Bei einer Demonstration von rund 2000 koptischen Christen gegen einen Angriff auf eine Kirche kam es zu gewalttätigen Konflikten.
In der ägyptischen Hauptstadt Kairo ist es am Sonntag Abend zu schweren Ausschreitungen zwischen Sicherheitskräften, koptischen Christen und Moslems gekommen. Bei den Unruhen wurden mindestens 25 Menschen getötet, mehr als 200 Personen wurden verletzt. Die regierende ägyptische Militärführung hatte eine bis sieben Uhr geltende Ausgangssperre über Teile Kairos verhängt. Es waren die schwersten Ausschreitungen seit dem Sturz von Ex-Staatschef Hosni Mubarak zu Beginn des Jahres.
Angriff auf Kirche
Auslöser der Auseinandersetzungen war eine Demonstration der koptischen Christen. Rund 2000 Angehörige der Glaubensgemeinschaft haben am Sonntag in der ägyptischen Hauptstadt gegen einen Angriff auf eine Kirche in der Provinz Assuan im Süden Ägyptens und gegen den regierenden Militärrat demonstriert. Die Kopten machten radikale Moslems für den Angriff auf das Gotteshaus verantwortlich.
Steine und Schusswaffen
Augenzeugen und Reporter berichteten, die Gewalt habe begonnen, als Schlägertrupps Steine auf eine Menge von mehreren tausend christlichen Demonstranten geworfen hätten. Diese hatten sich versammelt, um gegen die Diskriminierung ihrer Glaubensgemeinschaft zu protestierten. Als die durch die Steinwürfe aufgebrachten Demonstranten vor dem Gebäude des staatlichen Fernsehens angekommen seien, habe plötzlich jemand aus der Menge heraus einen vor dem Gebäude stehenden Wachmann erschossen.
Die Soldaten hätten daraufhin die Demonstranten attackiert, zu denen sich in der Zwischenzeit auch einige Muslime gesellt hatten. Die Sicherheitskräfte fuhren mit gepanzerten Fahrzeugen durch die Menge. Zum Schluss zählten Krankenhausärzte drei getötete Soldaten und 21 tote Zivilisten, die meisten von ihnen Christen.
Die Demonstranten hatten zuvor die Absetzung des Gouverneurs der Provinz Assuan gefordert, der es ihrer Ansicht nach versäumt hatte, sich im Konflikt um den Bau einer Kirche schützend vor die Christen des Dorfes Mari Nab (Mirinab) bei Edfu zu stellen. Das Gotteshaus war von radikalen Muslimen attackiert worden. Diese hatten behauptet, das Gebäude sei ohne Erlaubnis der Behörden in eine Kirche umgewandelt worden. Auch der Konflikt um eine Schule in der Provinz Minia, in der christliche Mädchen im September gezwungen worden waren, mit Kopftuch zum Unterricht zu erscheinen, hatte, die Spannungen zwischen der muslimischen Mehrheit und den Mitgliedern der koptisch-orthodoxen Kirchen angeheizt.
Islamisten distanzieren sich von Gewalt
Indes haben radikale Muslime eine mögliche Schuld für den Gewaltausbruch von sich gewiesen. Man verurteile, was geschehen ist, erklärte ein Sprecher der sogenannten Salafisten-Bewegung am Montag.
Die oppositionelle Jugendbewegung 6. April, die im vergangenen Winter und Frühjahr maßgeblich die Proteste gegen das alte Regime mitorganisiert hatte, wertete die Eskalation als Versuch, "den friedlichen Charakter der Revolution" zu zerstören. An den Massendemonstrationen, die zum Sturz von Präsident Hosni Mubarak geführt hatten, waren auch Angehörige der christlichen Minderheit beteiligt gewesen. Viele koptische Christen, die auch unter Mubarak schon über Diskriminierung geklagt hatten, treibt jedoch die Sorge um, dass ihr Staat unter dem Einfluss der Muslimbruderschaft jetzt "islamisiert" wird.
Scharfe Kritik der EU
Die EU-Außenminister kritisierten die gewaltsamen Auseinandersetzungen scharf. "Wir müssen das, was geschehen ist, scharf verurteilen", sagte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton am Montag vor dem Treffen der EU-Außenminister in Luxemburg. "24 Tote - niemand auf der Welt gibt Menschen das Recht, einen Religionskampf zu führen." Auch der deutsche Außenminister Guido Westerwelle und sein britischer Kollege William Hague forderten die ägyptischen Behörden auf, die freie Religionsausübung zu schützen.
Ministerpräsident Essam Sharaf rief seine Landsleute zur Ruhe auf. Die Ägypter müssten zusammenstehen. Was geschehen sei, könne man nicht als Gewalt zwischen Religionsgruppen bezeichnen, sondern als Ergebnis einer Verschwörung. Er sagte im staatlichen Fernsehen: "Anstatt einen modernen, demokratischen Staat zu erschaffen, sind wir nun damit beschäftigt, für Sicherheit und Stabilität zu sorgen."
Kopten: Nachkommen der alten Ägypter
Die Kopten leiten ihre Abkunft von den alten Ägyptern ab. Der arabische Name "Kibt" kommt von "Aigyptos". Der Anteil der Kopten an der ägyptischen Bevölkerung beträgt ungefähr zehn Prozent. Verlässliche Statistiken gibt es nicht. Gerade seit dem Sturz Mubaraks verlassen sie zu Zehntausenden das Land, weil sie von Islamisten schikaniert werden.
In Österreich ist die koptisch-orthodoxe Kirche seit 1976 präsent. Sie zählt mehr als 5000 Mitglieder. Mehr ...
(Ag.)