Extremer geht es kaum: Baumgartner hört nun auf

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Felix Baumgartner will sich nach seinem Vierfach-Weltrekord vom Extremsport zurückziehen. Ob sein Sprung aus der Stratosphäre wissenschaftliche Erkenntnisse liefert, ist umstritten.

Roswell/Wien. „Es ist wirklich hoch, eine kleine Welt“, soll Felix Baumgartner gesagt haben, bevor er sich in 39 Kilometern Höhe aus der Kapsel stürzte. Seine Worte waren zwar kaum zu verstehen, doch Baumgartner schaffte bei einer Pressekonferenz am Montag Klarheit: „Ich weiß, die ganze Welt sieht im Moment zu und ich würde mir wünschen, dass die Welt sieht, was ich gerade sehe“, wiederholte er seine Botschaft. „Manchmal muss man ganz hoch aufsteigen, um zu sehen, wie klein man ist.“

„Die Presse“ beantwortet die wichtigsten Fragen rund um den Stunt Felix Baumgartners.

1. Wie viele Rekorde hat Felix Baumgartner aufgestellt?

Baumgartner hat vier Weltrekorde aufgestellt: Zunächst die höchste bemannte Ballonfahrt (39.045 Meter). Dem Salzburger gelang auch der höchste Absprung. Damit hat er den Rekord seines Mentors Joe Kittinger von 1960 übertroffen – der sprang aus 31.332 Metern ab. Der 43-Jährige schaffte auch beim längsten freien Fall eine Höchstleistung: Mit einer zurückgelegten Distanz von 36.500 m brach er den Rekord des Russen Jewgeni Andrejew von 1962, der 24.500 m im freien Fall zurückgelegt hatte. Baumgartner stellte mit 4 Minuten 19 Sekunden auch einen Rekord für den längsten freien Fall ohne Stabilisierungsfallschirm auf: Kittinger war im Jahr 1960 zwar vier Minuten und 36 Sekunden im freien Fall gen Erde unterwegs gewesen, allerdings mit einem Bremsfallschirm. Sein Sprung dauerte trotz geringerer Höhe länger.

2. Ist Baumgartner der Erste, der mit Überschallgeschwindigkeit fiel?

Streng genommen: Nein. „Es sind schon viele Piloten bei vier- oder fünffacher Schallgeschwindigkeit mit dem Schleudersitz aus einem Flugzeug ausgestiegen. Da sah man schon, was mit dem Körper passiert“, sagt Werner Gruber vom Institut für Experimentalphysik an der Uni Wien. Nachdem die Piloten sich aus der Maschine katapultierten, erklärt Gruber, fielen sie noch relativ lange mit Überschallgeschwindigkeit. Allerdings ist Baumgartner der Erste, der diese Geschwindigkeit durch den freien Fall alleine erreichte.

3. Öffnete Baumgartner den Fallschirm früher als geplant?

Unwesentlich früher: Baumgartner öffnete den Fallschirm auf 5200 Fuß (1585 Meter Höhe), also fast so wie ursprünglich geplant auf 5000 Fuß (1524 Meter). Der Extremsportler legte derart an Geschwindigkeit zu, dass er in nur 4:19 Minuten diese Höhe erreicht hatte. Baumgartner sollte genug Zeit haben, um im Notfall den Reservefallschirm öffnen zu können.

4. Welche Erkenntnisse liefern die technischen Daten?

Baumgartner trug während der ganzen Mission eine Reihe von Messgeräten, deren Daten nun analysiert werden. Neben den GPS-Daten kann jetzt untersucht werden, wie der körperliche Zustand des teils schwer atmenden Baumgartner vor seinem Sprung und während des freien Falles war: Herzfrequenz, Respiration, Körpertemperatur und wichtige Körperfunktionen. „Wie man diese Höhe aushält und ob man da funktionstüchtig und stabil bleibt, das war ein eigenes Experiment“, sagt Wolfgang Köstler von der österreichischen Akademie für Flugmedizin. Nun wisse man, welche Vorkehrungen man treffen müsse, damit das Blut bei der geringen Luftdichte nicht zu kochen beginnt und keine Embolien auftreten. „Ob diese Erkenntnisse die Welt revolutionieren werden, sei dahingestellt“, sagt Köstler. Doch zumindest wisse man jetzt, wie viel Sauerstoff man für so eine Mission benötige und wie schnell man aus so einer Höhe falle.

5. Wann werden Baumgartners Rekorde offiziell anerkannt?

Weil Baumgartner Österreicher ist, werden die in New Mexico gesammelten Daten zuerst an die „Oberste Nationale Flugsportkommission“ (ONF) nach Wien geschickt – mit der Post. Nachdem die ONF die Rekorde überprüft hat, werden die Unterlagen an den internationalen Luftsportverband „Federation Aeronautique Internationale“ gesendet. Er stellt die Diplome aus und bestätigt die Rekorde offiziell. Michael Gaisnacher von der ONF schätzt, dass bis dahin etwa zweieinhalb Monate vergehen werden.

6. Was hat Baumgartner als nächstes vor?

Kurz nach dem Stratos-Sprung erklärte Baumgartner, dass dieser sein letzter gewesen sein soll – er habe seiner Freundin versprochen, sich aus dem Extremsport zurückzuziehen. In Zukunft wolle er als Hubschrauberpilot in Kalifornien und bei der Bergwacht in Österreich arbeiten. Es sei an der Zeit, den Stab an die nächste Generation weiterzugeben. Er könne sich vorstellen, in einigen Jahren an Joe Kittingers Stelle zu sitzen – und seinerseits einen jungen Rekordbrecher zu betreuen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2012)

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