Imelda Ruf: Die Schneiderin der Priester

Schneiderin Priester
Schneiderin Priester(c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
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Sie entwirft in ihrem Paramentik-Atelier nicht nur zeitgemäße liturgische Messgewänder. Imelda Ruf passt auch die von ihr kreierte Papst-Mitra an den Kopf des Kardinals an – der ist nämlich größer.

Modeschauen besucht sie nicht. „Da geh ich als Schwester nicht hin“, sagt Imelda Ruf. Ansonsten hat die Benediktinerin ein ausgeprägtes Interesse an Mode. Im Fernsehen sieht sie sich Modeschauen nämlich sehr wohl an, Kunstbücher interessieren sie ebenso wie Ausstellungen, und nicht selten wird die Schwester in einer Damenboutique von einer Kundin intuitiv um Rat gebeten. „Ich habe einfach ein Gefühl für Schnitte, Stoffe und Farben. Vielleicht verrät mich mein interessierter Blick“, sagt die freundliche Frau, während sie durch ihr kleines Reich am Stephansplatz führt.

Ruf hat nämlich einen Beruf, der, wenn auch nicht mit Mode – immerhin geht es bei ihr um mehr, nämlich den spirituellen Hintergrund –, so doch mit Textilien zu tun hat. 1966 hat sie die Meisterprüfung für Paramentik abgelegt, die Lehre der Gestaltung liturgischer Kleider und gottesdienstlicher Textilien. Seitdem beschäftigt sie sich mit liturgischen Gewändern und hat etwa im Kloster der Benediktinerinnen vom Unbefleckten Herzen Mariens in Steinerkirchen eine eigene Werkstatt aufgebaut.


Zur Ehre Gottes. Heute arbeitet Ruf in einem kleinen Atelier der Erzdiözese Wien, wo sie für den Entwurf und die Herstellung von Messgewändern von Hauptzelebranten – also Kardinälen, Bischöfen und sogar dem Papst – verantwortlich ist. Ihr Leitsatz lautet dabei: „Zur Ehre Gottes und der Erbauung der Menschen.“ Jedes Messgewand muss dabei zum Gottesdienst passen. So hat sie etwa eine rote Kasel mit gelb-orangen Flammenzungen, die den Heiligen Geist symbolisieren, für Firmungen entworfen. „Das sind Gewänder für den heiligen Dienst. Sie müssen der Würde des Geschehens angepasst werden, sonst wäre es ja nur Mode“, sagt die Schwester.

Und: Rufs Gewänder entsprechen dem Zeitgeist. Dass mancherorts nur barocke Messgewänder als würdevoll geschätzt werden, kann sie nicht nachvollziehen. Immerhin waren diese Gewänder damals auch zeitgemäß. Ruf schätzt alte Stücke durchaus und restauriert sie auch hin und wieder. Ihr Herzblut hängt aber am Neuen, Zeitgemäßen. „Man kann auch mit weniger Geld schöne Paramente machen“, sagt sie und gräbt stolz einen Zeitungsausschnitt hervor, auf dem Kardinal Schönborn in einer von ihr entworfenen violetten Kasel – für den Advent und die Fastenzeit – zu sehen ist. 60Stunden hat sie daran gearbeitet. Die violette Kasel, ein Obergewand, ist typisch für Rufs Stil: kräftige Farben, hochwertige Stoffe – sie arbeitet am liebsten mit Seide, Leinen und Wolle – und Applikationen. Stickereien verwendet sie eher selten. Das liegt aber nicht am Können, sondern hat finanzielle Gründe.


Der Kopf des Kardinals. Die konnte sie bei einer Arbeit, die ihr besonders wichtig war, außer Acht lassen: Sie entwarf das grüne Messgewand, das Benedikt XVI. bei seinem Besuch 2007 trug. Für Ruf war es nicht das erste Papst-Ornat, seit 1983 war sie immer wieder für Papst-Besuche im Einsatz. „Der letzte war vom Gestalterischen besonders, weil der Auftrag über die Diözese kam. Dadurch gab es keine Vorgabe, lediglich für die Farbe.“ Ruf verzierte die grüne Seide, die sie in Indien weben ließ, mit Bernsteinen und Perlen. Die Mitra, die Kopfbedeckung, lagert noch auf Rufs Nähtisch – gut verpackt in einem Baumwollsäckchen. „Die muss ich umändern. Die bekommt der Kardinal, der hat einen größeren Kopf“, sagt sie.

Damit hat das Papst-Gewand– oder zumindest die Kopfbedeckung – auch mit den anderen Stücken aus Rufs Atelier etwas gemein. Die Gewänder werden wiederverwendet, und da es sich ja um Obergewänder handelt, nicht nach jeder Messe gereinigt. Diözesanornate können von Priestern kostenlos ausgeliehen werden. Auch Auftragsarbeiten für Geschenke erhalten Ruf und ihre Mitarbeiterinnen. Billig ist so ein spirituelles Stück Stoff allerdings nicht. Bei 500Euro geht es für einfache Varianten los, aufwendigere Gewänder kosten um die 3000Euro, nach oben ist die Preisskala naturgemäß offen.

Wie viele Ornate Ruf in ihrem Leben schon gemacht hat, weiß sie nicht. „Einige hundert werden es schon sein“, sagt sie. Und: Auch wenn ihr Beruf nicht vom Aussterben bedroht ist, gibt es auch hier Nachwuchsprobleme und die Angst, dass dieses Wissen verloren geht. Vereinzelt finden sich dann aber doch junge Frauen bei Ruf ein, um von ihr zu lernen. Und dieser Bitte kommt sie gerne nach, denn: „Ich kämpfe schon dafür, dass die Tradition erhalten bleibt – und dass die jetzige Zeit ihren Ausdruck findet.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2011)

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