Brüssel will Rauchen weiter einschränken

Bruessel will weiter
Bruessel will weiter(c) Clemens Fabry
  • Drucken

Der zuständige EU-Kommissar Dalli will den Nikotingehalt von Zigaretten reduzieren, abschreckende Packungen einführen und den Verkauf erschweren. 650.000 Europäer sterben jedes Jahr an den Folgen des Tabakkonsums.

Brüssel/Wien. Der EU-Gesundheitskommissar verfolgt ein ambitioniertes Ziel: „Das Ideal ist ein rauchfreies Europa“, sagt John Dalli. Am liebsten wäre ihm ein Rauchverbot in allen öffentlichen Räumen, Verkehrsmitteln und am Arbeitsplatz. Ausnahmen für Eckkneipen und Bierzelte, wie es sie in Österreich oder Deutschland gibt, hält er für wenig sinnvoll. Aber das durchzusetzen ist Sache der einzelnen Mitgliedstaaten. Da kann sich Dalli nicht einmischen.

Was die EU sehr wohl beeinflussen kann, sind die Richtlinien für Tabakprodukte. Und da hat Dalli Anfang 2012 so manche Verschärfung der seit 2001 geltenden Regelungen vor. Dieser Tage startete der EU-Kommissar daher eine „öffentliche Konsultation“, womit alle Interessenvertreter bis 19.November aufgerufen sind, Stellung zu beziehen.

Zigaretten schmecken zu gut

Dallis Papier geht in zwei Richtungen: den Inhalt der Zigaretten und den Verkauf derselben. Die Zusammensetzung der Rauchwaren ist dem EU-Gesundheitskommissar viel zu wenig einheitlich. Die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten lassen starke Unterschiede bezüglich Zulassung und Verbot von süchtigmachenden und schädlichen Stoffen zu, und sie erlauben auch verschiedene Mengen und Arten von Zusatzstoffen, die den Tabakkonsum angenehmer machen. Selbst ein Vergleich ist schwierig, weil die Angaben oft unverständlich oder irreführend sind. Dallis Ziel ist zudem klipp und klar eine maßgebliche Verringerung des Nikotingehalts.

Doch das reicht ihm nicht. „Auch Änderungen der Zigarettenpackungen sind wünschenswert: Je einheitlicher und schmuckloser, desto besser“, sagte der aus Malta stammende konservative Politiker unlängst im Gespräch mit der „Welt“. Abschreckende Warnbilder, größere Hinweise auf die Schädlichkeit des Rauchens oder genormte Einheitspackungen sind sein Ziel. Im Begleitschreiben zu seinen Vorschlägen, bedauert Dalli, dass bisher nur vier EU-Länder – Belgien, Rumänien, Lettland und Großbritannien – entsprechende Warnbilder auf Zigarettenpackungen eingeführt haben.

Seine Beweggründe sind eindeutig, wie Dallis Büro der „Presse“ ausrichtet: 650.000 Europäer sterben jedes Jahr an den Folgen des Tabakkonsums; weitere 19.000 überleben das Passivrauchen nicht. Die Raucher verursachten Milliardenkosten im Gesundheitswesen und krankheitsbedingte Produktivitätsausfälle. „Tabak macht süchtig und verursacht Leid. Und doch rauchen 30Prozent der Europäer“, so Dalli.

Die Angst der Trafikanten

Explosiv könnte eine weitere Forderung des EU-Kommissars werden: Er will Zigaretten schwerer zugänglich machen als bisher, indem sie nicht mehr sichtbar in einem Geschäft ausgestellt werden dürfen. Ein Verkaufsverbot für Zigaretten in Supermärkten, wie es Großbritannien ab 2011 einführt, lobt Dalli dezidiert als vorbildlich.

Die österreichischen Trafikanten steigen bereits auf die Barrikaden, wobei Dalli auf einen Verkauf ausschließlich unter der Budel keinen direkten Einfluss hat. Das Gesundheitsministerium in Wien meint zudem, dass man in Österreich – dem Land mit den meisten Rauchern (siehe Grafik) durch den großteils von Lebensmitteln getrennten Verkauf in Trafiken ohnehin eine brauchbare Sonderregelung praktiziere. Großes Lob hat Gesundheitsminister Alois Stöger hingegen für Dallis Pläne, den Nikotin- und Schadstoffgehalt in Zigaretten zu reduzieren.

Was abschreckende oder einheitliche Verpackungen betrifft, reagiert der Minister zurückhaltend. Man müsse sich erst statistisch anschauen, ob das überhaupt etwas zur Eindämmung des Rauchens beitrage. Und am österreichischen Mittelweg in Lokalen – abgeschlossene Rauchzonen ab einer gewissen Größe – hält man ohnehin fest, vorläufig zumindest.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.10.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.