"Situation ist nicht hoffnungslos"

Situation nicht hoffnungslos
Situation nicht hoffnungslos(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn meint, man habe sich der Missbrauchskrise gestellt. Umgang mit "schwarzer Pädagogik" sollte aufgearbeitet werden.

Wien/Red. Der Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn sieht die katholische Kirche in Österreich „in einer schwierigen Situation, aber nicht in einer hoffnungslosen“. Sie habe sich der „Missbrauchskrise“ gestellt. Wobei die Gründe des Vertuschens und der Umgang mit der „schwarzen Pädagogik“ gesamtgesellschaftlich noch nicht aufgearbeitet seien. Das sagte Schönborn am Sonntag in der „Pressestunde“ des ORF.

„Es geht nicht um Ausreden, aber es geht um Verstehen“, so der Kardinal zu Gewalt und Sadismus in Schule und Pädagogik. Er selbst habe als Schüler erlebt, wie sein Gymnasialdirektor und alle Eltern und Lehrer wegschauten, als ein Professor Kinder systematisch spitalsreif geprügelt habe. Darüber nicht zu reden und Gewalttäter einfach hinzunehmen sei damals ein „kulturelles Phänomen“ gewesen. „Gott sei Dank hat sich das geändert“, sagte Schönborn. „Die Wahrheit macht frei. Das ist ein wichtiges Wort Jesu.“ Positiv sei auch, dass die Zeit der vielen Internate – „strukturell gefährliche, gefährdete Orte“ – vorbei sei.

Zu seiner Bestätigung eines Homosexuellen als Pfarrgemeinderat in der Weinviertler Gemeinde Stützenhofen meinte Schönborn, dieser habe ihn „auch christlich sehr beeindruckt“ (siehe auch Seite 7). An der in der Bibel festgelegten Bindung von Mann und Frau, die sich als ein Fleisch mehren sollen, ändere das nichts. Und auch bei wieder verheirateten Geschiedenen gelte: „Wir halten am Menschen fest, aber wir halten auch an der Regel fest.“ Schönborn erinnerte in diesem Zusammenhang an seinen Freund, den verstorbenen Bundespräsidenten Thomas Klestil. Den Klagen der Pfarrerinitiative über einen drohenden Priestermangel stellte er den zunehmenden Schwund an Gläubigen gegenüber.

Angesprochen auf die Korruptionsfälle in Österreich verwies Schönborn auf „das Schreckliche am Berlusconi-Regime“. Korruption sei für ein Land eine Katastrophe, weil sie die Substanz des menschlichen Miteinanders zerstöre. Auch die Kirche müsse sich wie alle in Sachen Moral am Riemen reißen. „Wir sollten vor der eigenen Tür kehren, wir haben viel zu kehren, um wieder Vertrauen zu gewinnen.“

Die Schubhaft bezeichnete Schönborn als „Schandfleck“. In Österreich fehle weitgehend eine Immigrationspolitik. Sorgen macht er sich auch bezüglich der Nationalratswahl im nächsten Jahr: Es bestehe die Gefahr der billigen Slogans, des Hetzens und des Aufbauens von Feindschaften. Hier müsse man wirklich den Anfängen wehren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.04.2012)

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