Dänemark: Juden fühlen sich unter Druck

Juden fühlen sich unter Druck
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Wegen immer mehr Schikanen und Überfällen auf der Straße wagen es Dänemarks Juden kaum mehr, sich in der Öffentlichkeit zu erkennen zu geben.

Kopenhagen. Kopenhagens jüdische Caroline-Schule rät ihren Schülern, den Davidstern zu verbergen, ehe sie durch gewisse Stadtviertel gehen. Die meisten Besucher der Synagoge nehmen die Kippa ab, wenn sie das Gotteshaus verlassen. Israels Botschaft warnt Reisende davor, auf offener Straße laut Hebräisch zu sprechen. Aus Furcht vor Schikanen und Überfällen wagen Juden in Dänemark nicht mehr, sich in der Öffentlichkeit zu erkennen zu geben. „Unsere Mitglieder sollten das nicht akzeptieren, aber so ist die Wirklichkeit“, sagt Michael Gelvan, der Sicherheitsverantwortliche der mosaischen Glaubensgemeinde.

Dänische Juden sollten auf ihren Rechten beharren und ihre religiösen Symbole offen tragen, meint Max Meyer, der Vorsitzende des Zionistenverbandes. „Doch die Angst siegt, und wir verschlimmern unsere Lage nur, indem wir unsere Identität leugnen und die Kennzeichen verstecken.“ 39 Anzeigen wegen antisemitischer Attacken hat die Gemeinde in diesem Jahr bisher registriert, sie reichen von physischen Überfällen über Beschimpfungen bis zu eingeschlagenen Fenstern, hasserfüllten Schmierereien und zerstörten Gräbern. Die Dunkelziffer ist hoch: Nicht jeder jüdische Schüler, der in der U-Bahn drangsaliert wird, geht deshalb zur Polizei.

„Dass die Synagoge eingezäunt und bewacht ist und die Caroline-Schule einer Militärbasis gleicht, ist nichts Neues“, sagt Yigal Romm, ehemaliger Redakteur der „Jüdischen Orientierung“. „Das haben wir seit einem Bombenanschlag auf die Synagoge vor 25 Jahren. Aber die Zunahme der Alltagsschikanen ist beunruhigend.“

Hass-Mails und Beschimpfungen

Die jüdischen Organisationen beklagen die Passivität des offiziellen Dänemark. Nach einem Brandanschlag auf die israelische Botschaft reagierte das Außenministerium nicht mit offener Verurteilung, sondern einem lakonischen Schreiben, dass man die Schäden ersetzen werde. Bei einem Kulturfestival forderte Kopenhagens Stadtverwaltung den Zionistenverband auf, seinen Stand nicht mit israelischen Fahnen zu schmücken, um Probleme zu vermeiden. Die Polizei meint, Juden sollten sich „wie Homosexuelle, die Hand in Hand gehen wollen“, von Risikozonen fernhalten. „Das ist ärgerlich, aber das ist der Rat, den wir haben“, sagt Kommissar Lars-Christian Borg.

Verübt würden die Überfälle teils von antiisraelischen Linksradikalen sowie von muslimischen Gruppen, sagt Gelvan: „Ich will nicht generalisieren, es sind bei Weitem nicht alle Muslime, die Juden schikanieren. Es sind ein paar harte Typen.“ Laut Finn Schwartz, dem Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde, kämen Hass-Mails vor allem aus der dänischen Palästina-Lobby, physische und verbale Attacken von arabisch-muslimischen Tätern. Für Imran Shah, den Sprecher des islamischen Glaubensverbandes, ist das eine „unfaire Beschuldigung“: „Das können auch alle anderen sein, Muslime haben keine Hautfarbe, genauso wenig wie Juden oder Christen.“ Auch Mitbürger, die sich durch ihre Kleidung als Muslime zu erkennen geben, seien Angriffen ausgesetzt: „Ein Hidschab (Kopftuch) ist wesentlich sichtbarer als ein Davidstern.“

„Hilft nicht, Kippa abzunehmen“

Romm hofft, dass die mediale Berichterstattung die Aufmerksamkeit für die Lage der Juden schärft. Aus dem politischen Lager kommen entsprechende Signale. Es sei „völlig unakzeptabel“, dass sich Juden in Dänemark gezwungen sähen, ihre Identität zu verleugnen, heißt es einhellig von den Konservativen bis zur linken Einheitsliste. Die Juden sollten in die Offensive gehen, statt sich zu verbergen, meint die Sozialdemokratin Karen Klint: „Ich verstehe, dass das schwer sein kann, aber es hilft nicht, die Kippa abzunehmen.“

Auf einen Blick

Die jüdische Gemeinde und der Zionistenverband in Dänemark klagen über vermehrte Übergriffe auf Juden durch antiisraelische Linksextremisten und einige arabische Jugendliche. Jüdische Organisationen raten ihren Mitgliedern, nicht offen Davidsterne oder Kippas zu tragen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.01.2013)

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