Geschätzte 500 Österreicherinnen lassen sich jedes Jahr im Ausland künstlich befruchten. In ganz Europa floriert der "Reproduktionstourismus", der immer noch ein Tabuthema ist. Die Dunkelziffer dürfte hoch sein.
Es sind Reisen in Richtung Hoffnung. Hoffnung auf eine Schwangerschaft, für die immer mehr Frauen und Paare die Landesgrenzen hinter sich lassen. Nicht selten sind es All-inclusive-Trips: Zum Termin in einer Kinderwunschklinik im Ausland kann man häufig Flug und Hotel mitbuchen. Längst spricht man von „Befruchtungstourismus“.
Angetreten werden die Reisen von Singlefrauen oder kinderlosen Paaren, die nicht auf natürlichem Weg schwanger werden können, bei denen auch alle in Österreich erlaubten Methoden der künstlichen Befruchtung, allen voran die In-vitro-Fertilisation, erfolglos gewesen sind. Weil die Gesetzeslage in Österreich strikt ist (siehe Lexikon), zieht es hunderte Paare in andere Länder, deren liberalere Rechtslage etwa Eizellenspenden – hierbei wird die Eizelle einer anderen Frau mit dem Samen des Mannes in vitro befruchtet und der Frau eingesetzt – oder Leihmutterschaft erlaubt.
Baby aus Spanien. Geschätzte 500 Österreicherinnen lassen sich jedes Jahr in einer Kinderwunschklinik im Ausland behandeln, weltweit werden pro Jahr 350.000 Kinder künstlich gezeugt, schätzt die Europäische Gesellschaft für Reproduktionsmedizin und Embryologie. Gesicherte Zahlen gibt es nicht, die Dunkelziffer ist hoch. „Künstliche Befruchtung“ ist immer noch ein Tabuthema, die Rechtslage ein Graubereich: Inwiefern etwa dürfen heimische Ärzte Österreicherinnen beraten, die im Ausland Eingriffe durchführen lassen, die in Österreich illegal sind?
Nicht selten haben nämlich heimische Kinderwunschkliniken Dependancen im Ausland, in denen sie Frauen oder Paare mit Kinderwunsch behandeln. Viele, die schon einen langen, emotional beschwerlichen Weg zum Kind hinter sich haben, tun es trotzdem. Und investieren viel Geld. Zu den beliebtesten Ländern in Europa zählen Spanien und Dänemark. Viele Österreicher gehen in die Slowakei oder nach Tschechien, auch hier sind Eizellenspenden erlaubt, die Kosten relativ niedrig. Zudem garantiert Tschechien, dass etwa die Spenderin der Eizelle oder sie Leihmutter anonym bleibt.
Der Befruchtungstourismus wird aber auch heftig kritisiert – oft als „Ausbeutung“. Denn nicht in allen Ländern sei die korrekte medizinische Versorgung der Leihmütter oder Eizellenspenderinnen gewährleistet, so die Kritik. Das gesundheitliche Risiko durch die hormonelle Überstimulierung ist für Mutter und Eizellenspenderin beträchtlich. Und eine Garantie für eine erfolgreiche Befruchtung gibt es auch im Ausland natürlich nicht.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2013)