Österreichs Muslime: Interner Konflikt über Dialog

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Die Islamische Föderation, eine der größten muslimischen Organisationen des Landes, klagt, Staatssekretär Sebastian Kurz schmücke sich mit fremden Federn. „Tage der offenen Tür“ gebe es schon seit Jahren.

Wien. Ende Jänner starteten das Staatssekretariat für Integration und die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) das „Dialogforum Islam“, nun gibt es die erste größere Verstimmung. Das Forum, klagt Yakup Gecgel, Sprecher der Islamischen Föderation Wien (IFW), schmücke sich mit fremden Federn.

Konkret richtet sich die Kritik an Staatssekretär Sebastian Kurz, der am Wochenende einen „Tag der offenen Tür“ in den rund 200 Moscheen des Landes für den Sommer angekündigt hat, mit dem Vorurteile gegen Muslime abgebaut werden sollen. „Die Mitgliedsorganisationen der IGGiÖ veranstalten solche Tage schon seit Jahren“, sagt Gecgel. Zuletzt habe die IFW vergangenen November eine „Lange Nacht der Moscheen“ durchgeführt. „Es wird so getan, als ob bis jetzt überhaupt nichts geschehen wäre.“

Die Kritik der IFW wiegt insofern schwer, als sie – nach der Atib – die zweitgrößte religiös orientierte türkische Vereinigung des Landes ist. Eigenen Angaben zufolge kooperiert man mit 36 Vereinen aus vier Bundesländern und komme auf eine Gemeindegröße von etwa 28.000 Personen. Und – auch IGGiÖ-Präsident Fuat Sanac wird ihr zugerechnet.

Kritik am Präsidenten

Doch trotz der politischen Nähe findet man in der IFW auch kritische Worte für den Präsidenten: „Es kommt so rüber, als ob die IGGiÖ nur das macht, was Staatssekretär Kurz will“, sagt Gecgel. Und die Vereine, die ja die Basis der Glaubensgemeinschaft bildeten, seien im Dialog nicht eingebunden. Präsident Sanac kann die Vorwürfe nicht nachvollziehen. „Wir arbeiten zusammen. Ich glaube nicht, dass es ein Problem gibt.“ Mit der IFW werde man aber jedenfalls noch sprechen, um Missverständnisse auszuräumen.

Auch im Staatssekretariat will man den Kontakt zur IFW suchen – auf informeller Ebene. Denn den offiziellen Dialog wolle man nur mit der IGGiÖ, der gesetzlich anerkannten Vertretung der österreichischen Muslime, führen. Zum Tag der offenen Tür in den Moscheen stehe man jedenfalls weiter – „denn für alle 200 Einrichtungen in Österreich auf einmal hat es so etwas noch nicht gegeben“. Der Vorschlag dazu sei direkt von der IGGiÖ gekommen, nun wolle man das Projekt gemeinsam machen. Ein detailliertes Konzept soll in den kommenden Tagen vorliegen.

Das von Kurz am Wochenende vorgestellte Paket beinhaltet auch ein Islam-Abc, in dem die wichtigsten Begriffe der Religion zusammengefasst sein sollen, und eine Islam-Landkarte, ein Projekt des Religionspädagogen Ednan Aslan von der Uni Wien – eine Art Moscheenführer im Internet. Auch an letzterem Projekt übt die IFW Kritik, weil sie ihre eigenen Moscheen und Einrichtungen darin diffamierend beschrieben sieht. All diese Projekte sind allerdings nur kurzfristige Maßnahmen, um die Debatte über den Islam zu versachlichen, wie es heißt.

Tatsächliche Ergebnisse des Dialogforums Islam soll es erst kommendes Jahr geben. Unter anderem sollen Maßnahmen zu „Werte- und Gesellschaftsfragen“ und zur „Aus- und Weiterbildung von Imamen in Österreich“ erarbeitet werden. Und nicht zuletzt soll auch über ein mögliches neues Islamgesetz nachgedacht werden. Tatsächlich wird schon seit längerer Zeit über eine Novellierung des Gesetzes diskutiert, das im Juni 100 Jahre alt wird. Viele Dinge wie etwa Speisevorschriften und die Seelsorge für Kranke oder in Gefängnissen sind nicht gesetzlich geregelt. Ob das Gesetz allerdings noch, so wie es sich die IGGiÖ wünscht, im Jubiläumsjahr erneuert wird, gilt als unwahrscheinlich.

Beschwerde beim Höchstgericht

Dazu kommt, dass sich nun auch der Verfassungsgerichtshof mit einer Beschwerde befassen muss: Das zu diesem Zweck erstmals in Erscheinung getretene „Islamische Österreichische Zentrum“ (IÖZ) fordert wegen eines formaljuristischen Fehlers die Auflösung der IGGiÖ. Sollte der VfGH der Beschwerde stattgeben, müsste auch das Islamgesetz dementsprechend novelliert oder gleich komplett neu geschrieben werden.

Auf einen Blick

Islamische Föderation: Der Dachverband von Moscheevereinen geht auf die „Milli Görüs“-Bewegung („Nationale Sicht“) des türkischen Politikers Necmettin Erbakan zurück. Der Verein übt nun Kritik am „Dialogforum Islam“, das seit Ende Jänner tagt – es schmücke sich mit fremden Federn.

WEITERE INFORMATIONEN UNTER

www.ifwien.at, www.integration.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.04.2012)

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