Wiener Kirchenreform: Kritik am Zeitplan, Schönborn ruft zu Gipfel

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Symbolbild(c) APA/ROBERT JAEGER (ROBERT JAEGER)
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Zunächst sollen im bevölkerungsstärksten Bezirk Favoriten Pfarren zusammengelegt werden – dann folgt der Rest der Erzdiözese.

Es ist unbestritten die größte Kirchenreform der Erzdiözese Wien seit vielen Jahrzehnten. Nein, Kardinal Christoph Schönborn schwenkt nicht auf die Linie von Helmut Schüllers Pfarrerinitiative ein. Im Gegenteil. Es geht um eine Strukturreform der gänzlich anderen Art. Um eine Zusammenlegung von Pfarren angesichts Priestermangels, Katholikenrückganges und daraus resultierenden Finanzengpasses. Genau das wollen Schüller und seine streitbaren Mitbrüder verhindern.

Für den 22. Juni hat Schönborn nun eine große Zusammenkunft der wichtigsten Mitarbeiter der Erzdiözese einberufen. Ungefähr 250 Priester, Diakone und Laien aus Bischofs-, Priester-, Pastoral-, Vikariatsrat sollen über den Stand der Dinge informiert werden. Und selbst auch Feedback geben. Die Vorgaben für die Reform sind durchaus ambitioniert: Zunächst soll in Favoriten keine der Pfarren weniger als 4000 Mitglieder haben. Der Verkauf von Kirchen wird nicht ausgeschlossen.

Bis Ende des Jahres müssen konkrete Vorschläge auf dem Tisch liegen. Ob die Reformen aber tatsächlich bis Ende 2013 wie vorgesehen implementiert werden, wird in manchen Pfarren bezweifelt. Ende vergangener Woche wurden die Ideen und Vorstellungen der einzelnen Pfarren zusammengetragen und sollen in den Zwischenbericht einfließen, der anschließend an die Diözese übermittelt wird. Der Bericht enthält laut Franz Herz, Pfarrer von St. Anton von Padua und mit der Koordination der Reform in Favoriten betraut, erste Ideen, grundlegendes Zahlenmaterial – aber noch keine konkreten Vorschläge: „Dafür ist die Zeit viel zu kurz.“ Zudem gehe der Veränderungsprozess für manche insgesamt zu schnell.

Es ist genau diese Zeitfrage, die in manchen Pfarren für Verunsicherung sorgt. In anderen Worten: „Ich glaube nicht, dass wir den Zeitplan einhalten können“, sagt ein Pfarrer, der anonym bleiben möchte, der „Presse; „der große Durchbruch ist uns noch nicht gelungen“. Auch für Christoph Pfann, Pfarrer der Kirche Emmaus am Wienerberg, war die Zeit zu kurz, um „wirklich seriöse Ergebnisse zu liefern“.

Bisher habe man keine wirklichen Vorschläge eingebracht, die Verbesserungen oder Einsparungen bringen würden, meint Pfann. Selbst das Datenmaterial, das am Donnerstag zusammengetragen wurde, müsse erst nachgeprüft bzw. korrigiert werden. Als „chaotisch“ wolle er den laufenden Prozess zwar nicht bezeichnen, aber „ich kann nicht in vier, fünf Monaten eine ganze Kirche neu strukturieren“. Bis es so weit ist, heiße es für seine Pfarre: „Business as usual“.

Bischofsvikar Dariusz Schutzki beruhigt indessen: „Wir haben einen straffen Zeitplan. Aber wir sind absolut in time.“ Und: „Natürlich gibt es Sorge, wie das weitergehen wird. Aber unsere Pfarren sind realitätsbewusst. Sie verschließen vor den Entwicklungen nicht die Augen.“ Positiv ist für ihn der „missionarische Eifer“ auch der ehrenamtlichen Mitarbeiter und der Wille, über Pfarrgrenzen hinweg ins Gespräch zu kommen. Die Reform sei auch für die Diözsesanleitung ein Lernprozess: „Ohne Schmerzen wird es nicht gehen.“ Und bisher, sagt Pfarrer Herz, hätte niemand gesagt: „Ich steige aus.“

chronik@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.05.2012)

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