Rekordversuch: "Baumgartner hat Fifty-fifty-Chance"

(c) AP (Joerg Mitter)
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Die größten Risken bei Baumgartners Sprung aus 36 Kilometer Höhe sind mögliche Schäden am Raumanzug und unkontrolliertes Trudeln während des Falls. Der Extremsportler hat sich darauf fünf Jahre lang vorbereitet.

Roswell/Wien. Fünf Jahre lang hat er sich vorbereitet, am Dienstag soll es so weit sein: Um 14 Uhr MESZ will der Salzburger Extremsportler Felix Baumgartner in einer Raumkapsel von Roswell, New Mexico, abheben und danach in 36.576 Meter Höhe abspringen. Der 43-Jährige will der Erste sein: Nur durch einen Raumanzug geschützt, soll er im freien Fall die Schallmauer durchbrechen und mit bis zu 1200 km/h zurück Richtung Erde rasen. Läuft alles wie geplant, könnte er knapp 4300 Meter mit dem Kopf voran zurücklegen, bis er schließlich von dichterer Atmosphäre abgebremst wird.

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Doch in der extremen Höhe lauern zahlreiche Gefahren. Verlässt Baumgartner die Raumkapsel 36 Kilometer über der Erdoberfläche, befindet er sich in der Stratosphäre – dort ist die Luft extrem dünn und bietet auch keinen Widerstand. Sein Raumanzug dürfte ihn zwar vor der extremen Kälte von minus 60 Grad schützen, die größte Gefahr ist jedoch der „Flat Spin“, das sind unkontrollierte Drehungen im freien Fall. „Wenn man im Raum ohne Luftwiderstand eine Bewegung einleitet, dann setzt sie sich fort“, erklärt Wolfgang Köstler von der österreichischen Akademie für Flugmedizin. „Das Drehen in eine Richtung ist eine extreme Belastung für Kreislauf und Hirn, die zur Bewusstlosigkeit und sogar zum Tod führen kann.“

Vom Aufstieg zum freien Fall

Felix Baumgartner wird am heutigen Dienstag bei seinem Sprung aus einer Raumkapsel aus 36.576 Metern Höhe versuchen, die Schallmauer im freien Fall zu durchbrechen. Gefahren lauern dabei sowohl beim Aufstieg als auch im freien Fall.

>> Mehr: Die Zahlen zum Rekordsprung

Bewusstlos Richtung Erde

Eine Kostprobe davon, was es bedeutet, mit einer Drehgeschwindigkeit von etwa 300 Kilometern die Stunde Richtung Erde zu rotieren, bekam der damalige Testpilot der US-Airforce Joseph Kittinger bei Vorbereitungen zu seinem Sprung aus 31.333 Metern im Jahr 1960. Zuvor war Kittinger bei einem Testsprung ins Trudeln geraten, die Fliehkraft war so stark, dass er seine Arme nicht mehr anziehen konnte, um sein Höhenmessgerät zu überprüfen. Kittinger wurde ohnmächtig, sein Fallschirm öffnete sich automatisch.

Auch Baumgartners Schirm wird sich von allein öffnen, doch verhindert dies keine Langzeitfolgen durch den Spin. „Es könnten schwere Störungen entstehen, die bleiben könnten“, sagt Köstler. Bei seinem Testsprung aus 29,6 Kilometer Höhe schaffte Baumgartner es zwar, einen Spin zu vermeiden, doch „sieben Kilometer mehr machen dort oben einiges aus“, sagt Köstler: Die Wahrscheinlichkeit des Trudelns sei noch größer.

Die zweite große Gefahr ist, dass Baumgartners Raumanzug der Schallgeschwindigkeit nicht standhält: Das kleinste Loch im Material und Baumgartners Blut würde durch den geringen Luftdruck zu sieden beginnen. Ob der spezielle Raumanzug der Belastung durch die Geschwindigkeit standhalten wird, weiß niemand.

Gigantisches Marketingprojekt

„Baumgartner hat eine Fifty-fifty-Chance, dass alles gut geht“, schätzt Köstler. „Er hat ein gutes Team, aber es gibt viele Unbekannte, die man nicht kalkulieren kann“, sagt der Experte. Über Red Bulls PR-Maschinerie wird zwar immer wieder betont, dass der Versuch wertvolle wissenschaftliche Erkenntnisse für die Weltraumfahrt liefern könnte, doch handelt es sich in erster Linie um ein gigantisches Werbe- und Marketingprojekt. Überlebt Baumgartner den Sprung, ist es der größte Erfolg in einer Reihe von Red-Bull-gesponserten Events rund um den Extremsport. „Es wäre eine Sensation“, sagt Köstler, „vor allem für Baumgartner.“

Der zeitplan (MESZ)

- 7 Uhr - Vorbereitung und Auslegung des Ballons.
- 14 Uhr - Startfenster öffnet sich
- Der Aufstieg dauert etwa drei Stunden
- ca. 18 Uhr - Absprung aus der Kapsel
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.10.2012)

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