USA: „...and may God bless the United States“

(c) AP (Mark Humphrey)
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In kaum einem anderen Land gibt es eine so strikte Trennung zwischen Kirche und Staat. Gerade deswegen sind Amerikaner weitaus gläubiger als Europäer.

Die Bedrohung für die USA ist real, und sie kommt von keinem Geringeren als dem Teufel selbst. „Satan attackiert die großen Einrichtungen der USA, und er verwendet dafür die großen Laster Stolz, Eitelkeit und Sinneslust. Das ist ein spiritueller Krieg, und der Vater aller Lügen hat sein Ziel auf ein gutes, anständiges Land gerichtet.“

Der, der das sagte, ist kein Priester und auch nicht einer jener fanatischen Fernsehprediger, wie es sie in den USA zuhauf gibt. Er tritt nicht in Kirchen auf und predigt nicht von einer Kanzel. Der, der das im Jahr 2008 an einer katholischen Universität in Florida sagte, will Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika werden.

„Ich glaube an das Gute und an das Böse“, erklärte Rick Santorum schulterzuckend vor einigen Tagen seine Rede von einst. Das klingt nach George Bush und seiner „Achse des Bösen“, nur dass Bush im Vergleich mit Santorum ein religiöser Skeptiker ist.

Eine „Mauer der Trennung“

Santorum ist einer der vier verbliebenen Präsidentschaftskandidaten der republikanischen Partei, und das ist er vor allem deswegen, weil er der konservativste ist. Keiner ist gläubiger als der Ex-Senator aus dem Bundesstaat Pennsylvania, keiner ist strikter in seinen Ansichten und keiner radikaler: Homosexualität ist für ihn gleichbedeutend mit Sodomie; bei der Entstehung der Erde hatte zweifellos Gott die Hand im Spiel; und was die Abtreibung betrifft – die ist für Santorum auch dann tabu, wenn eine Frau nach einer Vergewaltigung schwanger wird.

Es ist eines der bemerkenswerten Paradoxa der USA, dass ausgerechnet in dem Land Glaube und Religiosität so offen gelebt werden, das sich seit seiner Gründung um eine strikte Trennung von Kirche und Staat bemüht. Als James Madison 1789 die „Bill of Rights“ verfasste, sollte es eine „Mauer der Trennung zwischen dem Garten der Kirche und der Wildnis der Welt geben“. Gleich im ersten Verfassungszusatz der USA hielt Madison fest: „Der Kongress darf kein Gesetz erlassen, das die Einführung einer Staatsreligion zum Gegenstand hat.“

Deshalb verbot der Verfassungsgerichtshof im Jahr 1963 auch das Morgengebet in den öffentlichen Schulen. Es gibt keinen Religionsunterricht in den USA, kein Kreuz in irgendeinem öffentlichen Gebäude, und der einzige staatliche Feiertag mit religiösem Ursprung ist Weihnachten.

Und doch ist Gott in dieser Gesellschaft überall: Man darf in der Schule zwar nicht beten, aber im Treueschwur, dem „Pledge of Allegiance“, den alle Schüler jeden Morgen aufsagen müssen, beschwört man „One Nation under God“ (der Zusatz, der so völlig der Vorstellung der Gründerväter widerspricht, wurde erst 1954 in den Eid aufgenommen); auf der Dollarnote tut man der ganzen Welt kund, dass dieses Land an Gott glaubt („In God We Trust“); die Nominierungsparteitage der Republikaner und Demokraten werden traditionell mit einem Gebet eröffnet und beendet; wenn der Präsident angelobt wird, schwört er auf die Bibel; vergangenen Sommer schuf der Quarterback der Denver Broncos, Tim Tebow, einen neuen Trend, als er nach jedem Touchdown im Stadion niederkniete, eine Hand auf dem gebeugten Knie, und ein kurzes Dankesgebet sprach. „Tebowing“ nennt man das jetzt in den USA, und es wird in den Highschools hundertfach nachgemacht.

