Fleischskandal wird zur Vertrauenskrise

Fleischskandal wird Vertrauenskrise
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Billa, Spar, Zielpunkt, Adeg, Lidl: Fast alle Supermarktketten sind vom Betrug mit Pferdefleisch betroffen. Heimisches Fleisch wurde kaum kontrolliert.

Wien. Es geht nicht mehr um billige Tiefkühlkost. Der Fleischskandal ist in der Spezialitätenabteilung angelangt. Nicht holländische Großhändler, sondern Kärntner Fleischhauer haben Pferdefleisch in der Tiefkühltruhe und in ihren Würsten. Österreichs Lebensmittelkonzernen droht eine veritable Vertrauenskrise.

Ein anonymer Informant hat den Kärntner Kontrolloren genau gesagt, wo sie nach dem Pferdefleisch suchen müssen. „Sonst hätten wir es wohl nicht gefunden“, sagt Alfred Dutzler von der Kärntner Lebensmittelaufsicht. Seine Mitarbeiter fanden in der „Lavanttaler Bauernsalami“ der Fleischerei Freitag in St. Georgen 27,2 Prozent Pferdefleisch.

Die Fleischerei weist alle Vorwürfe zurück und will nicht wissen, wie das Pferdefleisch auch in ihre „Kärntner Hauswürste“ gelangte. Diese wurde nun unter anderem bei Billa, Adeg, Spar und M-Preis aus den Regalen geräumt.

Dass die Fleischerei erwischt wurde, ist Zufall. Ohne einen Informanten wäre der Fall so schnell nicht aufgedeckt worden. Grund: Die österreichischen Lebensmittelkontrollore konzentrierten sich bisher fast ausschließlich auf ausländische Fleischwaren. Denn noch wähnte man heimisches Fleisch als sicher. Irrtum: Die Betrüger sind unter uns. Am Mittwoch wurden die Tests auf österreichische Produkte ausgeweitet, bestätigt Carolin Krejci von der Abteilung für Lebensmittelsicherheit im Gesundheitsministerium der „Presse“. Nun werden also Produkte, die österreichische Gütesiegel tragen, auf Pferde-DNA untersucht.

Pferd am Spieß fand auch das Wiener Marktamt. In einem Rind-Kalb-Puten-Kebap, der tiefgefroren aus der Slowakei nach Wien gelangte, steckte ein Pferd. „Wir wissen, dass es Fleischfälscher gibt“, sagt Alexander Hengl vom Marktamt: „Und ich fürchte, es werden noch mehr.“

Die Befürchtung scheint gut begründet. Aus einem Etikettenschwindel könnte sehr schnell eine tiefe Vertrauenskrise werden, warnen Handelsexperten. Im Gesundheitsministerium reagiert man mit 100 zusätzlichen DNA-Proben zu den rund 160, die laut Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) bisher gezogen wurden

Bereits vergangene Woche räumte Zielpunkt Tiefkühl-Lasagne der Eigenmarke „Jeden Tag“ aus den Kühltruhen. Wie sich nun herausstellte, aus gutem Grund. Die Billigprodukte kommen aus Deutschland, wer aus Pferd Rind gemacht hat, ist vorerst nicht bekannt. „Wahrscheinlich die, die eh schon bekannt sind“, mutmaßt Bernhard Delakowitz von der Markant-Gruppe, die für die "Jeden Tag"-Produkte verantwortlich ist. „Wir können uns das nicht erklären und sind selber wie vom Blitz getroffen.“

Kenner der Szene sind nicht „wie vom Blitz“ getroffen. Dass Pferdefleisch quer durch Europa gekarrt wird, von einer Handelsfirma zur nächsten gereicht und am Ende als saftiges Beef herauskommt, glaubt ein Insider nicht. „Diese Lieferkette gibt es vermutlich nur auf dem Papier, um den Etikettenschwindel zu verschleiern“, sagt ein „Presse“-Informant. Tatsächlich gelange das Pferd wohl sehr gezielt von A nach B.

Vernichten oder verteilen?

Während landesweit dem Pferde im Rind nachgespürt wird, stellt sich Delakowitz eine andere Frage: Sollen die Tonnen falsch etikettierte Lebensmittel weggeworfen werden? Ist es moralisch vertretbar, die Rindfleisch-Lasagne mit Pferdefleisch-Zusatz an Bedürftige zu verschenken? Der deutsche CDU-Politiker Hartwig Fischer sprach sich als einer der ersten Politiker in Europa dafür aus, die Produkte Hilfsorganisationen, etwa den Tafeln, zur Verfügung zu stellen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.02.2013)

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