Ein "Austragskloster" mit bestem Überblick über den Vatikan

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Austragskloster bestem ueberblick ueber(c) AP
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Benedikt XVI. will künftig "der Welt verborgen bleiben". Das wird gar nicht so leicht sein. Sein Ruhesitz ist keine Klause im Wald, sondern liegt im Herzen des Vatikans.

Rom. Wenn ein bayerischer Bauer seinen Hof übergibt, dann zieht er sich ins „Austragshäusl“ zurück. Der zukünftige bayerische Ex-Papst geht ins Austragskloster. Und so wie der klassische bayerische Bauer hat Benedikt XVI. einen Ort gewählt, der sich in allernächster Nähe zum Erben befindet. Solche Situationen haben in Bayern schon viel Stoff für Heimatromane geliefert, für glücklich endende ebenso wie für tragische.

„Im Gebet werde ich euch immer nahe sein, auch wenn ich der Welt verborgen bleibe“, hat der Papst am Donnerstag den Priestern seiner Diözese Rom gesagt. Aber Gefangener im Kloster? Pressesprecher Federico Lombardi schüttelt den Kopf: Das könne er sich beim besten Willen nicht vorstellen. Einmischen in die Geschäfte seines Nachfolgers werde sich Benedikt aber nicht: „Wir kennen ihn schließlich.“

Wie auch immer. Benedikts Ruhesitz ist keine Klause im Wald, sondern liegt im Herzen des Vatikans: ein an den Hang gebautes, vierstöckiges, schmuckloses Haus, das seit November renoviert wird. In bunten Röhren rutscht der Bauschutt derzeit noch auf Lkw. Von hier aus wird der „Altbischof von Rom“ ein ebenso perfektes wie von Symbolen seiner früheren Tätigkeit sattes Panorama genießen: Benedikts Blick wird von der palmenumringten, bronzenen Petrusstatue schräg unter ihm über die zum Greifen nahe Kuppel des Petersdoms über die ganze Stadt reichen.

Die vatikanischen Gärten wird der Ex-Papst überblicken, diese bestens gepflegte Oase von Grün mitten in Rom. 99 Brunnen sprudeln hier, antike und christliche Statuen säumen Wege und Lauben, üppig wachsen mehr als 6000Bäume, darunter viele exotische: seltene, flammend rot blühende Korallen- oder duftende Kampferbäume etwa. Die Gärtner bezeichnen das vatikanische Mikroklima als nahezu ideal für alles.

Im Gedenken an das Attentat 1981

Früher haben im künftigen päpstlichen Ruhesitz tatsächlich die vatikanischen Gärtner gewohnt, später der Chef von Radio Vatikan. An das in Altrosa gestrichene Gärtnerhaus hat Johannes Paul II. 1992–1994 einen gleichfarbigen, klinkerverkleideten Neubau setzen lassen. Ein Kloster wollte er im Vatikan haben, eines, in dem streng von der Welt abgeschottete Nonnen Tag und Nacht für den Papst beteten. Der Termin der Einweihung lieferte den Hintergrund: der 13.Mai 1994. Am 13.Mai 1981 hat Johannes Paul II. mit knapper Not das Attentat auf dem Petersplatz überlebt, und am 13.Mai 1917 ist im portugiesischen Fatima vor drei Hirtenkindern die Muttergottes erschienen, der der Papst seine Rettung zugeschrieben hat.

In diesem Marienkloster Mater Ecclesiae (Mutter der Kirche) haben sich seit 1994 vier Schwesterngemeinschaften abgewechselt. Die letzten haben ihren Fünfjahresturnus nicht vollendet. Im Herbst 2012 sind sie nach drei Jahren ausgezogen – inzwischen scheint auch klar, warum: Benedikt XVI. habe damals schon den Rücktritt zumindest erwogen und ein Auge auf das Gebäude geworfen.

Er kennt das teilweise von blickdichten Hecken umsäumte, von einem robusten Tor geschützte Anwesen. Nicht nur, weil er mehrfach mit den Nonnen Gottesdienst gefeiert hat, sondern weil diese den Papst aus ihren 500 Quadratmetern Garten täglich mit biologisch angebautem Gemüse belieferten; weil die Orangenmarmelade, die er sich aufs Frühstücksbrot strich, von hier kam, und weil ihm die Schwestern jeden Mai weiße, duftende Rosen der Sorte Johannes Paul II. in sein apostolisches Arbeitszimmer schickten.

Sicher ist, dass Benedikt XVI. – „Wir nennen ihn auch künftig so“, sagt Pressesprecher Lombardi – „den fundamentalen Kern der päpstlichen Familie“ mit in den Klosterbau nehmen wird: die vier Frauen aus der Laienschwesterngemeinschaft Memores Domini, die ihm bisher schon den Haushalt führten, und vor allem seinen Privatsekretär Georg Gänswein (56).

Gänsweins delikate Doppelrolle

Dieser nimmt künftig eine delikate Doppelrolle ein. Frisch zum Erzbischof geweiht und zum Präfekten des Päpstlichen Hauses befördert, bleibt er zuständig für den Terminkalender des neuen Papstes: Gänswein teilt Audienzen zu (oder auch nicht). Und von seiner Dachterrasse aus kann Benedikt XVI. auch optisch den Überblick behalten.

„Der Welt verborgen bleiben“, nun ja: Die Kleinbusse, mit denen sich Touristen jeden Vormittag im Stundentakt durch die Gärten fahren lassen, ziehen eine Schleife genau unter Benedikts künftigem Domizil. Es ist auch einer der wenigen Plätze, an denen die Busse halten. Fotos zu machen ist streng verboten. Aber von unten hinaufschauen darf man zu Benedikts Ruhesitz. Und wer weiß, vielleicht steht er selbst ja einmal am Fenster.

>> Gastkommentar von Bernhard Görg

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2013)

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