Warum die Vereinigten Staaten so viel religiöser sind als Europa, erklärte Peter Berger der „Presse“ einst gerade mit der strikten Trennung. Der gebürtige Österreicher leitet das „Institute on Culture, Religion and World Affairs“ in Boston. „Der Mangel an staatlicher Unterstützung zwang die amerikanischen Kirchen dazu, miteinander zu konkurrieren und sich um die Menschen zu bemühen. Und Wettbewerb schafft starke Institutionen.“

Die Säkularisierung Europas sei keine Erscheinung der Moderne, sondern habe schon mit den Religionskriegen im 16. und 17.Jahrhundert begonnen. Später habe die Aufklärung in Europa und den USA völlig verschiedene Wege genommen: Die Aufklärung in Europa sei in erster Linie antiklerikal gewesen, teils sogar offen antichristlich. Weil Katholizismus Teil des absolutistischen Herrschaftssystems war, habe sich der Widerstand gegen den Staat naturgemäß auch gegen die Religion gerichtet.

Gläubig aus politischem Kalkül

In den USA dagegen war das Zeitalter der Aufklärung nicht antiklerikal, ganz einfach auch deswegen, weil es keine staatliche Religion gab und weil viel Gutes von kirchlichen Führern kam. Angefangen bei der Betreuung von Einwanderern, deren sich die Kirchen im Kampf um Mitglieder annahmen, bis zu politischen Veränderungen. Es war ein Baptistenpastor namens Martin Luther King, der mit dem Busboykott in Montgomery (US-Bundesstaat Alabama) 1955 an die Spitze der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung trat und das Land veränderte.

Wenn US-Politiker heute öffentlich gläubig sind, dann machen sie das zum Teil aus dem gleichen Kalkül, aus dem sie Familienförderungen vergeben oder eine Reichensteuer fordern: Es bringt Wählerstimmen. 2007 fragte das Gallup-Institut 1000 Menschen, ob sie persönlich für einen Präsidenten stimmen würden, der schwarz ist: 94 Prozent sagten „Ja“; der homosexuell ist? Sogar hier sagten 55 Prozent „Ja“. Nur eines können sich die Amerikaner nicht vorstellen: für einen Kandidaten zu stimmen, der Atheist ist. Einen solchen lehnen 53 Prozent ab. „Wenn jemand nichts glaubt, meinen die Menschen, er habe keine Werte“, erklärte damals Karlyn Bowman vom Thinktank „American Enterprise Institute“ (AEI).

Dass sich Mitt Romney mit seinen vielen Wahlkampfmillionen noch nicht klar gegen die anderen Kandidaten behaupten konnte, hat ebenfalls mit seinem Glauben zu tun: Romney ist Mormone, und diese Religion ist vielen Republikanern suspekt.

Wer auch immer am 6. November zum Präsidenten der USA gewählt werden wird, eines wird sich jedenfalls nicht ändern: Die Schlussformel jeder Präsidentenrede wird auch weiterhin lauten „...and may God bless the United States of America“.

Bekenntnisse der US-Bürger

Regierungsstellen führen kein Register über die Konfession der Bürger, es gibt aber Umfragen. Eine solche ergab 2001:

Protestantisch nennen sich rund 52Prozent. Darunter fallen Baptisten, Methodisten und Lutheraner. Von Letzteren gibt es mehrere Kirchen: Aus der größten (Evangelical Lutheran Church in America) traten erst 2009 etliche Gemeinden aus, weil das Pfarramt für schwule und lesbische Geistliche geöffnet wurde.

Römisch-katholisch sind 24,5Prozent, Weitere christliche Bekenntnisse: drei Prozent Orthodoxe, zwei Prozent Mormonen (bei denen freilich umstritten ist, ob sie streng genommen unter „christlich“ fallen), jeweils ca. 0,3Prozent Zeugen Jehovas und Unitarier (die nicht an die Dreifaltigkeit glauben).

Andere Religionen: 1,4% Juden, 0,5% Muslime, 0,5% Buddhisten, 0,5% Hindus.

Als Atheisten oder Agnostiker bezeichnen sich explizit nur 5,4%, weitere 8,8% gaben keine Religion an.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2012)

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