Missbrauch: Klage gegen Kirche "theoretisch" möglich

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Symbolbild(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Die Plattform "Betroffene kirchlicher Gewalt" fordert eine unabhängige staatliche Kommission nach irischem Vorbild. Klasnic bestätigt die Einrichtung von Opferfonds durch die Kirche.

Schläge, Demütigungen und Erniedrigungen - "Wir bekommen täglich einen lebendigen Einblick in Erziehungsmethoden römisch-katholischer Institutionen des Österreichs der 60er- und 70er-Jahre", erklärte der Psychologe Holger Eich. Seit Einrichtung der Hotline (0699/10369369) vergangenen Dienstag verzeichnete die Selbsthilfe-Plattform "Betroffene kirchlicher Gewalt" 150 Anrufer. Rund ein Drittel der Anrufer berichteten von sexuellen Übergriffen, jeder Fünfte von seelischer Gewalt. Manche Fälle reichen auch bis in die Jetzt-Zeit.

"Den meisten geht es nicht darum, aus dem, was ihnen widerfahren ist, Geld zu machen", betonte Eich. Viele würden lediglich darüber sprechen und ihre Erfahrung deponieren wollen. Etlichen gehe es auch darum, zu erfahren, ob andere Opfer vom selben Pfarrer oder der selben Ordensfrau als Täter berichtet haben. Ein Hauptziel der Plattform sei es herauszufinden, ob es "Serientäter" über einen längeren Zeitraum hinweg gibt, so Eich.

Geprüft wird derzeit, ob und in welcher Form die katholische Kirche auch rechtlich belangt werden kann. Der Wiener Anwalt Werner Schostal hält eine Klage "theoretisch" für möglich. Infrage käme eine Klagshäufung oder die Klage mittels eines Vereins. Nur über ein derartiges Konstrukt sei eine Sammelklage möglich. Die Opfer treten ihre Ansprüche an den Verein ab, der dann klagslegitimiert ist.

Null Vertrauen zur Kirche

Die von der früheren Landeshauptfrau Waltraud Klasnic geleitete Kirchenkommission lehnt die Plattform ab, denn diese sei "kirchennah". Der Betroffene Klaus Fluch betonte, dass er sich "nicht mit der kleinsten Frage" an diese Stelle wenden würde: "Zu kirchlichen Institutionen habe ich null Vertrauen." Die Platform fordert eine unabhängige staatliche Kommission nach irischem Vorbild und einen kirchenunabhängigen Fonds.

Opferfonds der Kirche bestätigt

Klasnic hat im APA-Interview eine Zusage zur Einrichtung eines Opferfonds durch die Kirche bestätigt. Aufgabe ihrer Kommission werde es sein, bindende Empfehlungen abzugeben, wem Geld für Therapien oder Entschädigungen zukommen werde. Klasnic plant in ihrer neuen Funktion eine "Österreich-Rundfahrt ", um sich ein Bild von der Situation zu machen. Die Kirche informiert mit einer eigenen Website über die Hilfsangebote für Missbrauchsopfer.

Wie hoch der Opferfonds dotiert sein werde, konnte Klasnic noch nicht sagen. In erster Linie werde die Kommission versuchen, herauszufinden, ob der Täter noch belangt werden kann. "Und ansonsten wird die Kirche einspringen", so Klasnic. Wann der Opferfonds aufgebaut wird, ist noch unklar. "Das ist nicht meine Sache." Klasnic will eine Gruppe zusammenzustellen, "mit der es möglich ist, dass sie in einem Team arbeiten". Bis Ende April soll die Kommission vorgestellt werden.

Klasnic bittet Kritiker um Geduld

Die plötzliche Welle an Missbrauchsmeldungen überrascht Klasnic nicht unbedingt. "Da ist es mir, glaube ich, gegangen wie vielen Menschen. Dass man nicht so blauäugig sein darf und glaubt, das ist nur in Amerika so." Die Opferanwältin hofft nun, "dass wir in der Gruppe für manche Systeme einiges an Vorschlägen erarbeiten können und Systemänderungen kommen". Ihre Kritiker bittet Klasnic erst einmal um Geduld. "All jene, die schon vorher Kritik üben, bitte ich und lade ich ein, nicht nur mitzuhelfen, sondern auch die Ergebnisse abzuwarten."

(APA/Red.)

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