Christen weltweit in Bedrängnis

(c) Dapd (Gerit Borth)
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Besonders in islamischen Ländern haben Andersgläubige ein schweres Leben. Unter den neuen Regierungen im Nahen Osten könnte sich dieser Trend noch verstärken.

Wien. Am Neujahrstag wurden die Bewohner der nordnigerianischen Stadt Maiduguri vom Lärm rollender Panzer geweckt. Durch die Straßen patrouillierten schwer bewaffnete Soldaten. Präsident Goodluck Jonathan hatte sich angesichts der immer häufigeren tödlichen Angriffe auf Christen vor allem im Norden des Landes nicht mehr anders zu helfen gewusst, als in Maiduguri, dem Zentrum der islamistischen Sekte Boko Haram, militärisch Präsenz zu zeigen. Erst zu Weihnachten hatten die Extremisten bei Anschlägen gegen Kirchen mehr als 40 Menschen getötet. Aus Angst vor weiteren Attentaten hatten zahlreiche Kirchen daraufhin die Neujahrsgottesdienste abgesagt.

Bei mindestens 300 nigerianischen Christen hat die international tätige NGO Open Doors gesicherte Informationen, dass sie zwischen November 2010 und Oktober 2011 Opfer religiös motivierter Gewalt wurden. Dazu kommt eine hohe Dunkelziffer, die auf etwa das Fünffache geschätzt wird.

Dass Nigeria beim aktuellen Weltverfolgungsindex von Open Doors trotzdem nur Rang 13 belegt, liegt schlicht an den im Vergleich günstigeren rechtlichen Rahmenbedingungen, wie Markus Rode, Leiter des deutschen Zweigs der Organisation, im Gespräch mit der „Presse“ erklärt: „In Nigeria gibt es keine Staatsreligion, Christen können ihre Religion im Prinzip frei ausüben, im muslimisch dominierten Norden allerdings nur mehr sehr eingeschränkt.“ In anderen Ländern ist die Verfolgung von Christen – beziehungsweise in islamischen Ländern überhaupt von „Ungläubigen“ – institutionell verankert, etwa im Iran oder auf den Malediven. Open Doors bewertet die Situation in solchen Ländern deshalb negativer.


Nordkorea ist der negative Spitzenreiter, und das schon seit zehn Jahren: Wenn es in dem stalinistischen Land, dessen Hauptstadt Pjöngjang wegen seiner vielen Kirchen einst „Jerusalem des Ostens“ genannt wurde, heißt „Der ewige Vater ist immer bei uns“, bezieht sich das mitnichten auf einen Gott, sondern auf den als gottgleich verehrten, 1994 verstorbenen Staatsgründer Kim Il-sung.

Da Informationen aus dem abgeschotteten Land nur spärlich fließen, ist die Zahl der verbliebenen Christen äußerst unklar. Die Schätzungen von Open Doors liegen zwischen 200.000 und 400.000. Offiziell gilt zwar Religionsfreiheit, doch habe man bis zu 70.000 Christen derzeit in Arbeitslagern weggesperrt, heißt es im aktuellen Bericht der NGO.

Grafik: Die Presse


Afghanistan, auf Platz zwei des Rankings, hat wie Nordkorea eine festgeschriebene Religionsfreiheit. Diese beinhaltet jedoch nicht die Freiheit, den Glauben zu wechseln – mit dramatischen Folgen für jene afghanischen Christen, die vor ihrer Konversion Muslime waren. Laut der Scharia, die im afghanischen Rechtssystem eine starke Stellung hat, ist der „Abfall vom Glauben“ mit dem Tod zu bestrafen. International bekannt wurde 2006 der Fall des Afghanen Abdul Rahman. Sein eigener Vater hatte ihn bei den Behörden angezeigt, ihm drohte die Todesstrafe. Nach internationalen diplomatischen Interventionen wurde Abdul Rahman schließlich freigelassen – man hatte ihn kurzerhand für unzurechnungsfähig erklärt. Wegen des massiven sozialen Drucks sah er sich gezwungen, ins Exil zu gehen.

Saudiarabien, ein wichtiger Verbündeter des Westens im arabischen Raum, gehört als Land der heiligen Stätten des Islam zu den stärksten Unterdrückern der Religionsfreiheit und damit auch der Christen: Auf Apostasie steht hier ebenfalls die Todesstrafe, unter dem christenfeindlichen Klima haben besonders Gastarbeiter, etwa aus den Philippinen, zu leiden. Immerhin sind ihnen Gottesdienste im privaten Raum erlaubt.

Leichte Verbesserungen in China

Neun der zehn vordersten Plätze belegen islamisch dominierte Länder. Dies spiegelt einen Trend der vergangenen 20 Jahre wider: „Die Verfolgung hat sich von der kommunistischen Welt in die islamische verlagert“, sagt Open-Doors-Chef Rode. Das Problem bestehe sowohl auf institutioneller als auch auf gesellschaftlicher Ebene: Im islamisch dominierten Norden Nigerias etwa sei die Akzeptanz von Gewalt gegen Christen deutlich gestiegen: „Zum Teil führen muslimische Bewohner die Extremisten sogar zu Häusern und Geschäften von Christen.“

Vom Arabischen Frühling erwartet sich Rode wenig, ganz im Gegenteil: „Der Ruck in Richtung Islamisierung hat sich verstärkt.“ Das sei jetzt schon spürbar, und werde nach den Siegen islamistischer Parteien bei demokratischen Wahlen noch zunehmen. Ägyptens Kopten, die am Tahrir-Platz Hand in Hand mit den Muslimbrüdern Diktator Mubarak wegdemonstrierten, werden sich womöglich schon bald um die Früchte der Revolution betrogen fühlen.

Einen leichten Hoffnungsschimmer sieht Rode hingegen im Falle Chinas: „Durch die wirtschaftliche Öffnung ist der Druck auf das Regime in Sachen Religionsfreiheit größer geworden.“ Dadurch habe sich zumindest das Gesamtbild verbessert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.01.2012)

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