Vergewaltigung in Indien: Tumulte bei Prozessbeginn

In diesem Polizeibus wurden die Angeklagten zur Übergabe der Anklage geführt, wird vermutet.
In diesem Polizeibus wurden die Angeklagten zur Übergabe der Anklage geführt, wird vermutet.(c) REUTERS (STRINGER INDIA)
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Die Richterin ließ den Gerichtssaal aus Sicherheitsgründen räumen. Der Vater des Opfers fordert die Todesstrafe auch für den minderjährigen Täter.

Unter massiven Sicherheitsvorkehrungen sind im Fall der nach einer Gruppenvergewaltigung gestorbenen Inderin fünf mutmaßliche Täter erstmals vor Gericht erschienen. Wegen tumultartiger Zustände im viel zu kleinen Verhandlungssaal fand die Anhörung der wegen Mordes angeklagten Männer am Montag hinter verschlossenen Türen statt. Zwei von ihnen erklärten sich in der Hoffnung auf mildere Strafen zur Zusammenarbeit mit der Justiz bereit.

Jedem der fünf Angeklagten im Alter zwischen 19 und 35 sei eine komplette Anklageschrift übergeben worden, sagte Richterin Namrita Aggarwal nach der kurzen Anhörung vor Journalisten. Für Donnerstag wurde die nächste Anhörung angesetzt. Wie aus Gerichtskreisen verlautete, zeigten sich zwei der Angeklagten kooperativ und wollten als Zeugen auftreten. Die fünf Männer wurden abgeschirmt von der Öffentlichkeit ins Gericht gebracht, da um ihre Sicherheit gefürchtet wurde. Viele Menschen hatten öffentlich die Todesstrafe gefordert. Das Gericht setzte den Beschuldigten ein Ultimatum zur Suche eines Anwalts. Sollten sie bis zur nächsten Anhörung an diesem Donnerstag niemanden gefunden haben, würden ihnen Pflichtverteidiger gestellt, sagte Aggarwal.

Insgesamt sechs Männern wird vorgeworfen, Mitte Dezember eine 23-jährige Studentin in einem Bus in Neu Delhi vergewaltigt, schwer misshandelt und anschließend mit ihrem Freund aus dem Fahrzeug geworfen zu haben. Die junge Frau war Ende Dezember an den Folgen des Übergriffs gestorben. Ihr Schicksal hatte eine Welle von Protesten in Indien ausgelöst. Der sechste Verdächtige soll 17 Jahre alt sein und dürfte vor ein Jugendgericht kommen.

Proteste vor dem Gerichtssaal

Wegen Überfüllung des Gerichtssaals ordnete Richterin Aggarwal an, die Anhörungen hinter verschlossenen Türen abzuhalten. Es drängten sich rund 150 Menschen in einen für 30 Plätze vorgesehenen Saal, darunter dutzende Anwälte und Journalisten. Der Tumult hatte bereits zu Verzögerungen am Gericht geführt. Die Polizei war mit einem Großaufgebot vertreten.

Vor dem Gericht im Hauptstadtbezirk Saket protestierten zahlreiche Anwälte gegen die Entscheidung zweier Kollegen am Obersten Gerichtshof, die sich zur Verteidigung der Angeklagten bereit erklärt hatten. Sämtliche bei der Anwaltskammer des Bezirks zugelassene Anwälte hatten die Verteidigung der Männer abgelehnt. Jeder verdiene indes "einen angemessenen Prozess", verteidigte einer der Anwälte seine Bereitschaft, die Vertretung der Beschuldigten zu übernehmen.

Schnellgericht

Normalerweise vergehen in Indien nach einem Verbrechen oft Monate oder sogar Jahre bis zu einem Prozess. Zudem ist sexuelle Gewalt gegen Frauen in der indischen Gesellschaft noch immer an der Tagesordnung. Im Fall der jungen Inderin war wegen des Aufruhrs nach der Tat indes ein Schnellgericht eingesetzt worden. Rechtsexperten rechnen aber damit, dass die Richterin den Fall alsbald an ein höheres Gericht übergibt.

