Orthodoxe Weihnachten im Zeichen des Polit-Wandels

Orthodoxe Weihnachten
Orthodoxe Weihnachten(c) EPA (Zurab Kurtsikidze)
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Proteste in Russland, Islamisten in Ägypten und der Kosovo-Streit in Serbien: Die Politik spielte bei den orthodoxen Feiern am Wochenende eine große Rolle.

Millionen orthodoxe Christen haben am Wochenende Weihnachten gefeiert. Der Moskauer Patriarch Kyrill I. (Kirill) forderte Russlands Regierung nach den Massenprotesten gegen die Parlamentswahl unerwartet deutlich zum Dialog mit den Demonstranten auf. Ägyptens koptische Christen begingen ihr erstes Weihnachtsfest nach dem Sturz von Präsident Hosni Mubarak in Sorge um ihre Zukunft. Soldaten und Polizisten bewachten die Kirchen des Landes, um Attacken islamistischer Fanatiker zu verhindern. In Montenegro und im Kosovo überschatteten politische Streitigkeiten die Feiern.

In der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale verlas Kyrill I. vor rund 5000 Menschen die frohe Botschaft und rief auf, im Glauben fest zu bleiben. Das Staatsfernsehen strahlte am Samstag ein Interview aus, in dem das einflussreiche Kirchenoberhaupt einen Dialog der Herrschenden mit den Menschen auf der Straße fordert. "Wenn die Macht ungerührt bleibt vom Inhalt der Proteste, ist das ein schlechtes Zeichen dafür, dass sie unfähig zur Selbstregulierung ist."

Unter den Gottesdienstbesuchern in Moskau waren Präsident Dmitri Medwedew und seine Ehefrau Swetlana. Regierungschef Wladimir Putin offenbarte bei einem nächtlichen Gottesdienst in seiner Heimatstadt St. Petersburg, er sei wenige Wochen nach seiner Geburt 1952 in der Verklärungskathedrale geheim getauft worden. "Meine Mutter verriet meinem Vater nichts, weil er ein strenges Mitglied der Kommunistischen Partei war." Und: "Der Priester wollte mich auf den Namen Michail taufen, doch meine Mutter bestand auf Wladimir."

Muslimbrüder bei Kopten-Feiern

In Ägypten gab es für die koptischen Christen, die etwa ein Zehntel der Bevölkerung stellen, ein Zeichen der Hoffnung: Zum zentralen Gottesdienst in der Markus-Kathedrale in Kairo kamen in der Nacht auf Samstag neben einigen Generälen erstmals auch Repräsentanten der Muslimbruderschaft. Das Oberhaupt der koptisch-orthodoxen Kirche, Papst Schenuda III., hatte die Islamisten zu dem Mitternachtsgebet eingeladen.

Die Partei der Muslimbrüder "Freiheit und Gerechtigkeit" hatte schon vor der Messe erklärt, der Islam verpflichte alle Muslime, gegenüber den Christen und ihrem Glauben tolerant zu sein. Gemeinsam zu feiern sei eine Chance, gegenseitige Wertschätzung zum Ausdruck zu bringen. Die islamistische Organisation wird aus der Parlamentswahl nach den vorliegenden Ergebnissen als stärkste Kraft hervorgehen und zusammen mit der radikaleren Partei des Lichts der Salafisten wohl mehr als 60 Prozent der Stimmen auf sich vereinen.

Zwei Weihnachtsfeiern auf der ISS

Die Orthodoxe Christen feiern Weihnachten nach dem julianischen Kalender und damit 13 Tage später als die Katholiken und Protestanten. Dank der unterschiedlichen Kalender konnte die Besatzung der Internationalen Raumstation ISS zweimal Weihnachten feiern. Im Dezember durften die US-Astronauten Daniel Burbank und Donald Pettit sowie der Niederländer Andre Kuipers Geschenke auspacken. Am Wochenende waren dann die Russen Anatoli Iwanischin, Oleg Kononenko und Anton Schkaplerow auf dem Außenposten der Menschheit in rund 350 Kilometern Höhe an der Reihe, wie die Flugleitzentrale bei Moskau am Sonntag mitteilte.

Spannungen im Kosovo und in Montenegro

Serbiens Staatspräsident Boris Tadic machte am Samstag am Rande seines Besuchs im Kloster Decani im Kosovo deutlich, dass sein Land trotz Drucks der EU an der Einheit mit der früheren Provinz festhält, die heute von mehr als 80 Ländern als unabhängiger Staat anerkannt ist. Tadic war am Freitag wegen gewaltsamer Proteste von Albanern erst nach stundenlangen Verzögerungen im Kloster Decani bei der Stadt Pec eingetroffen, um die orthodoxe Weihnacht zu feiern.

In Montenegro trat der seit Jahren schwelende Kirchenkampf am orthodoxen Weihnachtsfest wieder offen zutage. Der Metropolit der Serbisch-orthodoxen Kirche, Amfilohije, bezeichnete die rivalisierende Montenegrinisch-orthodoxe Kirche nach dem Weihnachtsgottesdienst in der Hauptstadt Podgorica als "schlichte Sekte". Nach der Unabhängigkeit Montenegros vor fünf Jahren versucht die Regierung bisher erfolglos, beide Kirchen zu einer nationalen Glaubensgemeinschaft zusammenzuschließen.

(Ag.)

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