Ein echter Untergang: Der Kollaps der Maya

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Symbolbild(c) EPA (Elizabeth Ruiz)
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Die Maya hatten in ganz Zentralamerika eine ausgedehnte Hochkultur entwickelt. Kriege, Übernutzung der Natur und eine selbst gemachte Klimakatastrophe brachten die mächtige Kultur um das Jahr 900 zu Fall.

Im frühen neunten Jahrhundert war Tikal im heutigen Guatemala mit über 60.000 Einwohnern die größte Stadt in Amerika, die prunkvollste auch. Ein Teil des Reichtums kam von außen, man hatte gerade einen alten Rivalen niedergerungen, den Nachbarstaat Calakmul. Hundert Jahre später war Tikal fast menschenleer, nur fünf bis 15 Prozent der ehemaligen Bewohner hielten sich noch in den Ruinen. Und so erging es nicht nur dieser Metropole, überall in der Region verkamen ab dem Jahr 695 mächtige Städte/Staaten, mit den Maya ging es zu Ende, zumindest mit ihrer klassischen Periode. In der hatten sie in Zentralamerika – vom heutigen Mexiko bis Guatemala, Belize und Honduras – eine ausgedehnte Hochkultur entwickelt. Ein zentrales Reich allerdings nicht, es gab regionale Zentren wie Tikal und Calakmul, die einander jahrhundertelang mit Kriegen überzogen.

Begonnen hatten die Maya etwa 2600 vor Christus, ihr Aufstieg zur klassischen Periode kam im Jahr 250: Millionen bevölkerten die Region, bebauten sie mit dem Prunk der Tempel und Pyramiden, tauchten sie in Blut – nicht nur in den Kriegen, sondern auch in den Zeremonien der Kulte, in denen Menschen erst blau bemalt und dann geopfert wurden –, und entwickelten eine elaborierte Schrift und eine ausgefeilte Astronomie. Auf anderen Gebieten allerdings blieben sie zurück, vor allem bei der Grundlage von allem, der Landwirtschaft: Die Bauern mussten sich ohne Pflug und ohne Zugtiere auf ihren Äckern abrackern.

Das ging lange gut. Aber um das Jahr 900 war alles vorbei. Warum? Man ist auf Mutmaßungen angewiesen, weil die spanischen Konquistadoren bzw. ihre Priester fast alle schriftlichen Zeugnisse der Maya zerstörten. So konnten und mussten die Historiker auf die fast leere Projektionsfläche die jeweiligen Sichtweisen ihrer Zeit auftragen. Die konzentrierte sich in der Geschichtsschreibung der Mitte des 20.Jahrhunderts auf Kriege und soziale Konflikte als Triebkräfte der Weltgeschichte. Und so vermutete man auch hinter dem Untergang der klassischen Periode der Maya gewaltsame Auseinandersetzungen bzw. Invasionen der benachbarten Tolteken. Auch Bauernrevolten könnten mitgewirkt haben, und Epidemien und regionale Naturkatastrophen, eine Siedlung ist heute noch unter Vulkanasche begraben.

Sichtwechsel: Vom Krieg zum Klima

Dann, in den 1990er-Jahren, als im gesellschaftlichen Bewusstsein der Klimawandel aktuell wurde, setzte auch in der Forschung ein Paradigmenwandel ein, eine andere Hypothese drängte sich nach vorn, die von einer globalen Naturkatastrophe: Nicht nur in Amerika brach im 9. Jahrhundert eine Kultur zusammen, auch in China begannen die letzten Tage der Tang, 907 war diese Dynastie am Ende. Mehrere Dürreperioden hatten das Land überzogen, das zeigte sich 2008 in Tropfsteinen, sie archivieren das Klima. Das Gleiche hatte man früher schon in Sedimenten vor der Küste Venezuelas bemerkt, auch sie sind ein Archiv für Niederschläge. Ab 760 kamen immer wieder Dürren, drei verheerende Höhepunkte gab es 810, 860 und 910. Der von 860 brachte den Untergang der klassischen Periode der Maya. Dieser Klimawandel war nicht von Menschen gemacht, sondern kam vermutlich von einer besonderen Stellung der Erde zur Sonne, die dann auch den Tang zum Verhängnis wurde.

So die Lesart bis zu Beginn unseres Jahrtausends. Dann schlug das Pendel zurück bzw. die monokausale Erklärung bekam Risse, die Archäologen sahen exakter hin: Die ersten Städte der Maya verschwanden 695, lange vor der Dürre, und ausgerechnet in einer feuchten Region, Petexbatun. Dort zeigen die Knochenreste der Menschen auch keine Mangelernährung, sondern Verletzungen, die Bewohner rieben sich in endlosen Kämpfen auf. In anderen Regionen wurde es zwar trockener, das zeigen Knochen von Tieren im Hausmüll: Die erjagten Tiere, die Wasser lieben, Schildkröten etwa, wurden seltener. Aber sie starben nicht aus.

Klimasünde: Raubbau an den Wäldern

Die Menschen auch nicht. Allerdings wurde ihnen angst und bange, das bezeugen Opfergaben für den Regengott Chac in Belize: Tongefäße. Ihre Zahl blieb lange konstant, ab 860 stieg sie stark. Aber woher kam diese Trockenheit? Nicht nur vom globalen Klima, das die Natur gemacht hatte. Sondern auch vom lokalen, das der Mensch beeinflusste: Die Maya rodeten in der Endphase ihre Wälder so stark – sie räumten etwa in Tikal selbst heilige Haine ab, um Agrarflächen und Bauholz für Kultbauten zu gewinnen –, dass sich das Regionalklima veränderte. „Durch die Entwaldung sind die Niederschläge um 20 bis 30 Prozent zurückgegangen“, bilanziert Klimaexperte Thomas Kober (University of Alabama).

Diese Sicht teilt Jared Diamond in „Kollaps“: Der Untergang der Maya war nicht ein großer Schlag wie der heute von Untergangspropheten befürchtete. Bei ihm kam viel zusammen, strukturelle und akute Gewalt. Und Übernutzung der Natur: Die Maya waren bis an die Grenze der Ausbeutung gegangen, und mit dem Raubbau an ihren Wäldern gingen sie darüber hinaus.

Aber nur die Städte und Staaten zerfielen, die Maya blieben, dezimiert, aber noch organisiert, sie behielten die Erinnerung an ihre Geschichte, zeichneten alles sorgsam auf, auf Kodices. Diese Kultur gab es noch, und sie ging nicht unter, sie wurde ausgelöscht, verbrannt von den Spaniern. Ganze dreieinhalb Kodices blieben erhalten. Und erhalten blieb, was nicht brennbar war, die in Steine gemeißelten Inschriften. Etwa die in Tortuguego, die derzeit dazu benützt wird, den Weltuntergangshype voranzutreiben. Immerhin, den heutigen Maya wird das Erbe Geld in die Kassen bringen, zumindest in die ihrer Fremdenverkehrswirtschaft.

("Die Presse")

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