Den Männern werden unter anderem Mord, Vergewaltigung, Entführung und Raub vorgeworfen. Damit droht ihnen die in Indien allerdings selten angewandte Todesstrafe. Die Staatsanwaltschaft hatte am Wochenende erklärt, klare DNA-Beweise gegen die Angeklagten zu haben.

Weitere Fälle gemeldet

Indische Medien meldeten unterdessen weitere Gewalt gegen Frauen. Demnach wurde in Noida, einem Vorort Neu Delhis, die Leiche einer vermutlich vergewaltigten und ermordeten Frau gefunden. Die "Times of India" berichtete, zwei Verdächtige seien festgenommen worden, ein Dritter sei auf der Flucht. Fünf Polizisten wurden suspendiert, nachdem sich ihre Wache zunächst geweigert habe, eine Anzeige aufzunehmen.

Die Nachrichtenagentur IANS meldete die Vergewaltigung einer 15-Jährigen in Neu Delhi durch einen Mann und einen Jugendlichen. Der Nachrichtensender NDTV berichtete, im zentralindischen Bundesstaat Chhattisgarh seien ein Lehrer und ein Wachmann unter dem Vorwurf festgenommen worden, vier Schülerinnen vergewaltigt zu haben. Im ostindischen Bundesstaat West-Bengalen sei ein 40-Jähriger festgenommen worden, der verdächtigt werde, vier Mädchen im Alter zwischen fünf und zehn Jahren missbraucht zu haben.

Vater des Opfers meldet sich zu Wort

Vor Beginn des Prozesses hat der Vater der Frau die Hinrichtung aller sechs Beschuldigten gefordert. "Den Tod für alle sechs von ihnen", sagte er der britischen Sonntagszeitung "The Sunday People". "Diese Männer sind Monster. An ihnen sollte ein Exempel statuiert werden." Drei Tage nach Anklageerhebung sollen die fünf volljährigen Beschuldigten am Montag in Neu Delhi vor Gericht erscheinen. Ihnen droht der Galgen. Beim sechsten Verdächtigen wird geprüft, ob er minderjährig ist.

Der Vater nannte in der Boulevardzeitung den Namen seiner verstorbenen Tochter. "Wir wollen, dass die Welt ihren richtigen Namen kennt", sagte er. "Ihren Namen preiszugeben wird andere Frauen ermutigen, die solche Angriffe überlebt haben." Indische Gesetze verbieten, Namen von Vergewaltigungsopfern oder andere Angaben zu veröffentlichen, die zur Identifizierung führen können. Das soll das Opfer vor gesellschaftlicher Stigmatisierung schützen.

Indische Medien haben der 23-Jährigen in der Berichterstattung symbolische Namen wie Nirbhaya (angstlos) oder Amanat (Schatz) verliehen. In Indien ist aber eine Debatte darüber entbrannt, ob der tatsächliche Name nicht veröffentlicht und ein neues Gesetz zum Schutz von Frauen nach dem Opfer benannt werden sollte.

Vorwürfe gegenüber Polizei

Der Begleiter des Vergewaltigungsopfers, der die Tat verletzt überlebte, erhob unterdessen schwere Vorwürfe gegen Passanten und die Polizei in Neu Delhi. Der befreundete Begleiter der 23-Jährigen sagte in seinem ersten Interview, fast eine halbe Stunde lang habe niemand geholfen, nachdem die Täter sie aus einem Bus geworfen hätten (DiePresse.com berichtete). Auch nach dem Eintreffen der Polizei hätten die Beamten wertvolle Zeit verschwendet und zunächst diskutiert, welche Wache zuständig sei.

Die Polizei wies Vorwürfe verschleppter Hilfeleistung zurück. Der erste Streifenwagen habe die beiden Opfer sechs Minuten nach Eingang des Notrufs erreicht, teilte die Polizei am Samstag mit. 34 Minuten nach dem Notruf hätten Polizisten mit den Opfern das Krankenhaus erreicht. Das belegten die GPS-Systeme der Streifenwagen. Es habe "keine Versäumnisse" der Polizei gegeben.

(APA/dpa/AFP)

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