"Touristenfalle" Jemen: Wiener entführt

Touristenfalle Jemen Wiener entfuehrt
Touristenfalle Jemen Wiener entfuehrt(c) EPA (YAHYA ARHAB)
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Am Freitag wurden in dem armen arabischen Staat wieder drei Ausländer entführt, darunter ein Österreicher. Die Täter sollen von der al-Qaida sein. Trotz aller Reisewarnungen fahren Touristen in den Jemen.

Sanaa, die Hauptstadt des Jemen, liegt hoch in den rostbraunen Bergen Südarabiens auf rund 2200 Meter Höhe und gilt aufgrund ihrer klassisch orientalischen Architektur als eine der schönsten Städte der islamischen Welt. Und wiewohl man den Jemen auch „Armenhaus Arabiens“ nennt und dort seit Längerem bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen und Stämme de facto das Gros des Landes beherrschen (s. Artikel unten) zieht Sanaa viele Ausländer, die an der arabischen Sprache und Kultur interessiert sind, sogar längerfristig an: Sie belegen Kurse an einer der Sprachschulen, für die etwa die deutsche Botschaft in Sanaa als Alternative für „klassische“ Ziele wie Kairo und Damaskus wirbt.

Für drei westliche Arabisten wurde die schöne Stadt mit ihren rund 2,5 Millionen Einwohnern nun indes zur Falle: Am Freitagnachmittag entführten bewaffnete Banditen mitten in Sanaa auf dem Tahrir-Platz ein finnisches Pärchen und einen 26-jährigen Mann aus Wien, die laut Angaben der jemenitischen Behörden an einer der Sprachschulen studierten.

Es geschah auf dem Hauptplatz.
Die drei stöberten laut Behördenangaben gerade in einem Elektrogeschäft, als ein Wagen mit vier maskierten und mit Gewehren bewaffneten Männern vorfuhr, die ins Geschäft stürmten, die Fremden stellten, ins Auto zwangen und mit ihnen wegrasten. Die Aktion erfolgte derart rasch, dass Polizeieinheiten in der Gegend davon entweder nichts mitbekamen oder nichts mitbekommen wollten.

Das Außenministerium in Wien bestätigte mittlerweile die Entführung der drei Personen – man sei deswegen mit den jemenitischen Behörden sowie jenen in Finnland und ungenannten anderen europäischen Ländern in Kontakt. Es besteht der Verdacht, dass eine Gruppe, die mit dem islamistischen Terrornetzwerk al-Qaida kooperiere, dahinterstecke. Die al-Qaida im Jemen, die in Landstrichen im Hinterland aktiv ist, hatte nämlich vor etwa zehn Tagen damit gedroht, Ausländer zu entführen, um die Freilassung von inhaftierten Mitgliedern zu erwirken.

Laut den lokalen Behörden könnten sich die Entführten noch in Sanaa befinden: Es sei nämlich unwahrscheinlich, dass die Entführer die Hauptstadt mit den Geiseln verlassen hätten, weil alle Zufahrten von Polizei und Militär streng kontrolliert würden.

Der Wiener, dessen Name nicht bekannt gegeben wurde, und sein finnischer Kollege sollen laut Angaben der Behörden und lokaler Medien seit mehreren Monaten in Sanaa studiert haben, angeblich am durchaus renommierten „Center for Arab Language and Eastern Studies“ (Cales). Die Finnin sei erst vor Kurzem zu ihrem Freund dazugestoßen, die drei Europäer hätten demnach gerade vorgehabt, Sanaa zu verlassen und in eine Stadt an der Küste zu fahren.

Entführungen sind in dem 25-Millionen-Einwohner-Land seit vielen Jahren keine Seltenheit: Seit Mitte der 1990er wurden in dem wüstenhaften und gebirgigen Staat, der hauptsächlich von Landwirtschaft und etwas Ölförderung lebt, mehr als 200 Ausländer entführt, in der Regel von Stämmen, die damit politische oder rein finanzielle Forderungen an die Behörden durchsetzen wollten. Zumeist wurden die Geiseln gut „verwahrt“ und nach wenigen Tagen gegen Lösegeldzahlung freigelassen, viele berichten von höflicher Behandlung durch die Entführer. Ein saudischer Diplomat ist freilich schon seit März in der Hand von Entführern, sein Schicksal ist vor allem deshalb ungewiss, weil Saudiarabien ein Feind der jemenitischen al-Qaida und einer lokalen Schiitensekte ist und saudische Truppen Militäraktionen auf jemenitischem Gebiet durchführen.

Bekannt gefährliches Land.
Wegen der zahlreichen Entführungen sowie wegen Terrorangriffen auf Touristen (2008 wurde etwa ein Konvoi mit Belgiern beschossen, zwei Touristen starben) ist die Zahl der Jemen-Besucher stark gesunken, von mehr als 330.000 anno 2005 auf einige Tausend pro Jahr. Die gefährliche Lage war seit Jahren bekannt und viele Staaten, so auch Österreich und Deutschland, rieten ihren Bürgern vor Reisen dorthin ab bzw. gaben sogar klare Reisewarnungen heraus: Am Samstag rief das Wiener Außenministerium Österreicher im Jemen sogar zur raschen Ausreise auf – freilich operiert etwa der heimische Ölkonzern OMV im Jemen; 2010 gab es in der OMV-Zentrale nahe Sanaa einen Zwischenfall, als ein Wachmann plötzlich um sich schoss und einen französischen Mitarbeiter tötete.

Zuletzt waren im Dezember 2005 zwei Österreicher im Jemen entführt worden, sie kamen nach wenigen Tagen, in denen die Zentralregierung in Sanaa mit Stammesführern verhandelte, am 24. Dezember unversehrt frei.

(c) Die Presse / HR

Im Jänner 2012 wurden ein Oberösterreicher und vier weitere Europäer in Äthiopien von Banditen erschossen. Im Februar 2008 wurden zwei Salzburger im tunesisch-algerischen Grenzgebiet von al-Qaida-Kämpfern gekidnappt und nach Mali verschleppt, sie kamen erst nach 252 Tagen frei. Anno 2003 waren in der algerischen Sahara sogar gleich zehn Österreicher für zwei Monate in der Hand von Islamisten. In Bolivien wiederum wurden 2006 zwei österreichische Touristen entführt, ausgeraubt und grausam erstickt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2012)

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