abgrund: deregulierter Sex"

(c) Georgia Meinhart
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Generalvikar des Schweizer Bistums Basel kritisiert kommerzialisierte Sexualität.

Bern/München (ag). In der Schweiz, in der sich nun die katholische Kirche ebenfalls mit Missbrauchsvorwürfen konfrontiert sieht, sorgt ein Interview des Generalvikars des Bistums Basel für Aufregung: Roland-Bernhard Trauffer kritisierte die „deregulierte Sexualität“ in der Gesellschaft.

Der Mensch sei als Sexualobjekt massentauglich geworden, sagte er in der „Berner Zeitung“. Dieser „größte Abgrund“ würde bei der derzeitigen Diskussion einfach ausgeblendet. Man müsse auch über die kommerzialisierte Sexualität sowie die ständige Verfügbarkeit eines „mit Viagra hochgepuschten Sex“ reden. Die Sexualität sei aber ein „Geschenk Gottes“ und dürfe wie alles Menschliche nicht „ohne Kultivierung und Verantwortung im wilden Raum wuchern“ – sonst werde sie zerstört.

In der Schweiz sind mindestens 90 Meldungen über sexuelle Gewalt an Minderjährigen in den Bistümern in den vergangenen Jahrzehnten untersucht wurden. Die Schweizer Bischöfe geben zu, dass sie das Ausmaß der Situation rund um die sexuellen Übergriffe in der Seelsorge unterschätzt hätten, und gestehen Fehler im Umgang mit Missbrauchsvorwürfen ein.

In der Schweizer Bischofskonferenz wird derzeit eine Anzeigepflicht gegen Priester, die sexuelle Übergriffe begangen haben, diskutiert. Bisher zeigten die geistlichen Oberen Priester nur in schweren Fällen und bei Wiederholungsgefahr selbst an. Die Frage, wie mit Anzeigen an die weltlichen Behörden umzugehen sei, werde vertieft angegangen.

Schlug Bischof Mixa Kinder?

Auch in Deutschland geht die Debatte um die Verfehlungen in der katholischen Kirche weiter: Am Mittwoch wurden Vorwürfe gegen den Augsburger Bischof Walter Mixa erhoben. Er soll laut „Süddeutscher Zeitung“ in den 70er- und 80er-Jahren als Stadtpfarrer von Schrobenhausen Kinder eines Jugendhilfezentrums geschlagen haben. Fünf frühere Heimkinder gaben an, dass Mixa Ohrfeigen und Fausthiebe ausgeteilt habe und mit Teppichklopfern und Kochlöffeln Kinder geschlagen habe.

Mixa wies die Anschuldigungen als „absurd, unwahr und erfunden“ zurück. Das Bistum spricht davon, dass der Bischof offenbar persönlich diffamiert werden soll und überlegt, rechtliche Schritte gegen entsprechende Behauptungen einzuleiten.

Die Kirche in Deutschland hat ihre Bischöfe dazu aufgerufen, am Karfreitag für die Opfer sexuellen Missbrauchs zu beten. In der Karfreitagsliturgie gibt es traditionell die zehn großen Fürbitten. In diesem Jahr soll eine Bitte für Kinder und Jugendliche eingefügt werden, denen „in der Gemeinschaft der Kirche großes Unrecht angetan wurde, die missbraucht und an Leib und Seele verletzt wurden“, erklärte der Missbrauchsbeauftragte der Bischofskonferenz, Stephan Ackermann.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.04.2010)

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