Kirche: Wie realistisch sind die Wünsche der „Rebellen“?

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Frauen als Priester, Kommunion für Geschiedene: „Die Presse“ hat den „Aufruf zum Ungehorsam“ der Pfarrerinitiative rund um Helmut Schüller auf sein Konfliktpotenzial untersucht.

Wien. Ungehorsam – ein Wort schlägt hohe Wellen. Es war im Juni, als die Pfarrerinitiative rund um Helmut Schüller, Pfarrer von Probstdorf, die Priester zu „Ungehorsam“ aufgerufen hat. Mittlerweile wird die Initiative von 300 Betroffenen – und der Mehrheit der Bevölkerung unterstützt. Laut einer Oekonsult-Umfrage für die Austria Presse Agentur sprechen sich 76,5 Prozent der befragten Österreicher für die Initiative aus. „Die Presse“ hat sich die einzelnen Forderungen auf ihre Umsetzbarkeit und gelebte Praxis hin angesehen.

1. Bei jedem Gottesdienst eine Fürbitte für die Kirchenreform sprechen

Herbert Bartl von „Priester ohne Amt“ tut es und auch Pfarrer Walter Reichel aus Kottingbrunn. Sie sprechen bei jedem Gottesdienst eine Fürbitte für eine Kirchenreform aus. Als ersten Punkt in ihrem „Aufruf zum Ungehorsam“ hat die Pfarrerinitiative dieses Zeichen gesetzt, das von den 300 Unterstützer nun regelmäßig zelebriert wird. Mit positiver Rückmeldung – sagen sie – von den Kirchenbesuchern. „Wir haben bis jetzt noch keine Beschwerde gehört“, sagt auch Michael Prüller, Sprecher der Erzdiözese Wien.

2. Geschiedenen, Wiederverheirateten und Ausgetretenen Eucharistie nicht verweigern

„Die Eucharistie ist kein soziales Event, an dem jeder, der kommt, nach Belieben teilnehmen kann“, meint Jan-Heiner Tück, Professor für Dogmatische Theologie an der Uni Wien. Aber: Es sei schmerzlich, dass nicht alle an der Eucharistie – „Quelle und Höhepunkt des kirchlichen Lebens“ – partizipieren können. Es gebe bereits eine breite Debatte darüber, Geschiedenen und Wiederverheirateten die Eucharistie zu spenden. Denn Betroffene würden sich „durch den Ausschluss von der Eucharistie häufig zu Christen zweiter Klasse degradiert fühlen“, so Tück. Selbst Papst Benedikt XVI. habe in einem Interview mit dem deutschen Journalisten Peter Seewald gemeint, dass man über diese Frage intensiv nachdenken müsse. Ob die Eucharistie den zeitweise Ausgetretenen gespendet werden soll/kann, hänge vom Einzelfall ab, meint Tück weiter. Nämlich davon, welche Motivation der Austritt hatte.

In der Praxis dürften die Pfarrer mit dieser Forderung am wenigsten zu kämpfen haben. Denn wenn ein Pfarrer mehrere Gemeinden betreuen muss, verliert er schnell den Überblick: „Wir wissen sicher nicht immer, ob jemand wiederverheiratet, aus der Kirche ausgetreten oder geschieden ist“, sagt Pfarrer Walter Reichel.

3. Für Pfarrer nur Sonntagsmessen in einer Kirche; keine „Gastspiele“

Der akute Priestermangel der katholischen Kirche quält nicht nur die Gemeinden, sondern auch die Priester selbst. „Die Wahrheit ist, dass immer eine Gemeinde zu kurz kommt“, sagt Pfarrer Walter Reichel. Er betreut seit fast 30 Jahren die beiden Pfarren in Kottingbrunn und Schönau/Triesting und zelebriert vier Gottesdienste an einem Sonntag. Da kann es schon vorkommen, dass er zu spät zum Gottesdienst kommt. Könnte er es sich aussuchen, würde Reichel eine Pfarre abgeben. Chancen sieht er dafür aber nicht, denn: „Jeder Kollege im Umkreis betreut zwei Pfarren.“ In der Erzdiözese Wien werden derzeit 195 Pfarren von 660 von einem ortsfremden Pfarrer betreut. „In Zukunft kann daher schon sein, dass die Pfarrgrenzen neu gezogen werden“, sagt Prüller von der Erzdiözese Wien. Die würden dann abhängig von der Gemeindegröße sein.

4. Wortgottesdienst mit Kommunionspendung als „priesterlose Eucharistiefeier“ ansehen

Pfarrermangel und die Zusammenlegung von mehreren Gemeinden würden dazu führen, dass Eucharistiefeiern nicht mehr in jedem Ort stattfinden. Die Pfarrerinitiative fordert daher, dass die Feier im Ort bleibt und auf jeden Fall abgehalten werden soll – auch ohne Priester. Wenn die Eucharistie von Laien abgehalten wird, „würde das die sakramentale Struktur der katholischen Kirche antasten und wäre nicht hinnehmbar“, so Tück.

5. Predigtverbot für kompetent ausgebildete Laien/Religionslehrer missachten

„Ich habe selbst auch schon gepredigt.“ Laut Hermann Bahr von der Laieninitiative ist diese Forderung leicht umzusetzen. Prinzipiell ist der „Dienst am Wort Gottes“ sowie der „Dienst am Altar“ dem „sakramental ordinierten Amt“ vorbehalten. Tück weist aber darauf hin, dass das Kirchenrecht in dieser Hinsicht auch Ausnahmen mache: Im Bistum Basel etwa haben auf Initiative des Bischofs Kurt Koch – und nach Absprache mit Rom – auch Laien gepredigt.

6. Einen Vorsteher für jede Pfarre: Ob Mann, Frau, verheiratet oder nebenamtlich

Dass eine Pfarre einen Vorsteher haben muss, darüber scheinen sich alle einig zu sein. Auch, was die Umsetzung betrifft, gibt es Berührungspunkte. Im Hirtenbrief vom Mai 2011 erwähnt Kardinal Christoph Schönborn, dass die Leitung von kleineren Gemeinden getauften Männern und Frauen übertragen werden kann. Diese werden wiederum in nächster Instanz von einem Pfarrer geleitet.

7. Sich für die Zulassung von Frauen und Verheirateten zum Priesteramt aussprechen

Das ist sicher der wundeste Punkt: „Priester, Äbte oder Bischöfe hatten schon immer Freundinnen“, sagt Richard Picker, Theologe und Psychotherapeut von der Initiative „Priester ohne Amt“ in Wien. Heute hätten rund 50 Prozent aller Priester, schätzt sein Kollege Herbert Bartl, eine Freundin im Laufe ihres Priesterlebens. Eine Tatsache, die bei den Gemeindemitgliedern bis zu den Bischöfen oft bekannt (und akzeptiert) sei. Probleme gäbe es dann, wenn Priester damit an die Öffentlichkeit gehen wollen – dann, so Bartl, würde jeder so tun, als wisse er von nichts. Die Kirche für eine Frau zu verlassen sei auch aus finanzieller Sicht schwierig – weil eine weltliche Berufsausbildung fehle. Noch viel schwieriger verhält es sich mit der Ordination von Frauen: „Ich glaube, dass sich sofort 500 bis 900 Frauen zu Priesterinnen weihen lassen würden“, sagt Christine Mayr-Lumetzberger. Sie ist die einzige „geweihte Bischöfin“ in Österreich und wurde dafür von der Kirche exkommuniziert. Derzeit seien „Interessentinnen“ meistens als „Pastoralassistentinnen oder Religionslehrerinnen tätig“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2011)

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