Kardinal Schönborn: „Wir haben vertuscht“

Schönborn: „Wir haben vertuscht“
Schönborn: „Wir haben vertuscht“Kardinal Christoph Schönborn (c) APA (Roland Schlager)
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Kardinal Christoph Schönborn hat sich in einem „Bußgottesdienst“ im Wiener Stephansdom den Vorwürfen von Opfern kirchlichen Missbrauchs gestellt.

Wien. Das Innere des Stephansdoms ist abgedunkelt, an die 3000 Menschen drängen sich auf den Bänken. Hell erleuchtet ist nur der Altarraum: Dort, unter einem Kruzifix, auf dem sich Christus schmerzverzerrt windet, sitzt Christoph Schönborn. Der Kardinal, Österreichs höchster katholischer Würdenträger, hält seinen Kopf gesenkt, die Augen geschlossen – allein seine Körperhaltung signalisiert bereits Demut, Reue, Schuldeingeständnis.

Ganz in Schwarz gekleidet ist Schönborn in den Dom gekommen, in dem eigentlich er Hausherr ist. Nur seine scharlachrote Kardinalsmütze leuchtet im Scheinwerferlicht. Doch das Sprechen überlässt Schönborn lange anderen: Die Kanzel gehört bei diesem besonderen Gottesdienst nicht dem Kardinal, nicht Dompfarrer Anton Faber, der neben dem Kardinal sitzt. Sprechen dürfen diesmal – die Laien.

Sie durften der Kirche in dem Bußgottesdienst gestern alles an den Kopf werfen, das sich in den vergangenen Wochen, Jahren und Jahrzehnten aufgestaut hat: Den Zorn einer Mutter, die ihr Kind einem Pfarrer anvertraut hat, der es dann sexuell missbrauchte. Die Wut einer Frau, die als Kind in einem Nonnenkloster drakonischen Erziehungsmethoden ausgesetzt war. Die Trauer von Eltern, deren behinderter Sohn von einem Mönch missbraucht wurde – und daran zerbrach. Geschichten von Opfern kirchlichen Missbrauchs, nach denen immer wieder donnernder Trommelwirbel die Ruhe im Dom zerreißt.

Endlich will die Kirche zuhören

Demut, Reue, Schuldeingeständnis des Christoph Schönborn
Demut, Reue, Schuldeingeständnis des Christoph SchönbornKardinal Christoph Schönborn (c) APA (Roland Schlager)
Bußgottesdienst im Wiener Stephansdom
Bußgottesdienst im Wiener StephansdomKreuz im Wiener Stephansdom (c) APA (Roland Schlager)

Und nicht zuletzt: Die Zweifel, die Ver-Zweiflung all jener Gläubigen, die angesichts solcher Fälle von der Kirche schwer enttäuscht worden sind, die viel zu oft nur daran interessiert war, „den Anschein der Makellosigkeit zu wahren“, wie Schönborn später zugeben wird.

Aber zunächst sitzt der Kardinal und signalisiert gegenüber all den Vorwürfen nur ab und zu mit einem Nicken seine Aufmerksamkeit. Die Symbolik ist klar: Die Kirche hat die Anliegen der Opfer lange, zu lange ignoriert – jetzt endlich nimmt sie sich zurück, jetzt hört sie endlich zu, schaut hin auf die Missbrauchsfälle in ihrer Mitte.

Den Buß- und Klagegottesdienst gestern Abend hat die kritische Laienaktion „Wir sind Kirche“ mitgestaltet, die seit dem Jahr 1995 eine Änderung der katholischen Strukturen fordert. Ihr ist es zu verdanken, das Schönborn sein Schuldeingeständnis nicht allein vorbringen muss, als er schließlich das Wort ergreift: Gemeinsam mit der Theologin Veronika Prüller-Jagenteufel gibt der Kardinal die Verantwortung der Kirche zu: „Es ist Schuld Einzelner, aber auch Schuld in Strukturen.“ Die Kirche habe „die Leiblichkeit“ nicht geschätzt, sei daran gescheitert, „die Sexualität gut zu leben“, sagte Schönborn.

Und als die Kirche vom Missbrauch erfahren habe, „haben wir vertuscht und falsches Zeugnis gegeben.“ Dass jetzt vieles aufbreche und man hinschaue, sei schmerzlich für die Kirche, sagt Schönborn dann in seiner Predigt – „aber was ist das schon im Vergleich mit dem Schmerz der Opfer.“ Opfer, denen Täter aus den Reihen der Kirche „den Weg zu Gott verstellen“. Er sei dankbar, dass die Opfer ihr Schweigen jetzt brechen, sagt der Kardinal. „Es wird jetzt weniger weggeschaut – aber es bleibt viel zu tun.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.04.2010)

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