Uruguay: Wenn der Staat zum Drogendealer wird

Uruguay Wenn Staat Drogendealer
Uruguay Wenn Staat Drogendealer(c) REUTERS (STRINGER)
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Die Regierung von Uruguay will den Anbau und Vertrieb von Cannabis selbst regeln. Durch das staatliche Monopol sollen den Rauschgiftbanden Einnahmen entzogen werden.

Einen Joint aus der Trafik? In Uruguay soll das Usus werden. Wie die Regierung des 3,5-Millionen-Einwohner-Landes vor Kurzem bekannt gab, soll schon bald ein staatliches Monopol den Anbau von Cannabis kontrollieren und den Vertrieb übernehmen.

Die Marihuana-Zigaretten sollen mit Nummern und anderen Erkennungsmerkmalen ausgestattet sein. Bis zu vierzig Stück dürfen die Uruguayer pro Monat offiziell kaufen, jedoch müssen sie sich dafür registrieren lassen und bei jedem Kauf den Personalausweis vorzeigen. An Ausländer und Minderjährige wird nichts abgegeben. Das mit dem Drogenverkauf eingenommene Geld soll in Drogenprävention und -therapie fließen.

Verbot macht mehr Probleme

Der Staat als Dealer? „Das Verbot bestimmter Drogen bereitet unserem Land größere Probleme als die Rauschmittel selber“, erklärte der Verteidigungsminister Eleuterio Fernández Huidobro, der die Maßnahme als Teil eines 15-Punkte-Gesetzespaketes zur Verbrechensbekämpfung vorstellte. Und darum geht es dem uruguayischen Staat: Er will den Narco-Banden einen Teil ihrer Einnahmen nehmen.

Auf 75 Millionen Dollar schätzte der Minister den Jahresumsatz des Marihuana-Handels in dem kleinen Land, wo nach Umfragen etwa 150.000 Menschen regelmäßig Hanfblätter rauchen – in Südamerika werden fast ausschließlich die getrockneten Blätter konsumiert, die in Europa vertriebene Haschischpaste ist nicht üblich. Die Gewinne aus dem Drogenhandel werden in dem Finanzsystem des kleinen Landes gewaschen, was die legale Wirtschaft unterwandert und verzerrt. Der Minister verwies auf die „dramatische Situation“ in anderen Ländern der Hemisphäre wie Mexiko, Kolumbien, Brasilien und den Staaten Mittelamerikas. „Wir wollen nicht, dass es auch in Uruguay so weit kommt.“

Seitdem sich in den vergangenen Jahren die so genannte „Pasta Base“, ein hochtoxisches Abfallprodukt der Kokainherstellung, in den Armenviertel von Montevideo einnistete, ist die Beschaffungskriminalität massiv gestiegen. Im vergangenen Jahr gab es mehrere Morde und Schießereien im Drogenmilieu – Szenen, die Uruguayer bislang nur aus den Auslandsnachrichten kannten.

Deshalb schnürte die regierende Linkskoalition nun das 15-Punkte-Gesetzespaket. Dieses ermöglicht es, künftig den Handel mit der crackähnlichen „Pasta Base“ wesentlich härter zu bestrafen. Mit der Regulierung von Marihuana will die Regierung Schnittstellen kappen. Wer bislang Marihuana kaufen wollte, musste in die Illegalität gehen und bekam dort alle Arten von Rauschgift angeboten. „Diese Kette ist sehr schwer zu trennen“, sagt Senatorin Lucia Topolansky, die Frau des Präsidenten José Mujica.

„Einer muss den Anfang machen“

Der erntete von seinen Amtskollegen aus der Region ein geteiltes Echo. Während etwa Guatemalas Präsident Otto Pérez Molina, der seit Monaten öffentlich für eine Legalisierung aller Drogen wirbt, begeistert gratulierte, zeigte sich der kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos skeptisch: „Wenn ein Land legalisiert und die Nachbarn nicht, dann erzeugt das Verwerfungen, die das Problem nur noch verschlimmern“, sagte der Präsident des Landes, das weltweit zu den größten Kokainproduzenten zählt.

Uruguays José Mujica argumentiert, dass alle bisherigen Verbotsansätze kolossal gescheitert seien. „Einer musste den Anfang machen in Südamerika“, sagt José Mujica. „Uruguay ist ein kleines Land, wo manche Dinge einfacher zu bewerkstelligen sind.“

Auf einen Blick

Rund 230 Millionen Menschen weltweit haben im Jahr 2011 (die neuesten Zahlen, auf die der UN-Weltdrogenbericht Bezug nimmt) mindestens einmal eine illegale Droge konsumiert – das sind fünf Prozent der zwischen 15- und 64-Jährigen. Die Zahl der Drogenabhängigen beträgt 27 Millionen (ca. 0,6 Prozent der Erwachsenen).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2012)

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