US-Schulmassaker: Kinder mit bis zu 11 Schüssen getötet

NewtownMassaker Vater Amoklaeufer entsetzt
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Nach dem Amoklauf an einer US-Schule werden immer mehr grausige Details bekannt. Der Vater des Täters und Eltern der Opfer gehen an die Öffentlichkeit. US-Präsident Obama reist zu einer Trauerfeier nach Newtown.

Trauer, Entsetzen und eine neue Debatte über ein schärferes Waffenrecht: Nach dem Schulmassaker von Newtown steht Amerika unter Schock und sucht verzweifelt nach Erklärungen. Eltern der erschossenen Kinder und der Vater des Täters wandten sich in ihrem Schmerz an die Öffentlichkeit. Gerichtsmediziner zeigten sich erschüttert darüber, wie grausam die 20 Schulkinder und sechs Erwachsenen erschossen wurden. US-Präsident Barack Obama wollte den Trauernden persönlich beistehen und am Sonntagabend (Ortszeit) in Newtown auf einer Gedenkfeier sprechen.

Bis zu elf Mal schoss der Täter auf die zwölf Mädchen und acht Buben im Alter von sechs und sieben Jahren, auf vier Lehrerinnen, die Direktorin und die Schulpsychologin. Vor dem Massaker an der Sandy-Hook-Volksschule soll er seine Mutter erschossen haben, nach der Bluttat beging er offenbar Suizid.

Die Toten in der Schule hätten "verheerende Verletzungen" aufgewiesen, sagte der leitende Gerichtsmediziner H. Wayne Carver am Samstagabend sichtlich erschüttert: "Es ist das schrecklichste, das ich in mehr als 30 Berufsjahren gesehen habe. Und für meine Kollegen gilt das gleiche."

"Es ist eine schreckliche Tragödie"

Der Vater eines erschossenen sechsjährigen Mädchens äußerte sich in einer bewegenden Rede vor Journalisten über seine Tochter. Emilie sei "klug, kreativ und sehr liebevoll" gewesen, erzählte der 30 Jahre alte Robbie Parker. "Es ist eine schreckliche Tragödie, und ich möchte, dass alle wissen, dass wir in unseren Herzen und Gebeten bei ihnen sind. Das gilt auch für die Familie des Schützen", sagte der dreifache Vater.

Der Vater des Amokläufers drückte den Angehörigen der Opfer sein tiefes Bedauern über die "enorme Tragödie" aus. In einer vom Sender CNN veröffentlichten Mitteilung erklärte er, dass seine Familie mit den Ermittlern eng zusammenarbeite. Sie seien schockiert und hätten keine Erklärung für die Tat.

Obama wollte nicht nur auf der Gedenkfeier sprechen, sondern auch Familien der Opfer treffen. Er hatte sich kurz nach der Bluttat vom Freitag in einer Ansprache auch als Vater von zwei Mädchen bestürzt gezeigt. An allen öffentlichen Gebäuden in den USA wurden die Flaggen auf Halbmast gesetzt. Weltweit bekundeten Politiker ihr Beileid. Papst Benedikt XVI. bezeichnete den Amoklauf als "sinnlose Tragödie".

Lehrer als Helden gefeiert

In den Medien wurden Lehrer und Angestellte der Schule als Helden gefeiert. Darunter war die Lehrerin Vicki Leigh Soto. Laut Medienberichten versteckte die 27-Jährige ihre Schüler noch in Schränken, bevor der Täter ins Klassenzimmer kam. Er erschoss die Lehrerin, die Kinder fand er nicht. Die britische Zeitung "Independent" widmete ihr am Sonntag die Titelseite.

Andere Lehrerinnen schilderten, wie sie die 20 schrecklichen Minuten des Amoklaufs erlebten. "Ich dachte die ganze Zeit nur: 'Wir sind die nächsten'", sagte Kaitlin Roig dem Sender ABC. Sie hatte sich mit ihren 15 Schützlingen in den Toilettenräumen der Schule versteckt, das Licht gelöscht und die Schüler angewiesen, mucksmäuschenstill zu sein. Als endlich alles vorüber war und ein Polizist kam, machte Roig ihm erst auf, als er seinen Ausweis unter der Tür durchschob.

Die Kinder, die die Bluttat miterlebten, werden vermutlich ihr ganzes Leben darunter leiden, sagte der Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Charite Berlin, Andreas Heinz. "Traumatisierungen sind besonders schwer, wenn man hilflos ist und die Gewalt gezielt ist. Ein Erdbeben, das alle gleichermaßen trifft und für das niemand etwas kann, verursacht viel weniger Traumatisierung als gezielte Gewalt."

In das Entsetzen über das Verbrechen drängt sich vor allem auch die Frage, warum der Täter in die Schule stürmte und Dutzende Male um sich feuerte. Welche Verbindung hatte er zur Sandy-Hook-Volksschule? Am Samstag wurde bekannt, dass entgegen ersten Berichten seine Mutter dort nicht als Lehrerin arbeitete. Unklar ist auch, ob der Täter selbst dort zur Schule gegangen war.

Die Mutter des Amokläufers war nach einem Bericht der "New York Times" eine Waffennärrin, die ihren Sohn zu Schießständen mitnahm. Die 52-jährige Frau besaß nach Informationen von Ermittlern fünf Waffen, die auf ihren Namen registriert gewesen seien. Darunter waren das halbautomatische Sturmgewehr und zwei Pistolen, mit denen ihr 20-jähriger Sohn das Massaker anrichtete. Die Frau sei seit 2008 geschieden gewesen und habe mit ihrem Sohn zurückgezogen in einem großen Haus in Newtown gelebt. Sie habe Schwierigkeiten gehabt, mit den psychischen Problemen ihres Sohnes fertig zu werden, schrieb das Blatt.

Aufschluss über das Motiv erhoffte sich die Polizei von Unterlagen, die im Wohnhaus des Todesschützen sichergestellt wurden. Er wird als klug, sehr scheu und introvertiert beschrieben. Laut Polizei verschaffte sich der Todesschütze gewaltsam Zutritt zur Schule. Erst vor kurzem wurde dort ein neues Sicherheitssystem installiert. Die Namen des Täters und der Mutter sollten nach Abschluss der Obduktion am Sonntag offiziell bekannt gegeben werden. Die Namen der anderen Opfer veröffentlichte die Staatspolizei von Connecticut am Samstag.

Das Massaker entfachte die Debatte über die US-Waffengesetze erneut. Obama forderte eine Verschärfung und "bedeutsames Handeln, um weitere Tragödien wie diese zu verhindern". Schätzungen gehen davon aus, dass mehr als 40 Prozent aller US-Haushalte über eine Schusswaffe verfügen. Waffengegner hoffen, dass Obama in seiner zweiten Amtszeit neue Gesetze auf den Weg bringen kann. Nach ähnlichen Massakern kam in den USA die Diskussion über strengere Gesetze allerdings immer nur kurz auf. Die Bevölkerung ist tief gespalten zwischen Befürworter strengerer Vorschriften und Gegnern. Amerikanische Politiker neigen dazu, das Thema zu vermeiden.

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