Pferdefleisch an Arme? Caritas: „Respektlose Idee“

(FABRY Clemens)
  • Drucken

Wohin mit konfiszierten Produkten? Vernichten?

Wien. Was genau mit den Unmengen an falsch etikettierten Fleisch- und Fertigprodukten passieren soll, weiß heute noch niemand so genau. Klar ist hingegen, dass die Produkte aus dem Verkehr gezogen wurden, sprich: aus den Supermarktregalen der jeweiligen Ketten verschwunden sind. Ideen, wie man mit den Lebensmitteln, die nicht unbedingt gesundheitsschädlich sein müssen, umgehen soll, kursieren jedoch bereits. Der deutsche CDU-Politiker Hartwig Fischer hat etwa angedacht, das Fleisch doch an Hilfsorganisationen weiterzugeben.

„Gleiche Kriterien für alle“

Bei der Wiener Caritas hält man davon aber recht wenig. Sprecher Klaus Schwertner meint dazu: „Aus meiner Sicht gelten für alle Gesellschaftsschichten die gleichen Qualitätskriterien. Warum sollen arme Menschen Lebensmittel bekommen, die unter Umständen gesundheitsgefährlich sind?“ Er hält diesen Vorschlag für „ziemlich respektlos“. Denn die gleichen Kriterien bezieht er nicht nur auf den gesundheitlichen Aspekt und die Lebensmittelsicherheit, sondern auch auf die richtige Etikettierung. Außerdem komme im aktuellen Fall die Frage hinzu, ob die Weitergabe logistisch – Stichwort Kühlkette – überhaupt machbar sei.

Etwas pragmatischer sieht man das hingegen bei der Wiener Tafel. „Man muss natürlich die etwaige Verunreinigung durch Schmerzmittel, die manchen Pferden verabreicht werden, berücksichtigen“, sagt dazu Sprecher Markus Hübl. Sollte dies aber nicht der Fall sein, das Pferdefleisch also nicht von einem Sportpferd stammen, und „sichergestellt sein, dass das Produkt qualitativ hochwertig ist, sehe ich das recht pragmatisch und würde die Produkte nehmen.“ Wobei auch er sich nicht vorstellen kann, dass die Kühlkette durch die Rückholaktionen gewährleistet sei.

Ähnlich sieht das Gerry Foitik vom Roten Kreuz, das mit der Team-Österreich-Tafel ebenfalls Essen an Bedürftige abgibt. „Das wäre im Einzelfall zu prüfen“, so Foitik. Auch er meint: „Bei solchen Skandalen gibt es immer den Reflex: Bevor wir es weghauen, geben wir es doch den Bedürftigen. Das ist zwar meistens gut gemeint, aber es gibt so viele praktische Hindernisse, dass das meist nicht geht.“

Was tatsächlich mit den Produkten passiert, wissen derzeit nicht einmal die Handelsketten. Rainer Tschopp, Sprecher von Lidl Österreich: „Wir haben unter Einhaltung der Kühlkette die Produkte an die jeweiligen Lieferanten zurückgeschickt.“ Diese wiederum wollten oder konnten bisher keine Auskunft über den Verbleib und die Menge der Ware geben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

NATIONALRAT: STOEGER
Innenpolitik

Pferdefleisch: Stöger fordert neues Strafrecht

Gesundheitsminister Stöger macht Druck. Doch Justizministerin Karl bremst: Die bisherigen gerichtlichen Straftatbestände würden ausreichen.
Weltjournal

Island: Keine Spur von Säugetieren in "Fleischpaste"

Im Sog des Pferdefleisch-Skandals hat auch Island Lebensmittel genauer untersucht. Sämtliche geprüfte Produkte waren mangelhaft gekennzeichnet.
Archivbild
Österreich

Fleisch-Skandal: Österreicher ändern Ess-Verhalten kaum

Österreicher sehen wenig Bedarf an weiteren Gütezeichen. Nur 13 Prozent halten Lebensmittel für zu billig. Deutsche wollen weniger Fertiggerichte essen.
Die betroffenen Fleischbällchen.
Weltjournal

Ikea: Fleisch für "Köttbullar" kam aus Polen

Der Lieferant aus Polen wurde nicht namentlich genannt. Sie sollen für den Pferdefleischanteil in den beliebten Fleischbällchen verantwortlich sein.
Essen Ikea Warten Elchbaellchen
Weltjournal

Essen bei Ikea: Warten auf "Elchbällchen"

Auch die schwedische Möbelhauskette Ikea ist Teil des Skandals rund ums Pferdefleisch. An dem Andrang in den günstigen Restaurants – inklusive Stammtisch im Möbelhaus – ändert das aber nichts.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.