Die Sicherheitslage im 1990 gegründeten Jemen ist brüchig, das Land zersplittert. Islamisten sind auf dem Vormarsch.
Entführungen wie jene des 26-jährigen Wieners und der beiden Finnen (s. Artikel oben)sind im Jemen keine Seltenheit, denn die Sicherheitslage in dem 25-Millionen-Einwohner-Staat gilt seit jeher als extrem brüchig. Das fußt einerseits darin, dass die Armut in dem wüstenhaften Land, auf dem auf weniger als einem Prozent der Fläche Landwirtschaft effektiv betreibbar ist, gewaltig ist: Auf dem Entwicklungsindex der UNO liegt der Jemen auf Rang 154 von 187 erfassten Ländern, die Armutsrate liegt um die 55 Prozent, die Analphabetenrate bei knapp 50 Prozent.
Die jetzige Republik Jemen ging 1990 aus zwei Vorgängerstaaten hervor, dem Nordjemen (das Land war in den 1960ern de facto ein ägyptisches Protektorat) und der kommunistischen Demokratischen Volksrepublik Südjemen. Im Südjemen war erst 1967 nach fast 130 Jahren die britische Vorherrschaft beendet worden, die beiden Jemen führten mehrfach Kriege gegeneinander. Nach viel Hin und Her konnten die Länder 1990 vor allem auf Betreiben des Präsidenten des Nordjemen, Ali Abdullah Saleh, vereinigt werden. Das Land, in dem die wahre Macht indes bei den Clans und Stämmen liegt und Männer Waffen ganz offen tragen, blieb freilich politisch weiter zersplittert – ungeachtet der Tatsache, dass die Zentralregierung eine der größten Armeen der arabischen Welt formierte (zumindest ausrüstungsmäßig und auf dem Papier, denn wegen der divergierenden Clan-Loyalitäten konnten viele Einheiten nie plangemäß aufgefüllt werden).
Hier ein Aufstand, dort ein Aufstand. Der ärmere Süden fühlte sich jedenfalls von der Zentralregierung in Sanaa im Norden des Landes benachteiligt. Eine Separatistenbewegung kämpft für die Abspaltung des Südens, hinzu kommt der teils politisch, teils religiös motivierte Aufstand schiitischer Houthi-Rebellen im Norden des Landes, der seit 2004 mehrfach zum Bürgerkrieg eskalierte.
2011 begann schließlich ein Aufstand gegen den Langzeitherrscher Saleh, dieser gab Anfang 2012 nach monatelangen Kämpfen sein Amt ab. Zum Frieden trug das indes wenig bei, eher verstärkte es noch die zentrifugalen Tendenzen und Autonomieansprüche der Stämme in dem Land, das rund sechs Mal so groß ist wie Österreich.
In den letzten Jahren nutzte zudem noch die al-Qaida das kaum kontrollierbare Land zusehends als Rückzugs- und Rekrutierungsgebiet und brachte zeitweise sogar ganze Städte unter ihre Kontrolle. Das US-Militär unterstützt im Hintergrund den Sicherheitsapparat der Zentralregierung und fliegt mit raketenbestückten Drohnen gezielte Einsätze gegen al-Qaida-Basen. c.i./wg
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2012)