"Martin Luther wollte eine erneuerte Kirche"

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bdquoMartin Luther wollte keine(c) EPA (PETER SCHNEIDER)
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Kardinal Kurt Koch über 500 Jahre Reformation im Jahre 2017, die Aufgaben der Ökumene und die Pflicht des Papstes, Türen zu öffnen. Kardinal Koch ist im Vatikan für die Ökumene zuständig.

Wie bringt man einen hohen katholischen Würdenträger dazu, etwas Positives über den Reformator Martin Luther zu sagen? Das ist nicht schwer, wenn man mit Kardinal Kurt Koch spricht. Der ehemalige Diözesanbischof von Basel ist seit 1. Juli 2010 Präsident des Päpstlichen Rats für die Einheit der Christen, als Nachfolger des bedeutenden Theologen Walter Kardinal Kasper.

Laut Koch „war Luther von der Gottesfrage zentral bewegt“, Christus stand im Zentrum seines Denkens und Glaubens. „Martin Luther wollte keine neue, sondern eine erneuerte Kirche“, sagte Koch beim Gespräch mit Journalisten während eines Besuch des österreichischen „Medien-Bischofs“ und steirischen Diözesanbischofs Egon Kapellari. Deshalb solle man das Begehen des Luther-Jahres 2017 als Chance sehen, nicht bloß als Bruch mit der Tradition.

Als Jubiläum für 500 Jahre Reformation sei es freilich für Katholiken schwer zu sehen. Koch zitiert den evangelischen Theologen Wolfhart Pannenberg von der Universität München, dass das Entstehen neuer evangelischer Kirchen eigentlich ein Scheitern sei. „Das Gelingen wäre die Einheit der Kirche“, sagt der Kardinal über sein Ideal der Reformation: „Innerhalb des Welt-Protestantismus gibt es aber immer mehr Fragmentierungen. Das stellt uns vor Probleme.“ Alle forderten nämlich den Dialog mit Rom.

Die Probleme in der Ökumene bestünden jedoch nicht nur zwischen der katholischen Kirche und den anderen Konfessionen, sondern auch zwischen den anderen Kirchen. Aber: „Wenn in der katholischen Kirche etwas schiefgeht, schreien Katholiken und Protestanten gemeinsam. Wenn in den evangelischen Kirchen etwas schiefgeht, schweigen Katholiken und Protestanten gemeinsam.“

Lob für die Stiftung „Pro Oriente“

Kardinal Koch ist im Vatikan für die Ökumene zuständig. Der von ihm geleitete Rat führt 16 Dialoge mit 16 verschiedenen Kirchen. Beim Gespräch mit den Orthodoxen geht es vor allem um den Papst und seine Rolle. Der Dialog wurde vor zwölf Jahren abgebrochen, inzwischen aber unter Papst Benedikt XVI. bald nach dessen Wahl 2005 wieder aufgenommen. Ausdrücklich lobte er dabei die Rolle der 1964 in Wien gegründeten Stiftung „Pro Oriente“. Sie könne dazu beitragen, dass der Konsens unter den Orthodoxen wachse. Unter den Protestanten sei zuletzt ein starker Zuwachs bei der Pfingstbewegung zu verzeichnen. „Das verändert die Ökumene“, sagt der Kardinal. Diese Bewegungen seien besonders kritisch gegenüber Rom. „Wir können ihnen den Dialog nicht aufzwingen.“ Kontrovers werden zudem ethische Fragen behandelt, die sich immer mehr in den Vordergrund drängen, verlautete vor Kurzem aus dem Rat. Von den Protestanten wolle man nicht nur die letzten 500, sondern 2000 Jahre Kirchengeschichte interpretiert wissen.

Auffallend waren zuletzt die Übertritte ganzer anglikanischer Gemeinden zum Katholizismus. Was sagt Koch als Präsident des Ökumene-Rates zum Vorwurf des gegenüber Rom sehr kritischen Theologen Hans Küng, Papst Benedikt XVI. würde hier im Trüben fischen? „Das stimmt nicht. Diese Gläubigen waren längst nicht mehr im Wasser. Der Papst hat die Pflicht, Türen zu öffnen. Und die Anglikaner können ihre eigene Liturgie zu uns mitnehmen.“ Es gehöre zum ökumenischen Dialog, dass man sich neu kennenlerne. Er sei eine Bereicherung, zwinge zur Ehrlichkeit, man müsse sich auf das Eigene besinnen.

In Bezug auf das Zweite Vatikanische Konzil, bei dem die katholische Kirche vor 50 Jahren damit begonnen hatte, ihre Türen zu öffnen, rät Koch zur Gelassenheit: „Wir brauchen einfach mehr Zeit. Grundbedingung ist die Geduld, die (der französische Autor) Charles Péguy die ,kleine Schwester der Hoffnung‘ genannt hat. Das Konzil war ein rasanter Start, bis heute ist der Zielflughafen nicht erreicht. Aber der Pilot ist der Heilige Geist. Er hat diesen Flug gewollt und wird ihn auch zu Ende führen.“

Heute, Montag, den 23. April, hält Kardinal Kurt Koch im Großen Festsaal der Universität Wien einen Vortrag über „Ökumene im Wandel“ (18 Uhr, Dr.-Karl-Lueger-Ring 1), im Rahmen des Symposiums „Erinnerung an die Zukunft“ (ab 15 Uhr, Hörsaal 47).

Ein Schweizer im Vatikan

Kardinal Kurt Koch wurde 1950 im Kanton Luzern geboren. Studium der Theologie in Luzern und München, Priesterweihe 1982, Habilitation 1989. Professor für Dogmatik und Liturgiewissenschaft in Luzern. 1995 bis 2010 Diözesanbischof von Basel. Seit Juli 2010 Erzbischof und Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen. [EPA / Peter Schneider]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2012)

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