Missbrauch: Eine Hotline als Beginn tätiger Reue

Eine Hotline Beginn taetiger
Eine Hotline Beginn taetiger(c) REUTERS (HEINZ-PETER BADER)
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Die neue Opferanwaltschaft mit ihrer Leiterin Waltraud Klasnic hat ein Opfertelefon eingerichtet. Die Kommission wird von der katholischen Kirche finanziert, soll aber unabhängig von ihr ermitteln.

WIEN.Eine Telefonnummer (0664/ 980 78 17) und eine E-Mail-Adresse (opferschutz@gmx.at) – nach dem Schuldbekenntnis im Wiener Stephansdom vom Mittwochabend sind das die ersten konkreten Zeichen tätiger Reue, die Österreichs katholische Kirche rund um die Missbrauchsfälle setzt. Ab sofort kann auf diesem Weg die „unabhängige Opferanwaltschaft“ erreicht werden, die zur Aufarbeitung von Missbrauch durch Kirchenvertreter eingesetzt wurde.

Viel mehr als die Kontaktdaten hat die gerade ins Leben gerufene Kommission allerdings noch nicht zu bieten – abgesehen von der Leiterin, natürlich. Man sei erst dabei, ein Team aufzustellen, sagt die von Kardinal Christoph Schönborn eingesetzte ehemalige steirische Landeshauptfrau Waltraud Klasnic bei einer Pressekonferenz im Erzbischöflichen Palais. Es gebe jedenfalls schon viele Menschen, die mitarbeiten wollen – Richter, Psychologen, Militärfachleute bis zu Juristen. Namen könne man allerdings noch keine nennen. Und, so viel weiß man schon, man werde unabhängig von der Kirche arbeiten, wie Klasnic mehrmals betont.

Zweifel an Unabhängigkeit

Gerade an der Unabhängigkeit der 64-jährigen Expolitikerin wurde zuletzt mehrfach gezweifelt. Sie sei eine „Täterbeauftragte, keine Opferbeauftragte“, warfen ihr von Missbrauch Betroffene vor. Sie stehe der Kirche zu nahe, werde von ihr gelenkt und bezahlt, so ein weiterer Vorwurf. Zumindest den letzten Vorwurf kann sie gleich entkräften – sie wird ihrer Arbeit als Opferanwältin ehrenamtlich nachgehen.

Und doch soll Geld vonseiten der katholischen Kirche fließen. Für die notwendige „finanzielle Ausrüstung“, wie es Kardinal Schönborn nennt, aber auch für konkrete Zahlungen an Missbrauchsopfer. Wie hoch die sein können und nach welchen Kriterien sie ausgezahlt werden, ist aber noch nicht klar. Klasnic soll dazu noch konkrete Vorschläge liefern. Sehr wohl klar ist aber, dass dafür kein Geld aus Kirchenbeiträgen fließen soll – sondern aus Erträgen kircheneigener Grundstücke oder Betriebe.

Gerade bei den Kirchenbeiträgen muss die katholische Kirche mit Einbrüchen rechnen. Von fast einer Million Austrittswilligen sprach man im Integral-Institut nach einer Umfrage unter Österreichs Katholiken. Und aus einzelnen Diözesen werden tatsächlich Rekordwerte gemeldet – allein in Vorarlberg gab es in den ersten drei Monaten des Jahres 2010 mehr Austritte als im gesamten Jahr 2008. In Kärnten rechnet man mit einer Steigerung zum Vorjahr um rund die Hälfte.

„Wahrheit macht frei“

Es geht bei der Aufarbeitung vor allem darum, das Vertrauen in die Institution Kirche wiederherzustellen. Und das soll vor allem über Lehren aus der Vergangenheit erfolgen – „Wahrheit macht frei“, sagt Schönborn dazu. „Und wir werden noch manches dazulernen, wie man bessere Prävention machen kann.“

Lernen will man auf jeden Fall gemeinsam. Denn als eine der ersten Aufgaben der Opferanwaltschaft sieht Klasnic die Vernetzung mit anderen Institutionen – mit dem angekündigten staatlichen runden Tisch und den diözesanen Ombudsstellen. Auch mit Opfervereinigungen will man ins Gespräch kommen – allerdings, so Klasnic, habe sich von dieser Seite noch niemand bei ihr gemeldet.

Nach Selbstkritik und Schuldeingeständnissen (siehe Zitate rechts) bemüht man sich jedenfalls, das Problem nun tatsächlich anzugehen. „Transparenz“ ist ein Schlagwort, das Schönborn dabei immer wieder verwendet. Zu weit soll diese aber nicht gehen: Manche Dinge, meint Klasnic, müssten ausgesprochen werden – aber nicht weitergetragen. Dafür sei eine gewisse Verschwiegenheit nötig – „und für diese Verschwiegenheit möchte ich stehen“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.04.2010)

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