Kirchenstaat blockt Ermittlungen gegen Vatikanbank ab

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Die Staatsanwaltschaft Rom will einen Geldwäscheverdacht gegen die päpstliche Hausbank, das sogenannte „Institut für Religiöse Werke“ (IOR), klären. Doch der Vatikan wehrt sich gegen eine "Einmischung".

Rom. Keine Schnüffeleien! Mit einer ebenso knappen wie entschiedenen Erklärung will der Vatikan verhindern, dass italienische Staatsanwälte intensiver gegen die päpstliche Hausbank, das sogenannte „Institut für Religiöse Werke“ (IOR), ermitteln. Man sei ein souveräner Staat, dessen international garantierte Rechte eingehalten werden müssten, stellt der Vatikan fest.

Die Angst kommt nicht von ungefähr. Den italienischen Ermittlern nämlich hat sich eine einzigartige Informationsquelle aufgetan: Bei einer Durchsuchung von Haus und Büro des gefeuerten IOR-Chefs Ettore Gotti Tedeschi sind den Staatsanwälten 47 Ordner mit Material in die Hände gefallen, unter anderem ein etwa 200-seitiges Dossier, in dem der frustrierte Banker sein Wissen aus dem Inneren der Vatikanbank zusammengefasst hatte. Mit diesem Papier wollte Gotti Tedeschi sich gegen seine Entlassung vor drei Wochen wehren; es sollte an den Papst und – „für den Fall, dass mir etwas zustößt“ – an einen Zeitungsjournalisten gehen.

Die Staatsanwaltschaft Rom hofft nun, dank dieser Aufzeichnungen einige Schwarzgeldaffären klären zu können. Im Zuge der Ermittlungen hat sie bereits einmal 23 Mio. Euro der Vatikanbank beschlagnahmt: Herkunft und Zweck dieser Gelder seien nach den internationalen Regeln gegen Geldwäsche nicht hinreichend belegt, hieß es damals, im September 2010. Um größeren Imageschaden abzuwenden, eilte Gotti Tedeschi seinerzeit zur römischen Staatsanwaltschaft. Er wollte für Transparenz sorgen, eventuell auch über geheimnisumwitterte anonyme Konten beim IOR reden. Genützt hat es nicht viel: Die Millionen blieben zehn Monate gesperrt. Italien gab sie erst frei, als der Vatikan sich ein strenges Gesetz gegen Geldwäsche auferlegte.

Gotti Tedeschi aber begann damals, in Ungnade zu fallen. Die Chefpolitiker im Vatikanstaat nahmen es ihm übel, dass er so freimütig mit den Ermittlern eines anderen Staates zusammengearbeitet hatte.

Millionen vor Steuerfahndung versteckt

Der Vatikan konnte damals aber auch nicht so tun, als sei nichts gewesen. Und so feuerte er Angelo Balducci, der den honorigen Titel eines „Ehrenmanns Seiner Heiligkeit“ trug. Oberster Berater des Vatikans in Immobilien- und Anlagefragen und gleichzeitig Chef der italienischen Behörde für alle staatlichen Aufträge, hatte Balducci mit römischen Bauunternehmern gekungelt und – den Ermittlungen nach – etliche Millionen vor den italienischen Steuerfahndern bei der Vatikanbank versteckt.

Gotti Tedeschi behauptet, er habe Licht in das düstere Kontenwesen bringen wollen, sei aber von IOR-internen „Feinden“ blockiert worden. Hingegen wiederholt der Vatikan, der Bankpräsident sei gefeuert worden, weil er als Chef versagt habe: „Transparenz liegt dem Heiligen Stuhl am Herzen.“

Gleichzeitig sind wieder einmal drei interne Briefe an die Öffentlichkeit gelangt. Darin bekunden Mitglieder des IOR-Verwaltungsrats ihre Besorgnis über den Zustand der Vatikanbank. So schreibt der frühere Generalbevollmächtigte der Deutschen Bank und heutige Interimspräsident des IOR, Ronaldo Hermann Schmitz, die Situation habe sich „derart verschlimmert, dass ich eine unmittelbare Gefahr befürchte“. Gotti Tedeschi sei als IOR-Präsident „ungeeignet, das Institut in so schwierigen Zeiten zu führen“, schreibt ein anderes Vorstandsmitglied, der Amerikaner Carl Anderson. Bemerkenswert, dass beide ihren Präsidenten nicht anklagen, die Bank in diese Situation gebracht zu haben; sie sagen nur, er sei ihr nicht gewachsen. Wer die Schuldigen sind, bleibt offen.

Maulwürfe graben weiter

Beispielhaft für die Schlammschlacht, die im Vatikan tobt, ist die Veröffentlichung des dritten Briefs. In ihm befindet ein Psychiater, Gotti Tedeschi sei „egozentrisch, narzisstisch, teils von der Wirklichkeit abgehoben“ und leide an einer „psychopathologischen Störung“. Zu dieser Analyse ist der Psychiater nicht bei einer Untersuchung gekommen, sondern nach einem Weihnachtsempfang, bei dem er neben Gotti Tedeschi saß.

Eins ist sicher: Der Schmuggel dieser Briefe nach draußen kann nicht auf das Konto von Paolo Gabriele gehen. Benedikts Butler schmachtet seit drei Wochen in einer Zelle der Vatikan-Gendarmerie; jene Maulwürfe aber, die Dokumente klauen und sie den Medien zuspielen, sind weiter aktiv.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.06.2012)

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