Nach dem Amoklauf von Denver wird in den USA wieder einmal über strengere Waffengesetze debattiert. Ändern wird sich, wie so oft, nichts. Im Wahljahr wäre es politischer Selbstmord.
Wien/Washington. Als im Februar im Washingtoner Marriott Hotel die „Conservative Political Action Conference“, das jährliche Klassentreffen des rechten Flügels der Republikaner, stieg, war der Vorwahlkampf der Grand Old Party gerade so richtig heißgelaufen. Die meisten Werbeartikel kamen allerdings nicht von einem der vier Kandidaten, weit gefehlt. Der klare Sieger beim Rennen um Sichtbarkeit war die Waffenlobby NRA, die die Konferenz mit ihren Geschenktaschen geradezu geflutet hatte.
Wie nach jedem Amoklauf tauchten auch diesmal, nach der Bluttat bei der „Batman“-Premiere im US-Bundesstaat Colorado in der Nacht auf Freitag, Forderungen auf, die liberalen Waffengesetze einzuschränken. Wenn es trotzdem eine sichere Wette ist, dass sich auch diesmal nichts ändern wird, liegt das auch an der unermüdlichen Lobbyarbeit der NRA, einer Organisation, die mit Slogans wie „Nimm eine Waffe in die Hand, und Du wirst vom Untertan zum Bürger“ durchs Land tourt.
„Kein Waffengesetz der Welt hätte diesen Irren von seinem abscheulichen Verbrechen abhalten können“, kocht der republikanische Politstratege Tom Korologos in der Debatte auf der Internetseite der Zeitung „Politico“ ein beliebtes Argument auf. Noch stärker verdeutlicht der Beitrag von Diana Furchtgott-Roth, Ex-Beraterin von Ex-Präsident George W. Bush, die Mainstream-Meinung in den USA: Wären Waffen in dem Kino nicht verboten gewesen, dann hätte jemand aus dem Publikum den Attentäter rasch erschossen.
Demokraten gaben auf
Die Demokraten waren einst für strengere Regeln. Sie haben längst die Waffen gestreckt. Die Gesetze verschärfen zu wollen wäre politischer Selbstmord mit Anlauf, zumal im Wahljahr. Ein strenges Gesetz käme nie durch den Kongress, auch viele demokratische Abgeordnete würden aus Angst um ihre Wiederwahl dagegen stimmen. Auf dieser Linie war auch Gabrielle Giffords, die 2011 selbst Opfer eines Attentats wurde.
Präsident Barack Obama, der im Wahlkampf davon gesprochen hatte, Sturmgewehre wieder – wie es bis 2004 geltendes Recht war – zu verbieten, rührte keinen Finger. Und so hatte seine Wahl im November 2008 nur einen Effekt: Der Verkauf von Feuerwaffen stieg in einer Art kollektiver Torschlusspanik sprunghaft an, der NRA rannten Neumitglieder die Türen ein.
Beim Thema Waffenbesitz wird auch klar, was Susan Watson meint, wenn sie ihre „Amerikanische Bürgerrechtsunion“ ACLU als „konservativste Organisation der USA“ beschreibt. An sich vertritt die ACLU durchwegs Positionen, die man im US-Spektrum als links bezeichnen kann. Als Argumentationshilfe beruft sie sich oft auf die Verfassung und die „Bill of Rights“, beide aus dem späten 18.Jahrhundert. Die ACLU legt sie fundamentalistisch aus. Dieses Verfahren, beim Thema Waffen angelegt, ergibt eine klar konservative Position, die laut Umfragen allerdings von jenen 55Prozent der US-Amerikaner geteilt wird, die nichts an den bestehenden Gesetzen ändern wollen. Für viele hat der zweite Verfassungszusatz, der – unter dem Eindruck des Unabhängigkeitskrieges – das „Recht, Waffen zu tragen“, verbrieft, fast religiöse Bedeutung. Zumindest gehört er fest zum amerikanischen Selbstverständnis. Zahlen wie jene des FBI, der zufolge 2010 im Schnitt ein Mensch pro Stunde mit einer Schusswaffe ermordet wurde, können daran nichts ändern.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.07.2012)