Die (fast) unsichtbare Religion

Der Dalai-Lama war da – aber wo sind Österreichs Buddhisten? Zwischen 3000 und 25.000 soll es im Land geben. Warum die Suche nach Gläubigen schwierig ist.

Gerhard Weissgrab führt ein höchst widersinniges Amt. Der 60-Jährige, der beruflich im Rechnungswesen der Erste Bank beschäftigt ist, ist Präsident der Österreichischen Buddhistischen Religionsgemeinschaft (ÖBR) – und damit der höchste Repräsentant jener Religion, die durch den Besuch des Dalai-Lama in Österreich, der gestern mit einer Großveranstaltung auf dem Wiener Heldenplatz ihren Abschluss gefunden hat, einen ihrer seltenen Momente im Rampenlicht genießen durfte.

Aber mit der Vereinsmeierei, geschweige denn mit der starren Hierarchie einer Kirche, hat es der Buddhismus nicht besonders – und so kommt es, dass Weissgrab auf die Frage, wie viele Buddhisten es in Österreich gebe, gleich drei Antworten anbieten kann: „Wenn man das offiziell eingetragene Religionsbekenntnis hernimmt, sind es 3000 Buddhisten.“ Tatsächlich gehe es in der in viele Denkschulen unterteilten Religion – die stärkste in Österreich ist die tibetisch geprägte Vajrayana-Philosophie – nicht um das bei staatlichen Stellen angegebene Religionbekenntnis, sondern um ein „Zugehörigkeitsgefühl“ zum „Dharma“, der Lehre der Religion.

Das sei der Grund, dass die Zahl der Buddhisten in Österreich wesentlich höher sein dürfte als die jener, die als solche registriert sind: Bei der vorletzten Volkszählung 2001 bekannten sich 10.800 Menschen zu der Religion (bei der „Registerzählung“ 2011 wurde das Bekenntnis nicht mehr erfasst), Weissgrab schätzt die tatsächliche Zahl aber noch höher ein – „etwa bei 20.000 bis 25.000 Menschen“.


Keine Missionare. Weil der Buddhismus keinerlei missionarische Arbeit in Europa geleistet habe und somit vor allem über Forscher und Auswanderer aus Asien gekommen sei – die es faktisch erst in den vergangenen 100 Jahren gegeben habe –, ist seine Präsenz in Österreich eine relativ junge Erscheinung, heißt es von der Religionsgemeinschaft, der Weissgrab in seiner zweiten fünfjährigen Amtsperiode vorsteht. Eine „Religion ohne Gottesglauben und ohne Dogmatismus“ sei der Buddhismus – was aus westlicher Perspektive fremd und eigenartig anmute.

Umso bemerkenswerter, dass ausgerechnet Österreich dem Buddhismus als erstes europäisches Land im Jahr 1983, in den letzten Tagen der Regierung Kreisky, den Status einer staatlich anerkannten Religionsgemeinschaft verliehen hat. Im selben Jahr wurde auch das sichtbarste Zeichen der Religion im Land vollendet: der Stupa (ein Meditationstempel) nahe dem Wiener Hafen – finanziert durch Spenden aus aller Welt, denn einen „Kirchenbeitrag“ gibt es in der Religion nicht.

Insgesamt gibt es rund 70 buddhistische Tempel in Österreich, vor allem in Wien und Salzburg, wo die meisten der in der ÖBR organisierten Mitglieder leben – wobei „Tempel“ etwas hochgegriffen klingt, wenn man bedenkt, dass sich die meisten davon in privaten Wohnungen befinden. Das passt in das Bild einer Religion, die sich in erster Linie als Privatsache begreift.

Aus diesem Weltbild heraus war es für Österreichs Buddhisten ein Schock, als Anfang Februar dieses Jahres bei einer Volksbefragung im niederösterreichischen Gföhl der Bau des größten Stupas Europas verhindert wurde, erzählt Elisabeth Lindmayer, Sprecherin des Projekts: „Es ist unfassbar, welche Steine uns da in den Weg gelegt worden sind.“ Vor allem der BZÖ-Abgeordnete Ewald Stadler trat öffentlich als Gegner des „Götzentempels“ in der Waldviertler Gemeinde auf – die Bürger folgten ihm und stimmten mit 67Prozent gegen das Projekt.

Der koreanische Mönch Bop Jon Sunim, der den Stupa-Bau initiiert hat, habe sich dadurch aber nicht entmutigen lassen, sagt Lindmayer. „Als die Tür in Gföhl zugeschlagen worden ist, sind viele andere aufgegangen“, verweist die Wienerin darauf, dass das Projekt eines großen Stupas in Österreich noch nicht vom Tisch sei. „Wir haben bereits mehrere neue Standorte im Auge“, sagt Lindmayer – aber nach den Erfahrungen in Gföhl wolle man mit Ankündigungen vorsichtig sein.

Bis es so weit ist, werden die österreichischen Buddhisten wohl weiterhin still und unter sich bleiben – und im Hintergrund feiern. Etwa heute Abend, wenn in der Pagode am Handelskai ab 16 Uhr das höchste Fest der Religion, das Vesakh-Fest, ansteht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2012)

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